Was hat DAX und Dow Jones auf neue Rekordhochs getrieben?
Die Aktienmärkte machen es Anlegern und Tradern in dieser Woche mal wieder besonders schwer. Denn die Kurse entwickeln sich höchst unterschiedlich. Besonders eindrucksvoll zeigt sich dies zwischen dem Dow Jones und dem Nasdaq 100:
Nasdaq 100 nach Measured Move wieder schwach
Der Technologieindex büßte vorgestern mehr als 2,4 % ein. Und er neigte damit weiterhin klar zur Schwäche. Zuvor hatte er bereits eine zweite Abwärtswelle ausgebildet, die ziemlich exakt das Ausmaß der ersten annahm (siehe rote Rechtecke im folgenden Chart). Es lag damit ein fast perfekter „Measured Move“ vor.
Eigentlich könnte man darin eine abgeschlossene ABC-Korrektur sehen. Doch die erste Abwärtswelle brauchte für einen Kursrutsch um 1.118 Punkte bzw. rund 8 % gerade einmal 6 Handelstage bzw. 34 Handelsstunden und die zweite Abwärtswelle benötigte für einen Kursrutsch um 1.093 Zähler bzw. rund 8 % sogar nur 4 Handelstage bzw. 23 Handelsstunden. Damit hat sich die Abwärtsdynamik erhöht. Und weil der Index vorgestern das Korrekturtief bis auf weniger als 100 Punkte ansteuerte, sprach dies eher gegen das Ende der Korrektur.
Dow Jones auf neuem Rekordhoch
Ganz anders das Bild im Dow Jones. Hier hat es zwar eine ähnliche ABC-Korrektur gegeben, bei der die beiden Abwärtswellen ebenfalls fast gleiche hohe Kursverluste brachten, doch dabei benötigte die erste Abwärtswelle weniger Zeit als die zweite (siehe rote Rechtecke im folgenden Chart).
Und anschließend zeigte der Dow Jones keine erneute Schwäche, sondern er stieg extrem dynamisch auf ein neues Rekordhoch. In der ersten und zweiten Welle kam es zu Kursverlusten von jeweils ca. 1.100 Punkten (1.089,49 vs. 1.120,81) bzw. 3,4 % und 3,54 % binnen 10 bzw. 20 Handelsstunden. Die anschließende Kurserholung brachte es in 14 Stunden auf 1.600 Punkte bzw. +5,24 %.
Das sind schon ziemlich verrückte und sehr volatile Kursentwicklungen. Und begründet wurden die Kursgewinne im Dow Jones von den Medien fast unisono mit der Verabschiedung des 1,9 Billionen schweren Konjunkturprogramms von US-Präsident Joe Biden im Senat am vergangenen Samstag. Das klingt auch zunächst plausibel. Schließlich hat es dabei nur wenige Änderungen gegeben.
Nur wenige Änderungen am 1,9 Billionen Dollar schweren Programm
Zum Beispiel soll die verlängerte und erhöhte Arbeitslosenhilfe, die eigentlich am 14. März für Millionen Amerikaner auslaufen würde, nun bis September weiterlaufen und 300 Dollar pro Woche betragen. Ursprünglich geplant waren vom Repräsentantenhaus 400 Dollar. Zudem wurde die landesweite Erhöhung des Mindestlohns gestrichen. Doch das ist für die Börsen kein Problem. Denn diese soll nun in einem getrennten Gesetz vorangetrieben werden. Und unter anderem sind auch 400 Milliarden Dollar für eine Einmalzahlung von 1.400 Dollar an die meisten US-Bürger vorgesehen.
Die Gesetzesvorlage muss aufgrund der moderaten Änderungen zwar nun noch einmal zur Abstimmung ins Repräsentantenhaus, doch da Biden signalisiert hat, die im Senat ausgehandelten Kompromisse zu billigen, ist die Verabschiedung des Gesetzes nun wohl nur noch reine Formsache. Biden könnte es mit seiner Unterschrift noch in dieser Woche in Kraft setzen, da die Abstimmung im Repräsentantenhaus schon heute stattfinden soll.
6 Billionen Dollar Hilfen bei 22 Billionen Dollar BIP
Der Umfang des neuen Maßnahmenbündels entspricht fast 10 % (!) der US-Wirtschaftsleistung. Zusammen mit bereits beschlossenen Corona-Maßnahmen summieren sich die Hilfen des Bundes in den USA innerhalb eines Jahres auf etwa sechs Billionen Dollar, bei einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von voraussichtlich etwas weniger 22 Billionen Dollar in 2021. Während die US-Notenbank die Märkte mit Liquidität flutet, wird die US-Regierung also eine Lawine an Konjunkturhilfen über die US-Wirtschaft rollen lassen.
Mehr als jeder vierte Dollar, der im laufenden Jahr in das US-BIP einfließt, stammt von den Hilfsmaßnahmen der Regierung. Und vor diesem Hintergrund ist es auch kein Wunder, dass die Renditen in den USA stark steigen. Denn einerseits wird natürlich die Wirtschaft angeschoben, andererseits explodiert aber die US-Verschuldung. Und damit wird es riskanter, der Regierung Geld zu leihen, weil eine Überschuldung droht. Anleger verlangen daher aufgrund dieses steigenden Risikos eine höhere Risikoprämie in Form von höheren Renditen.
Konjunkturprogramm war längst eingepreist
Und auch deshalb ist die Begründung der Medien für die jüngst gestiegenen Kurse der Aktien aus dem Dow Jones nicht so plausibel, wie sie auf den ersten Blick schien. Zumal die Verabschiedung des neuen Hilfspaketes schon zuvor nur reine Formsache war, da die Demokraten im Senat eine knappe Mehrheit haben. Dabei war auch klar, dass es leichte Änderungen geben würde, weil einige Aspekte des Programms als zu teuer galten.
Chinesischer Außenhandel steigt explosionsartig
In einigen Medien war daher auch noch von einem extrem starken chinesischen Außenhandel zu lesen, der logischerweise besonders die Aktienkurse von Industrie- und Exportwerten beflügelt hat. So haben die Exporte aus China im Januar und Februar zusammengenommen um 60,6 % gegenüber dem Vorjahr angezogen, wie aus Zolldaten vom Sonntag hervorgeht. Experten hatten dagegen „nur“ mit einem Anstieg der Exporte um 38,9 % gerechnet, nach einem Exportplus von 18,1 % im Dezember.
Und die Importe stiegen im Januar und Februar im Jahresvergleich um 22,2 %. Hier hatten Analysten mit einem Plus von 15 % gerechnet.
Diese Entwicklungen erklären auch besser, warum der DAX vorgestern ebenfalls ein neues Rekordhoch erklimmen konnte (siehe grüne Ellipse im folgenden Chart).
Denn der DAX profitiert mit seinen Exportwerten direkt von steigenden chinesischen Importen, aber nur indirekt vom US-amerikanischen Konjunkturpaket.
Deutsche Exporte legen im Januar überraschend zu
Das zeigen auch die gestern veröffentlichten Daten zu den deutschen Exporten im Januar. Die Ausfuhren wuchsen den neunten Monat in Folge, und zwar um 1,4 % zum Vormonat Dezember. Von Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen mit einem Rückgang von 1,2 % gerechnet.
Wie stark Deutschland dabei von der Nachfrage aus China profitiert hat, zeigen die folgenden Daten: Insgesamt verkauften die deutschen Exporteure im Januar Waren im Wert von 98,1 Milliarden Euro ins Ausland. Verglichen mit Januar 2020 waren das 8,0 % weniger. Dabei sanken die Ausfuhren in die EU-Staaten um 6,0 %, die in den Rest der Welt sogar um 10,3 %. Die Exporte nach Großbritannien sanken nach Inkrafttreten des Brexit-Handelsabkommens zum Jahreswechsel mit minus 29,0 % besonders stark. Die Exporte in die Vereinigten Staaten gingen um 6,2 % zurück. Ohne die Nachfrage aus China wäre vor diesem Hintergrund ein Zuwachs im Januar kaum möglich gewesen. Denn die Exporte nach China stiegen um 3,1 %.
EU und USA setzen Handelszölle aus
Ich habe aber noch eine Begründung, warum einige Kurse an den Aktienmärkten so stark gestiegen sind. Und diese habe ich sonst kaum in den Börsenberichten gesehen: Die EU und USA setzen in ihrem Flugzeug-Streit die gegenseitig verhängten Zölle aus. Beide Seiten einigten sich darauf, Zölle im Zusammenhang mit dem Zwist über staatliche Hilfen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing zunächst für vier Monate auszusetzen. Die Regierung von Bidens Vorgänger Donald Trump hatte in ihren letzten Amtstagen im Januar noch neue Strafzölle in dem Streit erhoben.
Und diese Meldung traf bereits am Freitag auf die Märkte. Genau zu diesem Zeitpunkt kam es zu einer kleinen Intraday-Trendwende, die sich zum Wochenbeginn fortsetzte und beschleunigte. Dazu müssen wir uns den Kursverlauf im Future-Handel anschauen. Denn aufgrund der deutlich längeren Handelszeiten ist der Zusammenhang von Kursanstieg und Nachricht hier wesentlich besser zu erkennen. Zumal der Xetra-Handel des DAX zum Zeitpunkt der Meldung bereits beendet war. Gegen 18 Uhr am Freitag lief die Nachricht zu den Zöllen bei Reuters über die Ticker (siehe blaue Linie im folgenden Chart). Genau zu dieser Zeit drehte der DAX nach oben.
Noch eindrucksvoller ist die Trendwende beim Dow Jones im Zusammenhang mit der Zoll-Meldung zu erkennen:
Und das die Technologieaktien, im folgenden Chart in Form des Nasdaq 100, nicht stärker von der Meldung profitieren konnten, hängt schlicht damit zusammen, dass auf Internetdienstleistungen keine Zölle erhoben wurden.
Auch dies macht den Zusammenhang der Zollmeldung mit den Kursanstiegen von DAX und Dow Jones wesentlich plausibler als die Meldung über die Verabschiedung des Hilfspaketes im US-Senat. Zumal das Konjunkturpaket die Inflation eher weiter anheizen wird, während sinkende Zölle einen preisdämpfenden Effekt haben. Womöglich sind die Aktienkurse auch deshalb zu Beginn der Woche zunächst leicht zurückgekommen, bevor sie dann doch weiter anstiegen.
Gestriger Handel konträr zum vorgestrigen
Nachdem wir nun die möglichen Gründe für die jüngsten Kursentwicklungen betrachtet haben, stellt sich natürlich die Frage, wie es an den Märkten weitergehen kann. Und dabei bleibt es zunächst kompliziert. Denn auch gestern entwickelten sich die Kurse am Aktienmarkt wieder höchst unterschiedlich, dieses Mal im Vergleich zu vorgestern genau konträr: Der Nasdaq 100 liegt zum Beispiel bereits kurz nach dem offiziellen Handelsstart mit ca. +3 % deutlich im Plus, während der Dow Jones kaum vom Fleck kommt.
Letztlich spricht dies für die gestern von Torsten Ewert angesprochene Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau. Zumal auch ich bereits aufgrund der immer wieder starken Kurserholungen insbesondere im Dow Jones von stets mehr als 61,80 % der vorangegangenen Abwärtsbewegungen darauf hingewiesen hatte, dass der Kursverlauf damit weiterhin den Eindruck macht, „dass es hier nicht zu einer größeren Korrektur kommt, sondern eher zu einer Konsolidierung auf hohem Niveau, die letztlich zu neuen Rekordhochs führt“, wie es zum Beispiel in der Börse-Intern vom Dienstag vergangener Woche hieß.
Umschichtungen der Anleger abwarten
Und in der Börse-Intern war auch mehrfach schon zu lesen, dass es derzeit zu Umschichtungen am Markt kommt (siehe zum Beispiel „Umschichtungen zum Jahresbeginn“ oder die Börse-Intern vom 24. Februar). In solchen Phasen kommt es häufig dazu, dass sich die Kurse teilweise sehr unterschiedlich entwickeln (Branchenrotation) und es dabei zu höherer Volatilität kommt.
Letztlich muss man nun abwarten, für welche Richtung sich die Kurse entscheiden, wenn diese Umschichtungen abgeschlossen sind. Die charttechnisch überkaufte und fundamental hoch bewertete Situation der US-Indizes spricht dabei für eine weitergehende Korrektur oder Konsolidierung, die massive Liquiditätsflut der Notenbanken und die riesigen Hilfsprogramme der Regierungen deuten dagegen eher auf weiter steigende Aktienkurse hin. Womöglich führt auch diese Diskrepanz eher zu einer Seitwärtsphase.
Diese wird insbesondere dann wahrscheinlich, wenn sich die neuen Rekordhochs im DAX und Dow Jones als Fehlsignale entpuppen. Solange dies allerdings nicht der Fall ist, können die beiden Indizes natürlich weiter zulegen. Und womöglich ist im Nasdaq 100 ja doch eine ABC-Korrektur zu Ende gegangen. Darauf deutet jedenfalls der gestrige starke Kursanstieg hin. Aber vielleicht ist dieser auch nur Bestandteil einer erneuten abc-Konsolidierung, wie wir sie auch nach der ersten Abwärtswelle gesehen haben?!
Die jüngsten Kursbewegungen brauchen also noch Bestätigungen, was sowohl für den Nasdaq 100 als auch für die neuen Hochs im DAX und Dow Jones gilt.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)