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EZB bemüht sich um mehr Klarheit +++ Aktien machen Kursverluste wett

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EZB bemüht sich um mehr Klarheit

Die gestrige Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) über ihren weiteren geldpolitischen Kurs hielt keinerlei Überraschungen bereit. Wie erwartet hat die EZB ihr neues Inflationsziel (siehe auch Börse-Intern vom 8. Juli) in das schriftliche Statement zu den geldpolitischen Beschlüssen aufgenommen.

Neues Inflationsziel eingearbeitet

So war bislang zu lesen: „Der EZB-Rat geht davon aus, dass die EZB-Leitzinsen so lange auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden, bis er feststellt, dass sich die Inflationsaussichten in seinem Projektionszeitraum deutlich einem Niveau annähern, das hinreichend nahe, aber unter 2 % liegt, und dass sich diese Annäherung in der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation durchgängig widerspiegelt.

Nun heißt es: „Um sein symmetrisches Inflationsziel von 2 % zu unterstützen und im Einklang mit seiner geldpolitischen Strategie, geht der EZB-Rat davon aus, dass die EZB-Leitzinsen so lange auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden, bis er feststellt, dass die Inflationsrate deutlich vor dem Ende seines Projektionszeitraums 2 % erreicht und sie diesen Wert im weiteren Verlauf des Projektionszeitraums dauerhaft hält, und er der Auffassung ist, dass die Entwicklung der zugrunde liegenden Inflation hinreichend fortgeschritten ist, um mit einer sich mittelfristig bei 2 % stabilisierenden Inflation vereinbar zu sein. Dies geht unter Umständen damit einher, dass die Inflation vorübergehend moderat über dem Zielwert liegt.

EZB bemüht sich um mehr Klarheit

Bei dieser Änderung zeigt sich auch durchaus die Bemühung der Notenbank, für mehr Transparenz und Klarheit zu sorgen. Denn der aktuelle Passus enthält mehr Informationen. Ob Otto Normalbürger diese Informationen allerdings zu verstehen und richtig deuten weiß, ist fraglich. Daher bleibt es eher bei Bemühungen.

Immerhin ist bekannt, dass der Projektionszeitraum der EZB-Volkswirte in der Regel 3 Jahre umfasst. Und den Projektionen vom Juni (siehe folgende Tabelle) lässt sich entnehmen, dass die EZB auch im Jahre 2023 noch nicht mit einer Inflation von 2 % rechnet (siehe auch Börse-Intern vom 10. Juni).

Konjunkturerwartungen (Projektionen) der EZB
(Quelle: Europäische Zentralbank) Projektionen

Insofern kann man aus der neuformulierten Forward Guidance der EZB zumindest schließen, dass die Leitzinsen aus heutiger Sicht noch bis mindestens 2024 auf ihrem aktuellen Niveau (oder niedriger) sein werden

Doch in 3 Jahren kann viel passieren. Und die Projektionen der EZB sind nicht in Stein gemeißelt. Stattdessen mussten sie im Juni in Sachen Inflation deutlich an die Realität der gestiegenen Ölpreise angepasst werden.

technische Annahmen der EZB
(Quelle: Europäische Zentralbank) technische Annahmen

Seitdem sind die Ölpreise weiter gestiegen – bis zum jüngsten Einbruch auf mehr als 76 USD je Barrel (siehe auch gestrige Börse-Intern). Pendeln sie sich auf dem höheren Niveau ein, dürften die EZB-Volkswirte ihre Inflationserwartungen erneut nach oben anpassen. Ob also wirklich erst nach 2023 Zinsanhebungen denkbar sind, wird sich zeigen.

Ansonsten alles wie gehabt

Jedenfalls kam das Statement neben einer ausführlicheren Wortwahl auch noch mit Zwischenüberschriften und somit geordneter als bislang daher. Das war es dann allerdings auch schon an Neuigkeiten. Denn alle Aktivitäten der Zentralbank werden unverändert fortgeführt. Das gilt für die Leitzinsen, das „asset purchase programme“ (APP) und das „pandemic emergency purchase programme“ (PEPP). Weiterhin sollen die Wertpapierkäufe im laufenden 2. Quartal in erhöhtem Tempo fortgesetzt werden.

Inflation bis Anfang 2022 erhöht

Auch die Pressekonferenz mit EZB-Chefin Christine Lagarde hielt kaum neue Informationen und somit keine Überraschungen bereit. Interessant war höchstens, dass die Projektionen vom Juni bereits teilweise Lockdowns für das dritte und vierte Quartal 2021 beinhalteten. Und die EZB erwartet, dass die Inflation noch monatelang erhöht bleiben wird und wahrscheinlich erst Anfang 2022 wieder nachlässt. Letztlich sei der Anstieg aber durch vorübergehende Basiseffekte bedingt, wie zum Beispiel der temporären Mehrwertsteuersenkung in Deutschland in der zweiten Jahreshälfte 2020, so Lagarde. Diese wird ab Juli 2021 zu höheren Preisen im Jahresvergleich führen. Solche Effekte fallen aber 2022 aus der statistischen Berechnung der Inflation heraus.

EZB setzt ihren strikten Kurs unbeirrt fort

Insgesamt erwarte ich nach den gestrigen Verlautbarungen der EZB (unverändert), dass die Notenbank ihr PEPP-Programm, wie von Beginn an geplant, bis März 2022 fortsetzt und dann einfach auslaufen lässt. In der Börse-Intern vom 10. Juni („US-Inflation bei 5 % – EZB bleibt unbeirrt“) hatte ich dazu auch schon geschrieben: „Dies könnte die Notenbank auf einer ihrer kommenden Sitzungen – spätestens im September, wenn wieder neue Projektionen der EZB-Volkswirte vorliegen – auch ankündigen. In diesem Fall wäre die EZB den geradesten Weg gegangen und hätte die Märkte nicht mit Kursänderungen verunsichert. Es würde sich also durchaus um ein sinnvolles Vorgehen handeln.“ Dem lässt sich kaum etwas hinzufügen.

 

Großteil der Kursverluste am Aktienmarkt aufgeholt

Angesichts eines Mangels an Überraschungen hielten sich die Marktreaktionen in Grenzen. Beim EUR/USD kam es zum Beispiel zwar zu einem volatileren Auf und Ab, letztlich setzte der Wechselkurs aber seine vorherige Tendenz fort. Ähnlich die Entwicklung an den Aktienmärkten.

Hier hatte der DAX bereits gestern am Morgen das 61,80 % Fibonacci-Retracement seiner jüngsten Abwärtsbewegung überschritten (siehe graue Linien und grüner Kreis im folgenden Chart). Und er konnte in die obere Seitwärtsspanne (gelbe Rechtecke) zurückkehren und sich darin festsetzen.

DAX - kurzfristige Chartanalyse

Damit wurde das bearishe Signal des Kurseinbruchs vom Montag neutralisiert. Dies war den US-Indizes S&P 500 und Dow Jones bereits am Dienstag und dem Nasdaq 100 vorgestern gelungen. Viele Anleger dürften sich durch dieses schnelle Comeback der Bullen in ihrer Erwartung bestätigt sehen, dass es mit den Notenbanken im Rücken eigentlich nur wieder und weiter nach oben gehen kann.

Doch ob die Kursschwäche nun wirklich erneut für eine ganze Weile vorüber ist, muss man abwarten. Aus saisonaler Sicht sind wir jedenfalls inzwischen in eine andere Phase eingetreten. Und daher könnte es dieses Mal auch anders kommen.

DAX-Anleger im charttechnischen Blindflug

Zumal sich der DAX inzwischen in einer Phase befindet, in der man keine klare Seitwärtsspanne ausmachen kann und auch keine eindeutige Richtung erkennbar ist. Und daher ist es unmöglich vorherzusagen, wohin die Kurse als nächstes laufen. In einer solchen Situation ist es sinnvoll, sich zurückzuhalten und die weitere Entwicklung abzuwarten, bis sich neue, klare Kursmuster oder Trends abzeichnen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus

(Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 23.07.21 09:16 Uhr