Inflationsdaten sorgen für etwas Entspannung
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich in der vergangenen Woche weiterhin wenig Sorgen über eine zu stark steigende Inflation gemacht (siehe "Erneut verhindert eine Notenbank eine Korrektur"). Darauf deuten zumindest die aktualisierten Projektionen hin, die gegenüber der Juni-Prognosen nur leicht angehoben wurden.
(Quelle: Europäische Zentralbank)
Und auch die Inflationserwartungen der Anleger geben noch keinen Anlass zur Sorge. Diese steigen zwar seit Ende 2019 kontinuierlich (siehe folgende Grafik), und sie haben Ende der vergangenen Woche mit 1,77 % das höchste Niveau seit Anfang 2018 erreicht, doch sie liegen damit noch auf Kurs der EZB.
(Quelle: Helaba)
Sollte sich der Anstieg allerdings im aktuellen Tempo fortsetzen, so müssten die Euro-Währungshüter reagieren, um den Markterwartungen nicht hinterherrennen zu müssen. Denn davongaloppierende Inflationserwartungen sind für Notenbanken nur sehr schwer einzufangen.
Mit einer Rückführung des Anleihekaufvolumens im vierten Quartal 2021 auf das Niveau des ersten Quartals hat die EZB aber bereits einen ersten Schritt gemacht. Und in Abhängigkeit von der weiteren Entwicklung der Inflationserwartungen werden die Währungshüter im Dezember darüber entscheiden, ob die Wertpapierkäufe des PEPP Ende März 2022 enden. Aus Sicht der EZB läuft also alles noch nach Plan.
US-Notenbank hat zunehmende Inflationssorgen
Die US-Notenbank (Fed) macht sich derweil bereits zunehmend Sorgen über Aufwärtsrisiken bei der Inflation. So hatten sich kürzlich wieder zwei Mitglieder der US-Notenbank für ein baldiges Tapering ausgesprochen. Die Präsidentin der Federal Reserve Bank von Cleveland, Loretta Mester, sagte am Freitag, dass sie trotz des schwachen Arbeitsmarktberichts für August noch in diesem Jahr mit dem Tapering beginnen möchte. Sie sehe ein Risiko bei der Prognose, wonach der Inflationsanstieg nur vorübergehend ist und die Teuerungsrate im nächsten Jahr womöglich nicht so stark zurückgeht wie aktuell erhofft. Und aus dem gleichen Grund will der Präsident der Notenbank in Philadelphia, Patrick Harker, noch dieses Jahr das Ende der Anleihekäufe einläuten. „Eher früher als später“ solle das Tapering beginnen, so Harker.
Aktuelle Preisdaten sorgen für etwas Entspannung
Doch die gestern veröffentlichten Daten zur Preisentwicklung in den USA sorgten für etwas Entspannung. So beläuft sich die Jahresteuerungsrate im August auf +5,3 %, nach +5,4 % im Juli. Diese leichte Abschwächung wurde vom Markt genau so erwartet.
Der Preisdruck ist damit zwar weiterhin hoch, und dieser moderate Rückgang um 0,1 Prozentpunkte dürfte der Fed kaum die Sorgenfalten von der Stirn nehmen, allerdings gab die Kernrate von 4,3 % im Juli auf nun 4,0 % nach. Und hier hatte der Markt ebenfalls mit einem nur sehr moderaten Rückgang um 0,1 Prozentpunkte gerechnet. Zudem lagen die Veränderungen gegenüber dem Vormonat mit +0,3 % nach +0,5 % bzw. in der Kernrate +0,1 % nach +0,3 % ebenfalls unter den durchschnittlichen Erwartungen (+0,4 % bzw. +0,3 %). Und so konnten die Aktienmärkte nach Bekanntgabe der Daten zulegen.
Eine beeindruckende Stärke
Die jüngsten Kursrücksetzer bleiben damit sehr moderat. Zwar hat der S&P 500 zum Beispiel fünf Handelstage in Folge nachgegeben (und es ist schon sehr lange her, dass es das letzte Mal eine solche Serie gab), doch summierte sich das Minus dabei auf gerade einmal 2,2 % – im eigentlich schwächsten Börsenmonat eines Jahres.
Schon im August, dem zweitschwächsten Börsenmonat eines Jahres, gab der S&P 500 im Maximum nur 2,5 % nach und konnte am Ende sogar um 2,9 % zulegen. Es bleibt damit sagenhaft, wie lange der sehr enge und sehr reife Aufwärtstrendkanal (grün im Chart) die Kurse nach oben hieven kann und wie lange sich der S&P 500 entlang seiner 50-Tage-Durchschnittslinie (blau) nach oben hangelt.
Wende im Anlegerverhalten zeichnet sich ab
Man erkennt aber dennoch im kurzfristigen Bereich, dass Rücksetzer nicht mehr vollständig zurückgekauft, sondern Kurserholungen eher verkauft werden. Das gilt auch für den kleinen Freudensprung, den gestern die Inflationsdaten verursacht haben.
Man sollte daher äußerst wachsam bleiben. Und sobald nun stärkerer Abwärtsdruck aufkommt und die 50-Tage-Linie sowie der Aufwärtstrendkanal gebrochen werden, sollte man aus Long-Positionen auf den S&P 500 aussteigen. Spekulative Trader könnten dann sogar zu ersten kleinen Short-Positionen greifen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)