Wie lange können positive Preisdaten den Bullen noch helfen?
Inhaltsverzeichnis
- Fed wird trotz rückläufiger Preisdaten die Zinsen anheben
- Wie nachhaltig ist die Trendwende im Dow Jones?
Fed wird trotz rückläufiger Preisdaten die Zinsen anheben
Wieder gab es gestern Preis- bzw. Inflationsdaten, wieder waren diese rückläufig und wieder haben die Aktienmärkte dies wohlwollend und mit steigenden Kursen zur Kenntnis genommen. Nun waren es die Erzeugerpreise in den USA, die nicht mehr ganz so rasant angestiegen sind wie zuvor. Sie kletterten im Juli um 9,8 % zum Vorjahresmonat. Das war der niedrigste Wert seit Oktober 2021. Ökonomen hatten dagegen einen Zuwachs von 10,4 % auf dem Zettel, nach 11,3 % im Juni.
Die Kernrate gab zum vierten Mal in Folge nach – von +6,4 % auf +5,8 % – und legte damit das langsamste Tempo an den Tag wie seit mehr als einem Jahr nicht mehr (Juni 2021: +5,6 %). Zum Vormonat fielen die Erzeugerpreise sogar völlig überraschend – und zwar um 0,5 %. Experten hatten dagegen mit einem Plus von 0,2 % gerechnet – nach einem Plus von 1,0 % im Juni.
Erneut wurden Preisdaten mit steigenden Kursen quittiert
Wir haben es also mit einem deutlichen Rückgang zu tun, der sich in eine Reihe von Daten einfügt, die auf ein Hoch und ein allmähliches Abebben der Inflationswelle hindeuten. Die Aktienindizes in den USA konnten daher gestern wieder ein neues Hoch in der Kurserholung markieren.
Am 29. Juli hatte ich unter der Überschrift „Viel Schlimmer kann es kaum noch kommen“ Folgendes geschrieben: „Wenn in Sachen Inflation also nun eine gegenläufige Tendenz Form annimmt, dann wäre dies ein guter Nährboden für ein Ende der Korrektur und eine stärkere Kurserholung an den Aktienmärkten. Denn jede Information, die auf nachlassenden Preisdruck hindeutet, könnte mit Erleichterung zur Kenntnis genommen und mit steigenden Kursen quittiert werden. Dies würde die aktuellen Ansätze einer Kurserholung befeuern.“ Und genau das sehen wir aktuell.
Dow Jones hat mehr als die Hälfte seiner Kursverluste aufgeholt
Der Dow Jones hat zum Beispiel mit den Verbraucherpreisen von vorgestern und den Erzeugerpreisen von gestern ca. 800 Punkte bzw. fast 2,5 % zugelegt. Und damit hat er nun schon mehr als 50 % seiner gesamten Kursverluste aufgeholt.
Und damit erholen sich die Aktienmärkte in den USA deutlich stärker als hierzulande. Zum Vergleich: Der DAX hat bislang erst weniger als 38,20 % seiner Kursverluste aufgeholt.
Das ist auch völlig logisch. Denn einerseits lässt die Inflation in den USA stärker nach als in der Eurozone und in Deutschland und andererseits haben wir es hier in Europa noch mit einem Krieg in unserer Nähe zu tun.
Die Notenbanken werden die Leitzinsen dennoch anheben
Allerdings wird auch beim Thema Inflation ein Gewöhnungseffekt einsetzen. Aktuell werden rückläufige Preisdaten noch von den Anlegern mehrheitlich begrüßt und mit steigenden Kursen quittiert. Doch gestern hielt dieser Effekt schon nicht an. Der Dow Jones gab zum Beispiel vom Hoch bei rund 33.650 Punkten bis auf etwa 33.450 Zähler nach. Der Kursanstieg in Folge der Erzeugerpreisdaten wurde damit vollständig neutralisiert.
Und die US-Notenbank hat jüngst klar gemacht, dass sie sich von ihrem Pfad der Zinsanhebungen noch nicht abbringen lässt. Sie wird bei der Sitzung im kommenden Monat nachlegen. Das haben einige Notenbank-Mitglieder deutlich kommuniziert. Charles Evans, Chef des Fed-Bezirks Chicago, sagte zum Beispiel, die US-Notenbank sei weiterhin gefordert, die Zinsen zügig zu erhöhen. Die jüngsten Inflationszahlen seien zwar der erste positive Messwert, seit die Zentralbank mit ihrer geldpolitischen Straffung begonnen habe, doch sei die Inflation noch immer inakzeptabel hoch. Er rechne daher für das Jahresende mit einem Zinsniveau von 3,25 % bis 3,5 %, das bis Ende 2023 noch auf 4,0 % steigen könne. Ähnlich äußerten sich Loretta Mester, Präsidentin der Federal Reserve Bank von Cleveland, und Mary Daly aus San Francisco.
An den Terminmärkten wird für September derzeit mehrheitlich mit einem Zinsschritt im Umfang von einem halben Prozentpunkt gerechnet, nachdem die Fed das Niveau zuletzt zwei Mal in Folge um 0,75 Prozentpunkte anhob – auf aktuell 2,25 %bis 2,50 %. Es kann daher gut sein, dass bald wieder Ernüchterung an den Börsen einkehrt.
Wie nachhaltig ist die Trendwende im Dow Jones?
Und damit zurück zum Dow Jones. Am Dienstag hatte ich die Frage gestellt, „wie man nun im Nasdaq 100 und/oder Dow Jones engagiert sein sollte“. Die Chartanalyse des Dow Jones hatte ich allerdings nach obigem Chart nicht mehr fortgesetzt und mich stattdessen auf den Nasdaq 100 konzentriert. Daher möchte ich die Frage nun auch zum Dow Jones beantworten:
Bei der Fortsetzung der Chartanalyse des Dow Jones ist mir heute als erstes aufgefallen, dass der Index seine aktuelle Kurserholung am 38,20%-Fibonacci-Retracement der gesamten Kursrally seit dem Corona-Crash (29.794,35 Punkte) begonnen hat.
Ich erinnere dazu an die Börse-Intern-Ausgabe vom 24. Juni. Damals hatte ich darauf hingewiesen, dass der Dow Jones an dieser Unterstützung, an der knapp darunter auch das Vor-Corona-Hoch von oben getestet wurde (rote horizontale Linie, 29.568,57 Punkte), ein aufsteigendes Dreieck oder alternativ eine Untertasse-Henkel-Formation als Trendwendemuster ausgebildet hatte. (Das Korrekturtief wurde bei 29.653,29 Zählern markiert, also zwischen den beiden Unterstützungen.)
Zwar war der Dow Jones am 30. Juni unter das Ausbruchsniveau des kurzfristigen Trendwendemusters zurückgefallen, offensichtlich ist ihm aber letztlich an den wichtigen horizontalen Unterstützungen doch die Trendwende gelungen. – Das ist ein Beispiel dafür, das übergeordnete Marken häufig eine größere Relevanz haben als kurzfristige Chartmarken oder Chartmuster.
Formelle Trendwende
Die Trendwende wurde seitdem durch typische Anzeichen manifestiert. So wurden nicht nur mehr als 50 % der Kursverluste aufgeholt, sondern auch die tieferen Hochs von Ende Mai / Anfang Juni überschritten (siehe grüne Ellipse im folgenden Chart). Dadurch endete die Folge tieferer Hochs. Und bei der Kurserholung wurde ein höheres Tief und ein höheres Hoch markiert (grüne Linien). Damit liegt formell eine Trendwende vor.
Zumal auch ein Abwärtstrendkanal nach oben gebrochen wurde (rot im folgenden Chart).
Allerdings gibt es noch eine Abwärtstrendlinie (dick rot), die noch auf eine Abwärtstendenz des Dow Jones hindeutet.
Wichtige Widerstände erreicht
Und diese führte mich zu einem Chart, den ich zuletzt am 31. Mai besprochen habe:
Im Bereich der Abwärtstrendlinie finden sich demnach weitere wichtige Widerstände: die Rechteckgrenze aus der Target-Trend-Methode bei 33.780 Punkten und das untere Ende einer ehemaligen Seitwärtsrange (gelb).
Die Seitwärtsrange hat durch den Zeitablauf sehr wahrscheinlich längst an Relevanz verloren. Zumal deren obere und untere Grenze diverse Male durchlaufen wurde. Doch die 33.780er Rechteckgrenze sollte man als Hürde nicht unterschätzen. Und zusammen mit der Abwärtstrend(kanal)linie bildet diese einen Kreuzwiderstand. Da der Dow Jones inzwischen deutlich überkauft ist, sehe ich daher die Gefahr einer Gegenbewegung.
So kann man mit dieser Situation umgehen
Damit bin ich wieder bei der Frage, wie man nun im Dow Jones engagiert sein sollte. Bei Long-Trades bietet sich aus meiner Sicht nun eine Gewinnmitnahme an, um die Position zu günstigeren Kursen zurück ins Depot zu holen. Und aus meiner Sicht spricht auch nichts gegen eine kleine spekulative Short-Position, um von einer Gegenbewegung kurzfristig zu profitieren.
Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)