Wird China zunehmend zum Problem?
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete gestern, die Ölpreise würden von ihren jüngsten Höchstständen weiter nachgeben, weil durch die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine die Furcht vor Lieferausfällen abgenommen habe. Ich halte diese Begründung (wieder einmal) für wenig plausibel. Denn wäre dies der Grund für den Ölpreisrückgang, müssten die Aktienkurse eigentlich zugleich steigen. Das Gegenteil war gestern aber der Fall.
Zumal der Krieg nach Ansicht des ukrainischen Präsidentenberaters Olexij Arestowitsch durchaus noch bis Mai andauern könnte. Und eine solche düstere Prognose dürfte die Furcht vor neuen Sanktionen und Gegensanktionen eher erhöhen und den Ölpreis steigen lassen.
Geringere Öl-Nachfrage durch China?
Daher sehe ich in den sinkenden Ölpreisen bei zugleich fallenden Aktienkursen eher eine zunehmende Furcht vor einer sinkenden Nachfrage in Folge einer schwächeren wirtschaftlichen Entwicklung in China. Diese Furcht wird durch zwei aktuelle Entwicklungen geschürt:
Erstens hat die US-Regierung Strafmaßnahmen gegen China angedroht, sollte die chinesische Regierung Russland bei der Umgehung der westlichen Sanktionen unterstützen. Vorgestern war unter Berufung auf US-Kreise berichtet worden, Russland habe China um Militärhilfe gebeten. Die Führung in Peking dementierte dies und warf den USA Desinformation vor.
Zweitens wurden in China im Kampf gegen das Corona-Virus neue Restriktionen verhängt. Unter anderem gab es wieder größere Lockdowns. Medien berichten, dass sich die Zahl der Neu-Infektionen in der Volksrepublik jüngst verdoppelt haben. Mit rund 3.600 wurde der höchste Stand seit zwei Jahren erreicht. 28 von 31 Provinzen haben symptomatische Fälle gemeldet. In Hongkong soll fast die Hälfte der Bevölkerung infiziert sein. Mehr als 45 Millionen Menschen befinden sich in heimischer Quarantäne. Und dies dürfte neuerliche Dämpfer für das ohnehin schon schwächelnde Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt bedeuten.
Chinesischer Aktienmarkt bricht ein
Das ließ auch die Kurse weiterer Rohstoffe purzeln. Und die Aktienmärkte in China mussten heftige Kurseinbußen hinnehmen. Der Hang Seng verlor vorgestern mehr als 4,2 %. Und gestern kam im Tagestief ein Minus von fast 5 % hinzu. Während die Ölpreise ihr Hoch am 8. März erreichten und seitdem um mehr als ein Viertel gesunken sind, …
… gab der Hang Seng um rund 14 % nach.
Übrigens gerieten nicht nur Aktien in China unter Druck. Auch der Nasdaq 100 fiel zum Beispiel vorgestern noch auf ein neues Korrekturtief, wenn auch nur knapp (siehe rote Ellipse im folgenden Chart).
Sieht so Freude über fallende Ölpreise aufgrund einer sinkenden Gefahr von Lieferausfällen aus?
Fazit
Ich denke, man sollte derzeit nicht nur auf den Ukraine-Krieg und darüber hinaus auf die Geldpolitik achten, sondern auch China im Auge behalten. Fast schon vergessen scheinen die Probleme am dortigen Immobilienmarkt zu sein. Dieser hat mit einem Anteil von rund 30 % hohe Bedeutung für die Gesamtwirtschaft. Aber das größere Übel scheint inzwischen wieder die „No-Covid-Strategie“ der chinesischen Führung zu sein. Diese könnte die durch den Krieg verursachten Probleme der Weltwirtschaft verstärken und den (Aktien-)Markt damit zusätzlich belasten (siehe auch „Der Markt bleibt in jedem Fall belastet“).
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)