Neue Impulse gesucht...
10.10.2006 - 08:51:20Forex-Report: Euro unverändert
Von Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnete bei 1.2600 kaum verändert zum gestrigen Handelsbeginn in Europa. Der US-Dollar notiert gegenüber dem Yen aktuell bei 119.05. Auch hier ist die Veränderung unspektakulär. Die Veröffentlichungen aus Japan und Deutschland waren im Hinblick auf die ökonomische Entwicklung aufschlußreich. Ja, ich höre Ihre Einwände, daß der Devisenmarkt in höchstem Maße „zeitgeistorientiert“ desinteressiert ist. Mir ist bewußt, daß Devisenhändler und „Marktmacher“ derzeit wenig Zeit und Mühe investieren, um sich auf divergierende volkswirtschaftliche Entwicklungen zu kaprizieren. Ich erachte diesen Umstand jedoch als vorübergehend. Gleichfalls ist mir bewußt, daß die Verschiebung der Zinserwartungen, solange sie für den Dollar unterstützend war (Beginn 2005 bis Frühjahr 2006) im vollsten Fokus der Devisenhändler und „Marktmacher“ weilte. Mit der Neuausrichtung des FOMC haben Devisenhändler und „Marktmacher“ offensichtlich den Appetit an dieser Facette der Bewertung verloren. Ich betone darüber hinaus, daß im Rahmen der optimierten Oberflächlichkeit die Nominalzinstheorie und nicht die Realzinstheorie von Devisenhändlern in dieser Phase für Ihre positive Dollar-Bewertung herangezogen wurde. Auch die aktuelle Bewertungspraxis im Hinblick auf die veränderten Zinserwartungen schätze ich übrigens als vorübergehend ein. Bisher hat es weder Zentralbankern, IWF-Vertretern, Politikern noch Händlern dauerhaft genutzt, die Augen vor der Realität zu verschließen. Das deutsche Rentendebakel ist eines von vielen Beispielen, daß auf solche Weise aus einem kleinen Problem lediglich ein sehr viel größeres Problem wird.
Nachdem ich mich nun mit diesen Zeilen heftig motiviert habe, beschäftigen wir uns mit den Fundamentaldaten aus Deutschland und Japan, die in den letzten vergangenen Handelsstunden veröffentlicht wurden. Die deutsche Industrieproduktion überraschte per August positiv mit einem Anstieg im Monatsvergleich um 1,9%. Erwartet war eine Zunahme um lediglich 0,2%. Der Vormonat wurde von 1,2% auf 0,8% revidiert. Aggregiert wurde der Konsensuswert für die beiden Monate Juli und August damit um 1,3% übertroffen. Im Jahresvergleich stellt sich die Zunahme per August auf 7,3% nach 4,3% im Juli. Gekoppelt mit den überraschend positiven Auftragseingängen per August (+14,6% Jahresvergleich), die am letzten Freitag veröffentlicht wurden gelingt der deutschen Wirtschaft eine nachhaltige Überraschung für Ökonomen und Finanzmärkte, die nahe an den Begriff spektakulär heranreicht. Devisenhändler waren nicht bereit, diesen Überraschungswert der größten Volkswirtschaft in der Eurozone, die bisher maßgeblich für den Begriff Eurosklerose verantwortlich zeichnete, einer Bewertung zuzuführen. Einmal mehr war der Devisenmarkt erfolgreich bemüht, obiges Wirtschaftsdatum vollständig zu ignorieren. In Japan sind die „Core Machinery Orders“ per August im Monatsvergleich um 6,7% gestiegen (Jahresvergleich -0,5%) und haben damit die Analystenprognose in Höhe von 11,4% deutlich verfehlt. Im Vormonat hatte sich ein Rückgang im Monatsvergleich um 16,7% und im Jahresvergleich um -1,2% ergeben. Diese Zahlenreihe zeigt im Jahresvergleich den zweiten Monat in Folge ein negatives Vorzeichen. Anzeichen eines Verlusts an Konjunkturdynamik verdichten sich. Der JPY zeigte kaum Reaktion auf die Veröffentlichung.
Der Datenkalender ist am Dienstag schlank. Aus den USA folgen am Nachmittag die Großhandelslagerbestände per August. Analysten gehen von einer Zunahme um 0,7% nach einem Anstieg um 0,8% im Vormonat aus. Hier darf die Frage diskutiert werden, ob verfehlte Absatzerwartungen hinter dem Anstieg stehen oder andere Faktoren wesentlich waren. Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Dollar aus technischen Gründen leicht favorisiert. Ein nachhaltiges Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.2650-80 dreht den Bias auf neutral.
Folker Hellmeyer ist Chef-Volkswirt der Bremer Landesbank.
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