DAX hat erstes Korrekturkursziel erreicht
Womöglich wird die „Börse-Intern“ auch bei Reuters gelesen. Jedenfalls hieß es in einer gestern früh veröffentlichten Meldung der Nachrichtenagentur zu den asiatischen Aktienmärkten und der Nominierung von US-Notenbank-Chef Jerome Powell für eine zweite Amtszeit:
... „Es ist nicht so, dass die Märkte per se auf diese Ernennungen reagieren. Was klar wird, ist, dass für Powell in seiner zweiten Amtszeit die größte Aufgabe darin besteht, die Inflation zu bekämpfen und nicht die Beschäftigung zu maximieren“, sagte Norihiro Fujito, Chef-Anlagestratege von Mitsubishi UFJ Morgan Stanley Securities. ...
Aha! Es ist also nicht so, dass die Märkte per se auf diese Ernennungen reagieren. Diese Einschätzung erinnert doch sehr stark an die vorgestrige Analyse in der Börse-Intern, wonach aus meiner Sicht bezweifelt werden darf, dass die bloße Nominierung Powells für die jüngsten Kursbewegungen verantwortlich war.
Na ja, jedenfalls gibt es offenbar Marktteilnehmer, die das Geschehen ähnlich einschätzen wie ich. Ob man darin eine Optimierung in der Art der Berichterstattung von Reuters sehen kann, bleibt abzuwarten.
Corona-Welle trübt die Stimmung der Unternehmen
Hinter den gestrigen Kursentwicklungen an den Börsen kann man neben den Zinsängsten auch immer deutlicher die zunehmenden Befürchtungen der Anleger vor den Konsequenzen aus der aktuellen Corona-Welle sehen. Die Aktienkurse von Unternehmen, die unter neuerlichen Lockdowns leiden würden, geben besonders stark nach.
Und dabei hat der ifo-Geschäftsklimaindex die Sorgen verstärkt. Denn mit einem aktuellen Wert von 96,5 Punkten ist es zum fünften Rückgang in Folge gekommen (siehe schwarze Linie im folgenden Chart), wie das ifo-Institut zu der Umfrage unter rund 9.000 Unternehmen heute mitteilte. Die Konsensschätzung hatte bei 96,7 Punkten gelegen, nach 97,7 im Oktober.
Der Index der Geschäftserwartungen (grüne Linie) ging von 95,4 auf 94,2 zurück und notiert damit so niedrig wie zuletzt im Januar. Die Lageeinschätzung (blaue Linie) trübte sich von 100,2 auf 99,0 ebenfalls weiter ein. Erwartet wurden Werte von 94,6 bzw. 99,0. Besonders deutlich hat sich dabei verständlicherweise die Stimmung im Dienstleistungssektor eingetrübt, wo es den stärksten Rückgang seit November 2020 gab.
ifo-Geschäftsklima vs. Einkaufsmanager
Dass der ifo-Geschäftsklimaindex damit insgesamt sogar schwächer als erwartet ausgefallen ist, kam etwas überraschend, weil die vorgestern veröffentlichen Einkaufsmanagerdaten für November gegenüber dem Vormonat sogar gestiegen sind. Der vorläufige Einkaufsmanagerindex für die gesamte deutsche Privatwirtschaft – also Dienstleistung und Industrie zusammen – stieg um 0,8 auf 52,8 Punkte, wie IHS Markit zu seiner monatlichen Umfrage unter Hunderten Unternehmen mitteilte.
Er bleibt damit unter den Werten des zweiten und dritten Quartals 2021. Und so bleiben die Wachstumsaussichten für das vierte Quartal 2021 durch die anhaltenden Lieferprobleme, die weiter steigenden Einkaufspreise und die nun wieder verstärkt hinzukommenden Sorgen wegen der neuerlichen Corona-Maßnahmen verhalten. Insbesondere Letzteres wird aktuell in die Börsenkurse eingepreist.
Dabei schneiden die europäischen und deutschen Aktien gegenüber denen aus den USA wieder relativ schwach ab, weil die Corona-Zahlen hierzulande jüngst deutlich stärker gestiegen sind als auf der anderen Seite des Atlantiks. Einige Experten gehen inzwischen sogar davon aus, dass die deutsche Wirtschaft aufgrund der Corona-Maßnahmen im Schlussquartal 2021 schrumpft. Denn selbst wenn es keine Lockdowns gäbe, würden sich viele Menschen freiwillig einschränken.
DAX hat Korrekturkursziel erreicht
Vor diesem Hintergrund hat der DAX gestern das Korrekturkursziel aus der Analyse vom 19. November erreicht. Die Kurse gaben bis im Tagestief auf 15.740 Punkte nach und verfehlten damit das 38,20%-Fibonacci-Retracement der im Oktober-Tief gestarteten Aufwärtsbewegung nur um 12 Zähler.
Damit hat der deutsche Leitindex nun binnen nur 4 Handelstagen die Kursgewinne von fast einem Monat abgegeben. Und dabei ist er auch wieder in seine übergeordnete Seitwärtstendenz zurückgefallen (gelbes Rechteck im Chart), wenn auch noch nicht nachhaltig. Allerdings wurden das ehemalige Rekordhoch bei 16.030,33 Punkten und die psychologisch wichtige, denn runde Marke von 16.000 deutlich unterschritten, womit der Ausbruch darüber nun vorerst als Fehlsignal gilt.
Und der DAX ist gestern zeitweise wieder auf dem Niveau angekommen, welches er schon am 14. Juni erreicht hatte. Viel gewonnen haben die Anleger, die auf das neue Rekordhoch gesetzt hatten, also nicht. Zumal dieses nur rund 3 % über dem Niveau von Mitte Juni markiert wurde.
Es war also aus meiner Sicht völlig richtig, in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten aufgrund der massiv überkauften Aktienindizes in den USA auf das begrenzte Kurspotential des DAX hinzuweisen. Das Risiko, dass der DAX bei einer Schwäche der US-Indizes wieder mit nach unten gezogen wird, hatte ich wiederholt angesprochen.
Und dabei sind die US-Indizes jüngst wieder lediglich moderat abgebröckelt. Die Frage ist daher, wo der DAX wohl landet, wenn seine Pendants aus den USA erst einmal in eine „richtige“ Korrektur übergehen, also mal wieder zweistellige Verluste von mehr als 10 % hinnehmen müssen.
Vorerst hat der DAX aber das 38,20er Retracement erreicht und verteidigt und damit das Mindestziel einer Korrektur nach den vorangegangenen Kursgewinnen abgearbeitet. Theoretisch wäre nun eine Wiederaufnahme des Aufwärtstrends möglich. Sollte der DAX aber in einem zweiten Anlauf unter das gestrige Tagestief und somit das 38,20er Retracement fallen, ist das 50%-Retracement bei 15.554,45 Punkten das nächste Kursziel der Bären. Ich persönlich fürchte, dass der DAX eher in Richtung 15.500 Punkte tendieren wird, statt auf ein neues Rekordhoch.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)