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Verfallstagsnachlese +++ Thanksgiving – Gefahr für die Börsen

Kurze Verfallstagsnachlese
Thanksgiving – Gefahr für die Börsen

Kurze Verfallstagsnachlese
von Torsten Ewert

Sehr verehrte Leserinnen und Leser,

der DAX hat am Verfallstermin am Freitag bei 14441,70 Punkten geschlossen und ist damit weit entfernt von den „Zielwerten“ der Stillhalter bei 14.100 bzw. 14.000 Punkten.

Wie der Verfallstag wirkt – oder auch nicht

Der DAX zeigte zwar im Wochenverlauf immer wieder Ansätze für einen Kursrückgang, aber letztlich entwickelten die Bären nicht genug Kraft, um den Kurs weiter nach unten zu drücken:

An der kleinen Kurslücke, die auf die lange Ausbruchskerze der zweiten Novemberwoche folgte (grauer Streifen), endete der Kursrückgang. Ein Grund für die Kraftlosigkeit der Bären könnte gewesen sein, dass die Stillhalter mit ihren Absicherungen zufrieden waren und keine Anstrengungen mehr unternahmen, um den Kurs zu drücken.

Dieses Beispiel zeigt nachdrücklich, dass die Verfallstagskonstellation nur ein Baustein der Marktanalyse ist – und keinesfalls der entscheidende sein muss. Darauf habe ich hier immer wieder hingewiesen; nun haben wir wieder ein sehr lehrreiches Beispiel dafür. Das sollten Sie für künftige Verfallstags-Trades abspeichern und im Hinterkopf behalten.

 


Thanksgiving – Gefahr für die Börsen
von Torsten Ewert

Doch eine Korrektur nach dem starken Anstieg der Vorwochen ist damit keineswegs aufgehoben, sondern vielleicht nur aufgeschoben. In dieser Woche ergibt sich für die Bären unter Umständen die nächste Gelegenheit zurückzuschlagen.

Warum Thanksgiving auch für die Börsen wichtig ist

In den USA wird am Donnerstag Thanksgiving gefeiert, das wichtigste Familienfest des Jahres. Die Börsen sind an diesem Feiertag geschlossen, und am Freitag findet nur ein verkürzter Handel statt. Dennoch ist Thanksgiving für die Börse bedeutsam, denn am Wochenende fällt der Startschuss für den Einkauf der Weihnachtsgeschenke.

Für den Handel sind dieses Wochenende und die weiteren Wochen bis zum Jahresende die wichtigste und profitabelste Zeit des Jahres. Entsprechend umfangreich sind die Werbemaßnahmen, die wir auch hierzulande längst kennen: Black Friday- und Cyber Monday-Angebote werden schon überall massiv beworben und viele Anbieter starten gleich eine Black bzw. Cyber Week (oder sogar beides).

Doch nicht nur für die Einzelhändler sind diese Termine Höhepunkte im Jahr, sondern auch für die Hersteller diverser Produkte. Traditionell werden in dieser Zeit viele Geräte der Unterhaltungselektronik gekauft, aber auch Kleidung, Schmuck und hochwertige Pflegeprodukte und Spirituosen. An den Börsen reagieren also nicht nur die Kurse der Handelskonzerne auf die Ergebnisse des Thanksgiving-Shoppings, sondern auch die Aktien von Apple, Boss, LVMH und Co.

(Wann) Trübt die miese Verbraucherstimmung die Kauflust?

In diesem Jahr dürften die Anleger besonders argwöhnisch auf die Zahlen schauen, denn die Inflation ist hoch und nagt an dem frei verfügbaren Einkommen der Leute: Wer mehr für Lebensmittel, Heizung und Sprit ausgeben muss, hat weniger für große Geschenke übrig. Das hat die Verbraucherstimmung im Juni auf ein Allzeittief gedrückt (siehe schwarze Kurve im folgenden Chart).

Quellen: MarketMaker mit Daten der Universität von Michigan, US. Census Bureau

Zwar hat sie sich danach etwas erholt, aber der vorläufige Wert für November fiel wieder unter die Tiefs während der Finanzkrise zurück. Das könnte vor allem die Ausgaben für langlebige Konsumgüter beeinträchtigen, die vorzugsweise als Geschenke auf die Gabentische, unter die Weihnachtsbäume bzw. – in den USA – in die Socken am Kamin kommen.

Deren Jahresveränderungsrate (grüne Kurve) korreliert zwar nicht durchgängig, aber phasenweise doch sehr stark mit der Verbraucherstimmung. Und derzeit gibt es eine Diskrepanz wie noch nie zuvor in der Datenhistorie. Diese Schere dürfte sich in die eine oder andere Richtung schließen.

Deshalb waren die guten Einzelhandelsdaten eigentlich schlecht

Noch sind die Ausgaben für langlebige Konsumgüter auf einem hohen Niveau. Und die Kauflust scheint weiterhin ungebrochen zu sein: Die jüngsten Einzelhandelsdaten fielen jedenfalls überraschend stark aus (siehe Börse-Intern vom 16.11.2022). Doch zum einen wies Sven Weisenhaus in diesem Beitrag schon darauf hin, dass diese (und andere) Daten die Kurse nicht mehr treiben konnten.

Zum anderen zeigt eine Detailbetrachtung, dass diese vermeintliche Stärke vor allem den hohen (Energie-)Preisen geschuldet ist:

Quelle: eigene Darstellung und Berechnungen mit Daten des US. Census Bureau

So stiegen die Einzelhandelsumsätze im Oktober im Jahresvergleich zwar um stattliche 7,5 %. Da sie aber nicht inflationsbereinigt angegeben werden, muss man sie ins Verhältnis zu Inflation setzen. Diese lag im Oktober um 7,8 % höher als im Vorjahresmonat. Die Umsätze konnten also nur knapp mit der Inflation mithalten. Dies jedoch vor allem deshalb, weil die Tankstellenumsätze um außerordentliche 17,8 % zulegten. Die US-Bürger gaben also offenbar mehr Geld für Kraftstoffe aus.

Ohne Berücksichtigung der Tankstellenumsätze legten die Einzelhandelsumsätze dagegen nur um 6,3 % zu und blieben damit klar hinter der Inflation zurück. Die US-Verbraucher üben sich also in Kaufzurückhaltung, statt ihrer Kauflust zu frönen.

Eine weitere Hiobsbotschaft zu Thanksgiving

Und pünktlich zu Thanksgiving ereilte sie noch eine andere Hiobsbotschaft, die es sogar bis in die großen deutschen Medien geschafft hat: Das typische Thanksgiving-Menü wird teurer – und zwar um stolze 20,3 %:

Quelle: eigene Darstellung und Berechnungen mit Daten der American Farm Bureau Federation

Schon im Vorjahr stieg der Preis für ein traditionelles Menü mit Truthahn, Süßkartoffeln, Gemüse Kürbiskuchen, Früchten usw. um 13,7 %. Das war damals zwar der größte prozentuale Anstieg seit 1990, aber im Jahr zuvor, im Pandemie-Jahr 2020, ging der Preis dafür auch kräftig zurück. Nun also ein weiterer „Schock“.

Von amerikanischen Verhältnissen weit entfernt

Der aber aus deutscher Sicht völlig belanglos erscheint. Vor allem, wenn ich ergänze, was ich bisher unterschlagen habe: Der „horrende“ Preis von 64,05 Dollar, den die Farmer-Lobby ausgerechnet hat, bezieht sich auf ein 10-Personen-Menü. Trotz dieses Preissprungs kann es sich also eine Großfamilie zu Thanksgiving für weniger als 6,50 Dollar pro Person gutgehen lassen.

Bei Preisen von deutlich unter 2 Dollar pro Kilo für einen Truthahn ist das auch kein Wunder. Zum Vergleich: Eine deutsche Weihnachtsgans kostet im Einzelhandel laut Medienangaben knapp 20 € pro Kilo. Man kann aber auch locker 30 € und mehr für eine (Bio-)Gans vom Bauernhof ausgeben. Dann liegt man schon allein mit dem Braten im dreistelligen Bereich. In Deutschland sind wir also von US-amerikanischen Verhältnissen weit entfernt – manche werden sagen „leider“, andere „zum Glück“.

Doch einen Vergleich mit deutschen Verhältnissen stellen die US-Amerikaner ohnehin nicht an. Ihnen wird nur der Preisanstieg im Vergleich zu den eigenen Erfahrungen sauer aufstoßen – und ihre Kauflaune unter Umständen weiter trüben. Zwar wird es wie immer auch bei Truthähnen wieder Sonderangebote geben. Und die Verbraucher werden vermutlich auch in diesem Jahr bei diesen und anderen Schnäppchen kräftig zuschlagen – vor allem online.

Die spannende Frage für die Börsen

Aber aus Sicht der Börse ist die spannende Frage, zu wessen Lasten solche Sonderangebote gehen. Irgendwer wird dafür zahlen müssen. Wenn es nicht die Verbraucher sind, dann entweder der Handel oder die Hersteller.

Und genau das werden die Investoren aufmerksam beobachten und darauf reagieren. Bis dahin, also bis am Montag die endgültigen Zahlen vorliegen, könnte die Seitwärtsbewegung der Indizes weitergehen. Mit Neuengagements muss man sich daher nicht beeilen, bis die Kurse zeigen, in welche Richtung die weitere Reise an den Aktienmärkten geht.

Mit besten Grüßen

Ihr Torsten Ewert

(Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 22.11.22 09:54 Uhr