Neue Hochs bei der Konjunktur passen zu den Hochs bei Aktien
Gestern wurden die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes von IHS Markit für Deutschland und die Eurozone bekanntgegeben. Und demnach hat sich das Tempo der Konjunkturerholung noch einmal beschleunigt und konnte sogar neue Rekordwerte erreichen.
Deutsche Wirtschaft auf der Überholspur
So ist der Index des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland überraschend auf 65,6 Punkte angestiegen, von 65,1 im Juni. Ökonomen hatten dagegen mit einem Rückgang auf 64,1 Zähler gerechnet.
Für den Dienstleistungsbereich wurde ein Wert von 62,2 Zählern ermittelt, nach 57,5. Hier hatten die Schätzungen bei „nur“ 59,5 gelegen. Doch mit dem zweiten Anstieg um ganze 4,7 Punkte in Folge wurde hier ein Rekordwert erreicht.
Beide Indizes haben also deutlich positiv überrascht. Und das gelang folglich auch dem Composite-Index, dem Einkaufsmanagerindex für die Gesamtwirtschaft, also Industrie und Dienstleistung zusammen. Erwartet wurde hier von Experten ein leichter Anstieg auf 60,8 Zähler. Tatsächlich stieg der Index aber um 2,4 auf 62,5 Punkte. Und auch er erreichte damit den höchsten Stand seit Beginn dieser Datenerhebung (Januar 1998).
„Die deutsche Wirtschaft befand sich im Juli weiter auf der Überholspur“, kommentierte Phil Smith von IHS Markit die Daten. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum mehr, dass sich DAX & Co. so schnell von ihren jüngsten Verlusten wieder erholen konnten.
Neues Stimmungshoch, aber nachlassende Zuversicht
Die Frage ist allerdings, ob die Stimmung noch besser werden kann. Denn sie hat schon Extremwerte erreicht. Einkaufsmanagerdaten und Aktienmärkte haben eine hohe Korrelation. Und wenn die Einkaufsmanagerdaten ein Hoch markieren, dann liegt ein solches meist auch an den Aktienmärkten vor.
Der DAX hat Mitte Juni ein Hoch markiert und dieses Mitte Juli hauchdünn überschritten. Dieses neue Rekordhoch wurde nun von den Einkaufsmanagerdaten bestätigt. Warten wir mal ab, ob der DAX in den kommenden Tagen und Wochen noch einmal auf neue Höhen steigen kann. Sollte dies nicht der Fall sein und der DAX stattdessen in die saisonale Korrektur gehen, werden die Einkaufsmanagerdaten sehr wahrscheinlich im August schwächer ausfallen.
Anzeichen dafür gibt es bereits. Denn in sämtlichen Ländern der Eurozone, die von der IHS Markit-Umfrage erfasst werden, ließ wegen der zunehmenden Besorgnis hinsichtlich der Delta-Variante die Zuversicht nach. Diese Umfragekomponente erreichte laut IHS Markit sogar den niedrigsten Stand seit Februar.
Eurozone wächst wie seit 21 Jahren nicht mehr
Dennoch konnte die Wirtschaft der Eurozone im Juli noch das höchste Wachstumstempo seit genau 21 Jahren an den Tag legen. Der Gesamt-Einkaufsmanagerindex stieg auf 60,6 Punkte, von 59,5 im Juni (15-Jahres-Hoch, siehe Börse-Intern vom 24. Juni). Ökonomen hatten mit 60,0 Zählern gerechnet.
Die Geschäfte im Dienstleistungsbereich – der Index hat von 58,3 im Juni auf nun 60,4 Punkte zugelegt – liefen so gut wie zuletzt vor 15 Jahren. In der Industrie schwächte sich das Wachstum allerdings schon etwas ab, der entsprechende Index sank von 63,4 auf 62,6. In diesem Sektor sorgen laut IHS Markit anhaltende Lieferverzögerungen weiter für große Probleme.
Preisdruck immer noch extrem hoch
Und dabei stockt nicht nur die Produktion, sondern es schnellen auch die Kosten der Firmen weiter in die Höhe – über alle Branchen im Juli mit der zweithöchsten Rate seit Umfragebeginn (siehe blaue Linie im folgenden Chart). Die Einkaufspreise in der Industrie (orange Linie) stiegen sogar so drastisch wie nie zuvor seit Umfragebeginn 1997.
Wie gut, dass die Europäische Zentralbank gerade erst neue Fakten geschaffen hat und damit möglichen Spekulationen bezüglich einer Straffung der Geldpolitik aufgrund einer steigenden Inflation entgegengetreten ist. Ansonsten wäre die Kurserholung der Aktienmärkte womöglich ins Straucheln geraten.
Mit Lockerungen einen Schritt vor, mit Delta einen Schritt zurück?
Keine Frage, die Lockerungen haben der Konjunkturerholung noch einmal Schub verliehen. Doch die Ausbreitung der Delta-Variante könnte zu erneuten Restriktionen führen. Das kann nur verhindert werden, wenn das Impftempo hoch bleibt. Doch auch hier kommt langsam Sand ins Getriebe. Und so könnte das Stimmungshoch in der Wirtschaft erreicht sein, und damit auch das Hoch an den Aktienmärkten.
Das passt zur Saisonalität. Und wenn sehr viel sehr gut zusammenpasst, dann lassen sich daraus meist auch gute Prognosen ableiten. Und meine Prognose lautet, dass die Aktienmärkte vor einem erneuten Rücksetzer stehen, so wie wir ihn erst zu Wochenbeginn gesehen haben. Ich bleibe daher dabei, dass zwar für neue Short-Positionen noch nicht der richtige Zeitpunkt ist, bei Long-Positionen aber Gewinnmitnahmen sinnvoll sind.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)