Wie passt die Arbeitslosenquote noch zu den Aktivitäten der Notenbank?
Wow! Was für ein Paukenschlag am US-Arbeitsmarkt. Zwar traf die Zahl der neugeschaffenen Stellen (außerhalb der Landwirtschaft) ziemlich genau die durchschnittlichen Erwartungen, die Arbeitslosenquote fiel zugleich aber deutlich stärker als von Experten prognostiziert.
1,371 Millionen neue Stellen wurden für August gemeldet. Erwartet wurden 1,4 Millionen. Quasi eine Punktlandung.
Die Werte der beiden Vormonate wurden zwar um insgesamt 29.000 nach unten revidiert, doch auch diese Abweichung von den Schätzungen ist relativ gering.
Und mit Blick auf die Arbeitslosenquote spielten diese Diskrepanzen auch keine Rolle. Denn hier wurde nur ein Rückgang von 10,2 % im Juli auf 9,8 % im August erwartet, tatsächlich sank die Arbeitslosigkeit aber auf 8,4 %.
Zur Erinnerung: Vor nicht allzu langer Zeit gingen einige Mitglieder des Federal Open Market Committee (FOMC) der US-Notenbank noch davon aus, dass die Arbeitslosigkeit in den USA selbst im kommenden Jahr noch zweistellig sein dürfte. Und erst kürzlich hat die Federal Reserve extra eine Strategieänderung verkündet, um den Arbeitsmarkt länger stützen zu können (siehe Börse-Intern vom 28. August). Jetzt scheint sich dieser aber mit riesigen Schritten schon wieder der Vollbeschäftigung anzunähern, die gemeinhin bei einer Arbeitslosenquote von 5 % als erreicht gilt.
Passend dazu hatte ich erst am Mittwoch dieser Woche noch geschrieben: „Das passt doch nicht zusammen, da stimmt doch irgendetwas nicht. Entweder die Konjunkturdaten zeigen ein falsches Bild der Erholung oder die US-Notenbank ist zu vorsichtig und dadurch mit ihrer Geldpolitik zu expansiv.“ Konnte ich mir am Mittwoch nach kurzer Überlegung doch noch einen Reim auf die jüngsten Entwicklungen machen, so wurden mit den gestrigen Arbeitsmarktdaten wieder Zweifel geweckt.
Was passiert, wenn die Arbeitslosenquote weiter so schnell sinkt?
Und am 21. August schrieb ich, dass sich die US-Wirtschaft womöglich schneller erholt, als allgemein erwartet, und „die US-Notenbank früher oder später ihren Fuß vom Gaspedal nehmen muss, um nicht hinter den Konjunkturaufschwung zu geraten und ein Überhitzen der Wirtschaft zu riskieren.“ Der Befürchtung, dass die Notenbank ihren Fuß vom Gaspedal nimmt, wenn die Inflation anzieht, hatte sie mit ihrer Strategieänderung den Wind aus den Segeln genommen. Doch was ist, wenn sich die Arbeitslosigkeit weiter in dem Tempo reduziert, wie sie es seit dem Hoch vom Mai an den Tag legt?
Dazu hatte ich am 21. August auch noch geschrieben: „Hier stellt sich dann die Frage, was den Aktienmärkten lieber ist: Eine starke Wirtschaftserholung oder die Unterstützung der Notenbanken. Bislang können sie noch beides haben und beides mit steigenden Kursen quittieren. Aber irgendwann müssen sie sich entscheiden, ob ihnen der Wirtschaftsaufschwung lieber ist oder die Liquidität der Notenbanken. Denn am Ende wird nur eines von beiden übrigbleiben. Und da die Märkte seit einiger Zeit am Tropf der Notenbanken hängen, könnte ein Entzug zu heftigen Reaktionen führen. Aber das ist wohl noch Zukunftsmusik.“ Nun, mit den aktuellen Arbeitsmarktdaten stellt sich die Frage, ob die Zukunft doch früher zur Gegenwart wird, als es der Markt und selbst die Notenbank aktuell denken.
Sicherlich, das muss noch abgewartet werden. Die wöchentliche Anzahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung ist noch deutlich höher als normalerweise, die monatliche Zahl der neu geschaffenen Stellen allerdings auch. Der Arbeitsmarkt hat also längst noch nicht seine Krisenphase verlassen. Und vielleicht wird die Arbeitslosenquote nicht weiter im aktuellen Tempo bis auf das Vor-Krisen-Niveau sinken.
Es ist eine Änderung im Anlegerverhalten erkennbar
Bei den vorgestrigen Kursverlusten, die es an den Aktienmärkten (endlich) mal wieder gegeben hat, war allerdings bereits ein entscheidender Unterschied zu vorangegangenen Rücksetzern zu sehen: Die Kurse schossen nicht gleich wieder nach oben wie ein Korken, den man unter Wasser gedrückt hat. Die Kaufbereitschaft der Anleger hat also auf dem aktuellen hohen Niveau nachgelassen.
Und gestern ist es sogar zu Anschlussverlusten gekommen, obwohl die Wirtschaftsdaten sehr gut ausgefallen sind. Wobei letzteres nicht entscheidend ist. Denn in der Vergangenheit spielte es keine Rolle, ob die Daten gut oder schlecht ausfielen. Bei guten Daten wurden die guten Daten gefeiert und bei schlechten Zahlen trieb die Hoffnung auf Konjunkturhilfen die Kurse weiter nach oben. Nun aber haben die Aktienmärkte nach den Arbeitsmarktdaten weiter nachgegeben. Und das ist eine klare Verhaltensänderung.
Warten wir aber noch ab. Denn es muss sich zeigen, ob die Anleger bereit sind, weitere Gewinnmitnahmen zu tätigen. Das hängt letztlich einzig und allein von der Stimmung der Anleger ab. Kippt diese, kann sich eine Herbstkorrektur entfalten und damit wieder etwas Normalität an die Aktienmärkte einkehren.
Kaum jemand scheint mit weiter fallenden Kursen zu rechnen
Interessant ist dabei aktuell auch, dass scheinbar kaum jemand den Aktienmärkten eine größere Korrektur zutraut, geschweige denn einen erneuten Einbruch. Es wird argumentiert, dass die Liquidität der Notenbanken die Kurse schon oben halten werde und es aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsen keine Alternative zum Aktienmarkt gäbe.
Doch dabei wird gerne vergessen, wie wechselhaft die Stimmung der Anleger ist. Und wenn die Märkte abrauschen, dann ist zum Beispiel das Halten von Cash eine sehr gute Alternative zu Aktien, zumindest temporär. Dass dies aber aktuell kaum jemand so zu sehen scheint, sollte man durchaus als Kontraindikator werten. Die Märkte machen häufig genau das, womit die wenigsten rechnen.
Als die Kurse Anfang des Jahres einbrachen, hatte wohl kaum jemand auf dem Schirm, dass der Nasdaq 100 noch im selben Jahr fast doppelt so viel zulegen kann, wie er zuvor im Einbruch verloren hatte. Und jetzt scheint kaum jemand damit zu rechnen, dass die Kurse noch einmal stark nachgeben oder gar einbrechen. Ich gestehe allerdings, dass ich damit derzeit auch nicht rechne. Stören würde es mich allerdings nicht.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)