Im zweiten Teil unserer Serie zu alternativen ETFs geht es um aktiv verwaltete ETFs.
10.06.2024 - 11:01:36Börse Frankfurt-News: Aktiver als der S&P 500 erlaubt
Viele Anleger lehnen diese Produkte rundweg ab. Was es mit diesen ETFs auf sich hat und welche Art dieser Produkte Anlegern den größten Erfolg bringen kann, erläutert Ali Masarwah, Analyst und CEO des Finanzdienstleisters envestor.
10. Juni 2024. FRANKFURT (envestor). ETFs sind inzwischen nicht aus den Portfolios von Anlegern in Deutschland wegzudenken. Und das ist auch gut so. Anleger, die in den letzten Jahren ETFs auf den MSCI World, S&P 500, MSCI Europe oder Nasdaq 100 gekauft haben, werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine höhere Rendite erzielt haben, als wenn sie auf vergleichbare aktiv verwaltete Fonds gesetzt hätten. In meiner letzten Kolumne hatte ich die Vor- und Nachteile von Strategie-ETFs erläutert. Diese ETFs setzen auf Teilbereiche großer Märkte, in der Annahme, dass Stile wie Value, Growth, Momentum usw. mehr Performance bringen.
Doch es gibt eine Steigerungsform zu Strategie-ETFs: aktiv verwaltete ETFs. Geht das überhaupt? Können ETFs aktiv verwaltet sein? Sind das "echte" ETFs? Viele Anleger verneinen das mit Verweis darauf, dass "echte" ETFs dazu da seien, Indizes wie den MSCI World, S&P 500 und DAX und Co. zu günstigen Preisen abzubilden. Aber wer aktive ETFs rundweg ablehnt, vergisst, wofür "ETF" steht: Exchange-Traded Fund, also börsennotierter Fonds - und nicht für "billiger Indexfonds".
Streng genommen sind ETFs nur ein alternativer Vertriebsweg für Fonds. Während Anleger Fonds traditionell über Banken und andere Finanzintermediäre kaufen, erwerben sie ETFs über den Zweitmarkt, also über die Börse. Aber Fonds werden schon seit Jahrzehnten auch über die Börsen gehandelt: Anleger bezahlen statt dem klassischen Ausgabeaufschlag dann einen Aufschlag (bzw. Abschlag) auf den Fondspreis, den der Börsenhändler vereinnahmt. Die deutschen Regionalbörsen betreiben dieses Segment, das nur dann aus der Nische ins Bewusstsein vieler Anleger dringt, wenn der reguläre Fondshandel gestört ist - etwa, wenn wieder einmal offene Immobilienfonds die Grätsche machen.
Wenn es also gängige Praxis ist, dass aktiv verwaltete Fonds an der Börse gehandelt werden, warum sollen dann nicht aktiv verwaltete Fonds von vorneherein für den Handel am Zweitmarkt als ETFs konzipiert werden? Die Kontroverse um aktive ETFs ist durch den Kulturkampf erklärbar, der mit der Erfindung von Indexfonds ausgelöst wurde. John "Jack" Bogle, der legendäre Gründer des US-Fondshauses Vanguard, hat den Indexfonds popularisiert und zum weltweiten Erfolg getrieben. Der erste Indexfonds lieferte Anlegern "nur" die Performance des S&P 500 - minus (geringer) Kosten. Er wurde deshalb von den Verwaltern aktiv verwalteter Fonds als "unamerikanischer Loser" verschmäht, weil er nicht das Ziel hatte, den Index zu übertreffen.
Diese über 40 Jahre alte Debatte zwischen aktiven Managern und ETF-Anbietern setzt sich im Wesentlichen bis heute fort. Das ist vollkommen unnötig, und sie wird durch aktive ETFs dankenswerterweise von ihrem ideologischen Ballast befreit.
Heute drängen immer mehr aktive Manager auf den ETF-Markt. Die bekannte High-Growth Investorin und Chefin von ARK Invest, Cathie Wood, hat etwa vor wenigen Wochen einige ihrer aktiv verwalteten ETFs in Deutschland an der Börse listen lassen. Das hat für Schlagzeilen gesorgt. Der ARK Innovation ist in den USA ein milliardenschwerer ETF, der in innovative Unternehmen investiert. In Amerika hat er bei manchen Anlegern Kultstatus, unter anderen ist er als Harakiri-Fonds verschrien. Das liegt an der Performance: In manchen Marktphasen befindet er sich unter Top-Fonds (2023: plus 62 Prozent), in anderen unter den Flop-Fonds (2022: minus 65 Prozent). Doch das ist nicht das typische Bild, das aktive ETFs liefern müssen. Sie lassen sich in drei Segmente aufteilen:
Aktives Management pur: Beispielhaft hierfür stehen die oben erwähnten ETFs von ARK Invest. Diese Fonds kennen faktisch keinen Vergleichsindex und werden ausschließlich nach dem Gusto der Fondsmanagerin oder des Fondsmanagers verwaltet. Hier dient der ETF nur als rechtliche Hülle, um den Vertriebsweg "Börse" zu erschließen. Auch der bekannte Frankfurter Fondsmanager Frank Fischer hat mit dem Frankfurter Modern Value ETF im Jahr 2022 ein Produkt auf den Markt gebracht, das eine Ableitung seiner (aktiven) Strategie ist. Die Tracking Errors dieser Fonds sind hoch, was bedeutet, dass sie - wie andere aktiv verwaltete Fonds - starke Abweichungen zeigen gegenüber Marktindizes - nach oben wie nach unten. Diese Fonds sind in der Minderzahl - und dürften es auch bleiben.
Thematische ETFs: Auch wenn hier kein Fondsmanager aus Fleisch und Blut die Entscheidungen trifft, setzen diese ETFs identische Maßstäbe an wie Fondsmanager: Wie hoch ist der Umsatzanteil eines Unternehmens an einem vielversprechenden Thema wie Cyber Security, Smart Cities, Sustainable Food usw.? Wie hoch ist die Eigenkapitalrendite, die Bruttorendite oder der freie Cashflow usw.? Diese ETFs sind nicht auf Faktoren wie Value oder Growth ausgerichtet, sondern auf fundamentale Kennzahlen. Oftmals sind diese ETFs auf Einzeltitelebene diversifiziert, weil sie dort Limits ansetzen - ganz im Gegensatz zu Sektor-ETFs, bei denen einzelne Giga-Player wie LVMH, Microsoft oder ?-lmulties mitunter 20, 30 Prozent des ETF-Gewichts ausmachen. In Summe dürften auch diese ETFs Nischenprodukte bleiben. Sie haben gegenüber aktiven Fonds zwar Kostenvorteile. Es handelt sich aber um statische Konzepte, die Anleger vor allem wegen spektakulären Vergangenheitsrenditen anlocken. Statische Konzepte auf dynamischen Märkten dürften langfristig keine gute Anlegerrendite bringen. Am ehesten eignen sich diese ETFs für taktische Investments und nicht für die lange Frist.
Wohltemperierte Profis: Am erfolgreichsten dürften langfristig die aktiven ETFs sein, die mit kleinen, aber feinen ?"nderungen an der Wertpapierauswahl klassische Marktportfolios "qualitativ besser" machen. Die Abweichungen gegenüber Indizes sind hier relativ gering. Es werden oft klassische fundamentale Kriterien als Filter angewendet, die aus den Research-Abteilungen prominenter Fondsmanager wie Fidelity, PIMCO oder JPMorgan stammen. Bei diesen Produkten steht weniger die Strategie eines Fondsmanagement am Anfang, sondern der Markt, den das Fondsmanagement in sinnvollere Bahnen lenken will.
Bei Anleihen können solche Produkte einen Mehrwert bringen, etwa wenn sie Papiere anders gewichten als das Prinzip der Schuldengewichtung oder aber - nicht zu unterschätzen - Papiere nicht gleich verkaufen, wenn sie aus bestimmten Laufzeitbändern fallen. Auf der Aktienseite gewichten diese Portfolios typischerweise bilanzstarke und/oder günstig bewertete Unternehmen höher als in klassischen Marktportfolios. Typischerweise bringt das in Zeiten von Übertreibungen nach oben schwache, in Zeiten von Übertreibungen nach unten dagegen gute Ergebnisse. Auch wenn diese Fonds nicht nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip investieren, so sind die Abweichungen gegenüber klassischen Märkten langfristig mitunter erheblich.Weil es Anlegern um langfristig überdurchschnittliche Renditen geht, dürfte die dritte Kategorie aktiver ETFs die beste Lösung sein. Da diese Investmentkonzepte aus der Welt der institutionellen Kapitalanlage stammen, stehen hier risiko-adjustierte Renditen im Vordergrund. Gerade die langfristige Glättung der Performance-Schwankungen ist hier der Clou - zumal die Kostenvorteile dieser ETFs gegenüber klassischen aktiv verwalteten Fonds für Privatanleger bestechend sind. Es sind die inkrementellen, langfristigen Vorteile, die beim Investieren den Erfolg ausmachen, nicht spektakuläre Einjahres-Renditen.
Von Ali Masarwah, 10. Juni 2024, © envestor.de
Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor.de, eine der wenigen Fondsplattform, die Cashbacks auf Fonds-Vertriebsgebühren zahlt. Masarwah analysiert seit über 20 Jahren Märkte, Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar. Seine Expertise wird auch von zahlreichen Finanzmedien im deutschsprachigen Raum geschätzt.
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