EUR/USD: Zweite Chance für Long-Positionen
Am 11. Juni lautete der Titel der Börse-Intern „EUR/USD: Konsolidierung bietet sich zum Long-Einstieg an“. Dazu hatte sich folgendes charttechnische Szenario geboten.
Der Wechselkurs war stark angestiegen, dann jedoch an einem Zwischenhoch der vorangegangenen Abwärtsbewegung abgeprallt (rote horizontale Linie) und in eine Konsolidierung übergegangen (kleiner roter Abwärtstrendkanal). Den starken Anstieg deutete ich als mögliche (Impuls-)Welle 1 (grün), die anschließende Konsolidierung als (Korrektur-)Welle 2 in Form einer trendbestätigenden Flagge. Und so war das charttechnische Szenario aus dieser Betrachtungsweise bullish zu werten.
Es kam anders als erwartet
Nun, mit Blick auf den folgenden Chart kam es offensichtlich anders. Denn die Kurse brachen aus der vermeintlichen Flagge nicht nach oben aus, sondern nach unten, und das sehr dynamisch.
Auf diese Möglichkeit hatte ich aber durchaus hingewiesen. So hieß es in der Analyse: „Es ist aber gut möglich, dass sich die aktuelle Konsolidierung noch etwas fortsetzt.“ Und weiter: „Das wäre auch wünschenswert, weil die Welle 2 dann ein vernünftiges Verhältnis zur Welle 1 annehmen würde.“ Es galt also, die weitere Entwicklung noch etwas abzuwarten.
Formationen werden erst mit einem Ausbruch bestätigt
Und grundsätzlich wird eine Formation erst mit dem Ausbruchssignal bestätigt. So war hier in der Börse-Intern zum Beispiel am 27. August zum DAX zu lesen, dass sich in dem deutschen Leitindex ein symmetrisches Dreieck gebildet hat, „welches als trendbestätigend gilt und damit im DAX bullish zu werten ist“. Und: „Die Formation wird aber erst durch einen Ausbruch bestätigt.“
Zuvor hatte ich wiederholt über (mögliche) Fehlsignale, besonders in Sommermonaten, berichtet. Und daher habe ich auch mehrfach auf bestätigende Signale hingewiesen, die es abzuwarten gilt, so zum Beispiel in der Börse-Intern vom 31. August oder auch in der vom 3. September.
Zweite Chance für Long-Positionen
Leider habe ich auf diese Begleitumstände zum Einstieg in einen Trade in der EUR/USD-Analyse vom 11. Juni nicht explizit noch einmal hingewiesen. Was also nun tun, wenn man sich aufgrund dieser Analyse in dem Wechselkurs „long“ positioniert hat? Gibt es hier noch Chancen auf Gewinne? Ich denke ja!
Denn Leser des Target-Trend-Spezial, in dem der Chart des EUR/USD regelmäßig analysiert wird, wissen längst, dass man das Kursgeschehen immer noch bullish werten kann. Denn es gibt natürlich nie nur eine Betrachtungsweise, sondern immer mehrere mögliche Szenarien. Und ein alternatives sieht wie folgt aus:
Die Aufwärtsbewegung vom März 2020 bis zum Januar 2021 kann man 5-gliedrig als abgeschlossenen Aufwärtszyklus zählen. Und die anschließende Konsolidierung stellt sich bislang als ABC-Korrektur dar. Diese macht ca. 38,20 % der vorangegangenen Aufwärtsbewegung aus (graue Linien) und reicht in etwa bis zum Tief der Welle 4. Sowohl aus Sicht der Fibonacci-Marken als auch aus Sicht der Elliott-Wellen-Theorie haben wir es vor diesem Hintergrund mit einer völlig normalen Korrektur nach starken Kursgewinnen zu tun. Nur endete diese eben nicht, wie noch am 11. Juni vermutet, bereits im März (Welle A), sondern eben womöglich erst im August (Welle C).
EUR/USD auch aus fundamentaler Sicht bullish
Und so sind auch jetzt noch aus charttechnischer Sicht Long-Positionen durchaus chancenreich. Das gilt übrigens auch weiterhin aus fundamentaler Sicht. Am 11. Juni war dazu zu lesen: „Denn es ist aus meiner Sicht zu erwarten, dass sich die Geldpolitik von Fed und EZB nicht allzu sehr auseinanderbewegen wird. Legt die Fed mit einer Drosselung der Anleihekäufe vor, dürfte die EZB bald nachziehen. Die US-Wirtschaft wächst zwar robuster, die Wachstumsdynamik verbessert sich aber kaum noch. Und die Eurozone holt dank der fortschreitenden Impfkampagne auf. Zudem sprechen hohe Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite in den USA langfristig gegen den Dollar, so dass der EUR/USD über kurz oder lang auf über 1,235 USD steigen dürfte.“ An diesen Umständen hat sich nur wenig geändert.
Verschiebung in den Wachstumsprognosen zugunsten des Euros
Es gab seitdem sogar eine Verschiebung zugunsten des Euros. Denn die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in Europa bessern sich. Die EU-Kommission hatte ihre Wachstumsprognose für die EU und die Euro-Zone erst im Juli um satte 0,6 beziehungsweise 0,5 Prozentpunkte auf jeweils 4,8 % erhöht. Und EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte gerade erst der „Süddeutschen Zeitung“, dass aus seiner Sicht das Plus mit Blick auf die jüngsten Wirtschaftsdaten und Stimmungsindikatoren sogar noch höher ausfallen könnte.
Derweil wurden die allgemeinen Konjunkturerwartungen für die US-Wirtschaft nach unten angepasst. Für Aufsehen sorgte dabei die jüngste Prognoseänderung der regionalen Fed Atlanta. Demnach legt das US-Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal voraussichtlich nur noch um (annualisiert) 3,7 % zum Vorquartal zu, statt der bislang erwarteten 5,3 %. Die allgemeinen Erwartungen lagen laut einer Bloomberg-Umfrage zuletzt sogar noch bei +6,9 %.
Im Hinblick auf die Geldpolitik könnte dies bedeuten, dass die EZB womöglich noch vor der Fed Hinweise auf ein geringeres Volumen bei den Anleihekäufen gibt, vielleicht sogar schon am kommenden Donnerstag. Und das könnte dem Euro gegenüber dem Dollar wieder deutlich mehr Stärke verleihen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)