ROUNDUP, Nordsee

LONDON - Als sich die ganz dichten Rauchschwaden über den riesigen Schiffswracks vor der englischen Nordseeküste verzogen hatten, wurden die Schäden sichtbar: An der Backbordseite des Öltankers "Stena Immaculate" klaffte ein riesiges Loch, Gas und Flüssigkeiten schienen an verschiedenen Stellen auszutreten, wie auf Luftaufnahmen der BBC einen Tag nach dem Zusammenstoß mit dem Frachter "Solong" zu sehen war.Der Brand auf dem Tanker sei wohl gelöscht, sagte der zuständige britische Unterstaatssekretär Mike Kane bei einer Erklärung am Nachmittag im Parlament in London.

11.03.2025 - 16:07:03

Droht eine Umweltkatastrophe?

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LONDON (dpa-AFX) - Als sich die ganz dichten Rauchschwaden über den riesigen Schiffswracks vor der englischen Nordseeküste verzogen hatten, wurden die Schäden sichtbar: An der Backbordseite des Öltankers "Stena Immaculate" klaffte ein riesiges Loch, Gas und Flüssigkeiten schienen an verschiedenen Stellen auszutreten, wie auf Luftaufnahmen der BBC einen Tag nach dem Zusammenstoß mit dem Frachter "Solong" zu sehen war.

Der Brand auf dem Tanker sei wohl gelöscht, sagte der zuständige britische Unterstaatssekretär Mike Kane bei einer Erklärung am Nachmittag im Parlament in London. Der Frachter stehe hingegen noch immer in Flammen und treibe führerlos in Richtung Süden. "Modellrechnungen legen nahe, dass die "Solong", falls sie weiterhin schwimmt, in den nächsten Stunden nicht auf Land zutreiben wird", sagte Kane. Er fügte aber hinzu, die Küstenwache schätze es als unwahrscheinlich ein, "dass das Schiff schwimmfähig bleibt". In Luftaufnahmen der BBC war zu sehen, dass der Frachter weitgehend ausgebrannt war.

Sorge vor schweren Schäden für die Umwelt

Sollte der Frachter auf Grund laufen oder sinken, wird befürchtet, dass Schiffsdiesel austreten und schwere Umweltschäden anrichten könnte. Die in Hamburg ansässige Reederei Ernst Russ, der das Schiff gehört, hatte inzwischen jedoch Berichte dementiert, wonach es mehrere Behälter mit dem giftigen Natriumcyanid geladen hatte. Unklar blieb, welche anderen Güter das Schiff transportierte.

Ungewiss war auch, wie viel der 220.000 Barrel (knapp 35 Millionen Liter) Flugzeugtreibstoff, die an Bord der "Stena Immaculate" waren, ins Meer gelangt sein könnten. Der Treibstoff war den Angaben des US-Schifffahrtsunternehmens Crowley zufolge auf 16 Tanks verteilt, von denen mindestens einer bei dem Zusammenstoß beschädigt wurde.

Suche nach Vermisstem eingestellt

Insgesamt 36 Besatzungsmitglieder des Öltankers und des Containerschiffs waren sicher an Land gebracht worden, ein Mensch wurde medizinisch behandelt. Eine traurige Gewissheit gab es jedoch: Die Hoffnung, dass ein vermisster Seemann gerettet werden könnte, wurde aufgegeben und die Suche am späten Montagabend eingestellt. Kane bestätigte, dass vom Tod des Besatzungsmitglieds der "Solong" ausgegangen werde.

Gründe für Unglück weiterhin unklar

Warum die beiden Schiffe zusammenstießen, war auch einen Tag nach dem Unglück weiter unklar. Der unter US-Flagge fahrende Tanker war nach Angaben von Crowley von der unter portugiesischer Flagge fahrenden "Solong" gerammt worden, als er vor Anker lag. Die Untersuchungen liegen federführend bei den Flaggenstaaten.

Berichten von Besatzungsmitgliedern der "Stena Immaculate" zufolge, die mit dem US-Sender CBS gesprochen hatten, brach unmittelbar nach dem Zusammenstoß ein Feuer aus. Nach anfänglichen Löschversuchen habe die Mannschaft beschlossen, das Schiff zu verlassen. Die Flammen seien den Seeleuten dabei so nah gekommen, dass manchen die Haare versengt wurden.

Hinweise für eine absichtliche Herbeiführung des Unglücks lägen nicht vor, betonte Kane. "Es gibt im Moment keine Hinweise darauf", sagte er.

Tanker liegt laut Experten stabil

Das niederländische Bergungsunternehmen Boskalis ist mit der Bergung der "Stena Immaculate" beauftragt worden. Vier Schiffe mit Löschmaterial seien auf dem Weg zur Unglücksstelle, sagte ein Sprecher von Boskalis der Deutschen Presse-Agentur.

"Wir müssen zunächst sehen, dass wir auch dicht an das Schiff herankommen." Das hänge von der Rauch- und Temperaturentwicklung ab. Die Umstände sind nach den Angaben des Sprechers günstig.

Die Gefahr, dass der Tanker auseinanderbreche, sei klein. Beide Schiffe seien nicht länger ineinander verkeilt. "Heute Nacht ist das Containerschiff aus eigener Kraft freigekommen, der Tanker liegt stabil."

Die Experten werden den Angaben zufolge zunächst den Tanker von außen kühlen. "Wir müssen erst kühlen und dafür sorgen, dass die Temperatur auf dem Schiff sinkt." Geplant sei, den Tanker in einen sicheren Hafen zu schleppen.

Deutsches Schiff zur Unterstützung entsandt

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace in Großbritannien äußerte sich besorgt. "Sowohl die hohe Geschwindigkeit als auch die Videos von den Folgen geben Anlass zu großer Sorge", sagte ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Es sei aber noch zu früh, das Ausmaß von Schäden für die Umwelt zu bestimmen, sagte der Sprecher weiter.

Auch das deutsche Havariekommando hatte ein Mehrzweckschiff zur Unterstützung entsendet. Die "Mellum" der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes traf am späten Vormittag ein. Sie sei unter anderem mit Technik zur Brandbekämpfung sowie zur Aufnahme von Öl ausgerüstet. Rund 20 Menschen seien an Bord, hieß es vom Havariekommando.

Zudem wird ein Flugzeug vom Typ DO 228 gegen 14.30 Uhr deutscher Zeit an der Küste erwartet. Die Bundeswehr bezeichnet es als "Öljäger", weil es mit leistungsstarken Kameras und Sensoren dabei helfen könne, Schadstoffe im Wasser zu finden. Sowohl die Besatzung der "Mellum" als auch die des Flugzeugs erhielten ihre Aufträge vor Ort von der britischen Küstenwache, hieß es weiter.

Allianz: Britische Gewässer weltweit die gefährlichsten

Die britischen Inseln sind nach einer Auswertung der Allianz von den weltweit unfallträchtigsten Gewässern umgeben: In den zehn Jahren bis 2023 kam es dort zu 5.279 Unfällen mit Schiffen von über 100 Bruttoregistertonnen - nahezu ein Fünftel der 28.000 in diesem Zeitraum weltweit gemeldeten Vorfälle. Das berichtete der zu dem Münchner Dax-Konzern gehörende Unternehmensversicherer Allianz Commercial.

@ dpa.de

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