Industrie muss mit geringem Exportwachstum rechnen / GeopolitischeRisiken belasten UnternehmenMünchen - Die Handelswege der exportorientierten deutschen Industriewerden komplexer.
18.11.2024 - 13:23:07Deloitte / Industrie muss mit geringem Exportwachstum rechnen / ...
Ausfuhren in die wichtigsten Absatzmärkte USA, China,Frankreich und Niederlande könnten künftig deutlich langsamer wachsen alsbisher. Dies zeigt eine aktuelle Analyse von Deloitte, die die Verschiebung derHandelswege in zwei geopolitischen Szenarien bis 2035 modelliert.
Die Industrieexporte in die USA steigen in diesem Zeitraum lediglich um 1,8Prozent pro Jahr, sofern sich die globalen Handelsbeziehungen ähnlich entwickelnwie in den vergangenen Jahren (Szenario I). Das ist rund ein Drittel weniger alsin den Jahren 2014 bis 2019, als die Ausfuhren in die USA um drei Prozentjährlich zulegten. Seit dem coronabedingten Einbruch in 2020 stiegen sie gar um15 Prozent pro Jahr. Mit einem Gesamtvolumen von 87 Milliarden Euro sind die USAder wichtigste Exportmarkt für die deutsche Industrie, deutlich vor China (64Milliarden Euro, Stand: 2023). Ausfuhren nach China würden in diesem Szenarioeiner multipolaren Welt nur noch um 2,3 Prozent jährlich zulegen (2014 bis 2019:4%).
"Diese Fokussierung auf einen Absatzmarkt ist selbst bei unverändertenHandelsbeziehungen riskant", sagt Oliver Bendig, Partner und Leiter derIndustrieberatung bei Deloitte. "Neue Zölle von 10 Prozent oder mehr würden dasohnehin geringe Exportwachstum in die USA nahezu halbieren. Um bestehendeAbhängigkeiten zu reduzieren und schwächelnde Absatzmärkte auszugleichen müssendie Unternehmen jetzt diversifizieren."
Ohne Europa geht es nicht
Die wichtigsten europäischen Märkte Frankreich und Niederlande würden um 2,4Prozent wachsen statt um drei und fünf Prozent wie in den Jahren vor derPandemie. Lediglich die Exporte in den fünftgrößten Absatzmarkt, nachGroßbritannien, würden sich nach dem brexitbedingten Rückgang (2014 bis 2019:-1%) mit einem jährlichen Wachstum von 1,3 Prozent besser entwickeln als in derVergangenheit, wenn sich bestehende handelspolitische Trends fortsetzen.
Auch die Industrieexporte in weitere europäische Märkte wachsen wenig dynamisch,sofern sich die weltweiten Handelsbeziehungen ähnlich entwickeln. Mit 2,4 und2,5 Prozent nimmt der Absatz in Österreich und Spanien am stärksten zu,ausgehend jedoch von einer vergleichsweise geringen Basis. Die Ausfuhren nachÖsterreich und Spanien hatten 2023 ein Volumen von je 27 Milliarden Euro. "Hierwerden wir sehr wahrscheinlich ein niedriges, aber verlässliches Wachstum derIndustrieexporte sehen", sagt Bendig. "Ohne den europäischen Markt wird es fürdie Industrie auch künftig nicht gehen, doch den fehlenden Rückenwind aus denUSA und China wird das kaum wettmachen." Industrieexporte nach Italien wachsennach diesem Szenario mit 1,5 Prozent jährlich deutlich langsamer als vor derPandemie (5%). Die Wachstumschancen können jedoch je nach Sektorenunterschiedlich sein: So ist das Potenzial für die Autoindustrie in Frankreich,Polen und Österreich größer; für den Maschinenbau gilt das in Spanien undÖsterreich.
Neue Märkte gewinnen an Bedeutung. Vietnam, Indien und die Philippinen habendabei das größte Potenzial, denn Ausfuhren in diese Länder könnten bei einerFortschreibung der aktuellen Handelstrends bis 2035 um vier bis mehr als sechsProzent jährlich wachsen. "Die Erschließung dieser Märkte ist komplex undkleinteilig, denn die jeweiligen gesetzlichen und regulatorischen Anforderungenmüssen erfüllt werden", so Bendig. "Angesichts der Unsicherheiten in den großenAbsatzmärkten USA und China wird der Schritt in diese Märkte aber zwingendnotwendig."
Szenario II: Blockbildung verstärkt Abhängigkeit von USA
Kommt es jedoch zu einer weiteren Verschärfung der Handelskonflikte, zunehmendemProtektionismus und einer Blockbildung um China und die erweitertenBRICS-Staaten im Gegensatz zu einem westlich geprägten Block, würden dieIndustrieexporte innerhalb der Blöcke zulegen. Die Ausfuhren in die USA könntenin diesem zweiten Szenario um vier Prozent jährlich wachsen, während dieIndustrieexporte nach China um jährlich sechs Prozent zurückgingen. Exporte nachIndien (-5,7%) und Brasilien (-2,9%) würden ebenfalls deutlich sinken. DieAbhängigkeit der deutschen Industrie von den USA würde unter diesenVoraussetzungen bis 2035 zunehmen. Ausfuhren in kleinere Märkte wie Vietnam unddie Philippinen aber auch die europäischen Märkte entwickeln sich in diesemSzenario weitgehend konstant.
Handelshemmnisse haben seit dem Ende der Finanzkrise 2007 / 2008 erheblichzugenommen. Zugleich ist auf deutlich niedrigerem Niveau die Zahl derbilateralen Wirtschaftsabkommen und Handelspartnerschaften gestiegen. "DieGleichzeitigkeit dieser Entwicklungen macht den globalen Handelunübersichtlicher, die Unternehmen brauchen die Unterstützung der Politik", sagtDr. Alexander Börsch, Chefökonom und Leiter Research bei Deloitte. "DerFreihandel braucht neue Impulse. Wenn dies auf globaler Ebene nicht möglich ist,sollte der Fokus auf neuen bilateralen Vereinbarungen und auf der Vertiefung deseuropäischen Binnenmarktes liegen."
Die Absatzmarkt-Analyse finden Sie hier (https://www.deloitte.com/de/de/Industries/industrial-construction/research/supply-chain-pulse-check.html) .
Pressekontakt:
Christian GressnerHead of Media | Corporate CommunicationsDeloitte GmbHWirtschaftsprüfungsgesellschaftRosenheimer Platz 4, 81669 München, DeutschlandPhone: +49 89 29036 5101
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/60247/5911162OTS: Deloitte