Verfallstags-Nachlese / Kupfer-Crash
Inhaltsverzeichnis
Kurze Verfallstags-Nachlese
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
bevor ich zu meinem heutigen Thema komme, zunächst eine kurze Nachlese zum (kleinen) Verfallstag am vergangenen Freitag.
Bearishes Szenario fast perfekt aufgegangen!
Dabei kam das bearishe Szenario, das ich vor einer Woche entworfen habe, fast punktgenau zum Tragen: Der DAX setze zunächst zurück bis 12.500 Punkte, wobei er sein Wochentief bei 12.434,29 Punkten bildete.
Dort, in der Nähe des Jahrestiefs, konnten die Put-Stillhalter nur noch verlieren, so dass sie daran interessiert sein mussten, den Kurs wieder nach oben zu hieven.
Das gelang ihnen auch, so dass die Erholung einsetzte, die ich bei einem Rückfall auf dieses Niveau erwartete. Sie schafften es sogar, den Kurs in Richtung 12.800 Punkte zu treiben – eine Marke, die ich ebenfalls als mögliches Kursziel genannt habe.
Erreicht wurde die 12.800-Punkte-Marke vor dem Verfallstermin nicht: Das Vormittagshoch wurde bei 12.770 Punkten markiert und der DAX zum Verfallstermin bei 12725.57 Punkten abgerechnet. Die Call-Stillhalter mussten also nicht eingreifen, um ihre große 12.800er Position zu retten. Erst Freitagnachmittag erreichte und überwand der DAX dieses Niveau:
Und so bot der Juli-Verfallstag wieder einmal eine sehr gute Gelegenheit für einen erfolgreichen Verfallstags-Trade – 250 bis 300 DAX-Punkte ließen sich mit diesem Szenario erzielen.
Was der Kupfer-Crash für die Konjunktur bedeutet
In den vergangenen Wochen ist der Kupferpreis kräftig eingebrochen. Er verlor seit Anfang Juni fast 28 % und seit Anfang März mehr als 34 %. Damit ist der aktuelle Kupfer-Crash einer der schwersten nach dem Mega-Crash während der Finanzkrise.
Der jüngste Kupfer-Crash im historischen Vergleich
Es gibt seit Ende der 1980er Jahre nur wenige Rückschläge, die in gleichen Zeiträumen ähnliche Kursverluste brachten:
Quelle: MarketMaker mit Daten von VWD
Überraschend ist, dass nur einer dieser Einbrüche (1990/91) im Zusammenhang mit einer Rezession (in den USA) geschah. Und ein weiterer (2006/07) ereignete sich vor einer Rezession, könnte also ein Frühindikator für die kommende Rezession gewesen sein. Doch nein – der damalige Einbruch war Ängsten vor einer Konjunkturschwäche in China geschuldet. Die Aktienmärkte brachen kurz danach ebenfalls ein, erholten sich aber genauso schnell wieder.
Dieses Ergebnis ist erstaunlich, denn Kupfer gilt allgemein als ultimativer Konjunkturindikator. So wird von Kupfer vielfach als „Dr. Copper“ geschrieben, da das Metall angeblich so gut als Wirtschaftsindikator sei, als hätte es einen Doktortitel in Volkswirtschaft. (Wobei Volkswirte – ob mit Doktortitel oder ohne – nachweislich eher schlechte Konjunkturprognostiker sind…)
Allgemeinplätze statt Fakten
Wenn Sie nach den Gründen für diesen Mythos suchen, finden Sie nur Allgemeinplätze statt Fakten: Kupfer ist eben ein wichtiges Industriemetall, dessen Nachfrage bzw. Preis als Indiz für das Wohl und Wehe der Konjunktur gilt. Kupfer wird halt überall benötigt – beim Hausbau, bei Maschinen, bei Konsumelektronik. Und wenn diese wichtigen, konjunkturbestimmenden Branchen schwächeln, weil die Konjunktur nachlässt, dann sackt auch die Nachfrage nach Kupfer und damit der Kupferpreis ab.
Das klingt plausibel, aber ein Blick auf den Chart oben zeigt, dass diese These nicht stimmen kann: Wir haben gerade den längsten Konjunkturboom der Geschichte (2009-2021) hinter uns, aber der Kupferpreis hat sich in dieser Zeit kaum bewegt, sondern lief sogar meist in hartnäckigen Abwärtstrends. Das war auch bis 2000 so, als die Wirtschaft noch stärker brummte.
Kupfer als Inflationsschutz?
Ein beliebtes Argument ist auch, dass Kupfer ein guter Inflationsschutz ist, aber das entpuppt sich ebenfalls als Mythos:
Quellen: MarketMaker mit Daten von VWD, US. BEA, US. BLS
Hier habe ich den Kupferpreis (rot) zusammen mit Bruttoinlandsprodukt (BIP; grün) und dem Verbraucherpreisindex (CPI; blau) der USA dargestellt. Bis 2005 blieb Kupfer weit hinter den beiden anderen Kurven zurück. Die grüne BIP-Kurve hat der Preis nur in seinen Extremen eingeholt. Die blaue CPI-Kurve schlägt er zwar in der Tendenz (rot gestrichelte Linie), aber durch den jüngsten Rückfall liegen Kupfer und CPI aktuell fast gleichauf. Und de facto ist der Kupferpreis gefallen, während die Inflation zuletzt stark stieg!
Der Mythos von „Dr. Copper“
Aber wie kommt es dann zum Mythos, dass Kupfer ein Indikator und Inflationsschutz sei? Dieser beruht vermutlich auf früheren Beobachtungen, die bis etwa in die 1970er/80er Jahre gültig waren. Damals war die Industrie auch in den USA der dominierende Sektor der Volkswirtschaft (siehe gelbes Rechteck im folgenden Chart). Und damit ließ sich am Kupferpreis womöglich tatsächlich die Konjunkturtendenz ablesen. (Leider verfüge ich nicht über entsprechende Daten, um das zu prüfen.)
Fakt ist jedenfalls, dass ab den 1980er Jahren der Dienstleistungssektor in den „Industrie“-Ländern bestimmend wurde. Das gilt besonders für die USA, wo sein Anteil an der Wertschöpfung bzw. dem BIP seit 1990 stets oberhalb von 60 % liegt:
Quellen: MarketMaker mit Daten von VWD, US. Bureau of Economic Analysis
Kupfer sagt damit genauso viel oder wenig über die (US-)Wirtschaft wie die Einkaufsmanager-Indizes des produzierenden Gewerbes. Ohne den Dienstleistungssektor ist dieses Bild unvollständig. Und Dienstleister brauchen nun mal kein Kupfer – wenn man von ihrem Bedarf an Fahrzeugen, Bürokommunikation und Ähnlichem absieht.
Warum wir den Kupfer-Crash nicht ignorieren dürfen
Wenn also Kupfer kein guter Konjunkturindikator ist, können wir dann entspannen und den Kupfer-Crash ignorieren? Nein, denn tatsächlich dürfte der Einbruch durch Rezessionsängste der Marktteilnehmer verursacht worden sein. Er ist also ein wichtiger Stimmungsindikator.
Fundamental ergibt der Preisrutsch jedenfalls keinen Sinn: Da gleichzeitig die Energiepreise sehr hoch sind, aber zur Kupferherstellung sehr viel Energie benötigt wird, müssten die Produzenten die Preise eigentlich erhöhen. Da der Preis aber gefallen ist, kann das nur bedeuten, dass die Nachfrage eingebrochen ist. Offenbar wollen die Kupferverarbeiter aus Sorge vor Absatzproblemen ihre Bestände reduzieren und drücken dadurch die Preise.
Das könnte mittelfristig eine gute Einstiegsgelegenheit werden. Für die Energie- und Mobilitätswende wird in den kommenden Jahren ein erheblich höherer Kupferbedarf erwartet. Windkraft- und Photovoltaikanlagen sowie E-Autos benötigen viel mehr Kupfer als Kohle- oder Gaskraftwerke bzw. Autos mit Verbrennungsmotoren. Rohstoffanalysten sehen daher einen neuen Rohstoff-Superzyklus voraus.
Charttechnisch bleibt Kupfer langfristig aussichtsreich
Tatsächlich ist die langfristige Charttechnik für Kupfer trotz des jüngsten Crashs noch vielversprechend:
Quelle: MarketMaker mit Daten von VWD
Die Aufwärtstendenz seit Beginn des Jahrtausends ist intakt, auch wenn derzeit unklar ist, welcher der möglichen Aufwärtstrendlinien der Kurs letztlich folgen wird. De facto ist der Kurs seit 2021 mehrfach an seinen Hochs aus 2006, 2008 und 2010/11 gescheitert (rot gestrichelte Linien). Charttechnisch ist es völlig normal, dass nach einem solchen mehrfachen Scheitern an wichtigen Widerständen ein größerer Rückschlag folgt.
Ein weiteres bearishes Signal hat Kupfer durch Bruch der schwarzen Aufwärtslinie und der hellgrünen Unterstützung bei 7.200 Dollar gesendet. Noch ist dieses Signal aber nicht nachhaltig bestätigt, so dass der Kurs im Rahmen einer Bärenfalle wieder kurzfristig drehen und die genannten Marken zurückerobern kann.
Aber selbst ein weiterer Rückfall würde das übergeordnet bullishe Bild nicht eintrüben – solange der Kurs über der roten Abwärtslinie und der grünen bzw. blauen Aufwärtslinie bleibt. Langfristig orientierte Anleger behalten diese Marken für einen Neueinstieg im Auge.
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
(Quelle: www.stockstreet.de)