Der Hexensabbat-Mythos ist nicht tot zu kriegen
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet gestern, dass am sogenannten Hexensabbat Futures und Optionen auf Indizes sowie Optionen auf einzelne Aktien verfallen. Das ist auch völlig korrekt. Dazu bedient die Nachrichtenagentur allerdings einen weit verbreiteten alten Börsenmythos, indem sie schreibt: „Zu diesem Termin schwanken die Aktienkurse üblicherweise stark, weil Investoren die Preise derjenigen Wertpapiere, auf die sie Derivate halten, in eine für sie günstige Richtung bewegen wollen.“. Und: „An diesem dreifachen Verfallstermin kommt es häufig zu scheinbar unerklärlichen Kursverwerfungen - weshalb Börsianer auf das Bild tanzender Hexen zurückgreifen.“
Meistens ist der Verfallstag ein Non-Event
Im gestrigen Stockstreet-Marktbericht war hingegen aus der Feder von Bernd Raschkowski bereits Folgendes zu lesen: „Ab und zu gibt es aufgrund dessen kleine Schwankungen an den Märkten, meistens ist der Verfallstag jedoch ein Non-Event.“ Und vielleicht erinnern Sie sich, dass ich diesen Mythos von ungewöhnlichen Kursbewegungen an Verfallstagen, den auch andere Medien immer wieder verbreiten, bereits in der Vergangenheit als haltlos entlarvt habe – siehe „Sind Verfallstage wirklich volatiler als andere Handelstage?“.
Lediglich erhöhte Handelsvolumina
Am 17.07.2020 hatte ich geschrieben, mir sei keine Statistik bekannt, „die belegt, dass es an Verfallstagen anders zugeht als an anderen Handelstagen, zumindest was die Volatilität angeht. Das Handelsvolumen ist dagegen durchaus erhöht, allerdings in der Regel nur am sogenannten Hexensabbat, also an den großen Verfallstagen, die vier Mal im Jahr stattfinden und an denen besonders viele Terminkontrakte, insbesondere die Futures, auslaufen.“ Dazu lieferte ich folgende Grafik:
(erstellt mit: MarketMaker)
Im unteren Chartteil sind die Verfallstage markiert – in rot die großen Verfallstage, in blau die übrigen. „Und offensichtlich ist nur an den großen Verfallstagen ein klar höheres Handelsvolumen zu erkennen. Die dazugehörigen Tageskerzen sind aber völlig unauffällig“, hieß es dazu schon vor mehr als 1,5 Jahren.
Das Gerücht hält sich hartnäckig
An dieser Tatsache hat sich bis heute nichts geändert. Und dennoch hält sich dieser Mythos von „stark schwankenden Aktienkursen“ und „scheinbar unerklärlichen Kursverwerfungen“ hartnäckig. Es ist sehr schwierig gegen solche Börsen-Mythen anzuschreiben, weil sie sich in den Köpfen so vieler Redakteure festgesetzt haben und nicht mehr überprüft werden.
Klar, auch ich kann nicht jede Meldung prüfen. Aber diese alten Börsen-Mythen, die vielleicht zu einer Zeit galten, als die Umsätze an den Börsen deutlich niedriger waren, die sich aber durch simple Recherchen inzwischen eindeutig widerlegen lassen, sollten so langsam aus aktuellen Marktberichten verschwinden.
DAX auch gestern wieder völlig unauffällig
Und wie sieht es am Hexensabbat von gestern aus? Schauen wir uns dazu beispielhaft den Kursverlauf des DAX von gestern und den vorangegangenen fünf Tagen an. Dazu greife ich auf den 5-Minuten-Chart zurück, wie er täglich im Target-Trend-Spezial analysiert wird:
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kann beim besten Willen nichts Außergewöhnliches an dem gestrigen Kursverhalten des DAX erkennen. Stattdessen hat der Index lediglich eine Konsolidierung fortgesetzt, in die er vorgestern bereits eingeschwenkt war (roter Trendkanal).
Im Target-Trend-Spezial war zu einer solchen Konsolidierung im Aufwärtstrend zu lesen, dass diese trendbestätigend ist. Und so verwundert es auch nicht, dass der DAX die Abwärtstendenz gestern nach oben auflösen konnte. Von „stark schwankenden“ oder „scheinbar unerklärlichen Kursverwerfungen“ ist dagegen nichts zu sehen.
Verfallstage als Wendepunkte?
Um den Verfallstag bzw. den Hexensabbat rankt sich übrigens noch ein weiteres Gerücht: So ist häufig zu lesen, dass Verfallstermine oft Marktwendepunkte darstellen. Torsten Ewert hat mir dazu gestern folgenden Chart zur Verfügung gestellt:
(erstellt mit: MarketMaker)
Darin sind mit grünen Punkten die großen März-Verfallstage dargestellt. Einige stellten durchaus Wendepunkte im Kursverlauf des DAX dar. Doch von den vergangenen 14 Verfallstagen sind dies aus meiner Sicht maximal 5.
Dennoch könnte der gestrige große Verfallstag wieder als Wendemarke prädestiniert sein. Denn der Anstieg der vergangenen Tage dürfte zu einem Gutteil durch Verfallstagseffekte ausgelöst worden sein. Investoren bewegen die Preise derjenigen Wertpapiere, auf die sie Derivate halten, nämlich nicht am Verfallstag in eine für sie günstige Richtung, sondern bereits im Vorfeld des Verfallstags. Und da diese Effekte jetzt wegfallen, ist es durchaus möglich, dass sich die Kurserholung bis zum heutigen Tage nun in Wohlgefallen auflöst.
Torsten Ewert hat daher diese Erholung zum Anlass für einige Transaktionen im Musterdepot des Geldanlage-Briefs genutzt. Und ich erinnere vor diesem Hintergrund an meinen Rat vom Mittwoch, Zwischengewinne mitzunehmen, wenn Sie die Strategie der gestaffelten Käufe eingesetzt haben.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf den Unterschied zwischen Gewinnmitnahmen und dem aktiven Traden auf fallende Kurse hinweisen. Mit Gewinnmitnahmen sichert man sich lediglich gegen die Möglichkeit einer Wende ab. Mit einem aktiven Trade auf fallende Kurse setzt man dagegen darauf, dass diese Wende mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt. Doch da die Wahrscheinlichkeit einer Wende mit Blick auf die Vergangenheit eher gering ist, bietet sich ein Trade auf fallende Kurse nicht an. Denn dieser könnte schnell Verluste bedeuten, da man sich gegen den aktuellen Trend der Kurserholung stellt. Mit Gewinnmitnahmen hat dagegen noch niemand Verluste erlitten.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)