Was bleibt, wenn die Panik schwindet?
Der Dow Jones hat alleine vorgestern rund 10 % verloren und damit den größten Kurssturz seit dem „Schwarzen Montag“ des Jahres 1987 erlitten. Gestern ging es dann in die entgegengesetzte Richtung – zumindest zeitweise. Die Anleger griffen zu Aktien, weil die Notenbanken in den USA gewaltige Summen in das Finanzsystem pumpen.
1,5 Billionen Dollar an zusätzlicher Liquidität
Die New Yorker Fed kündigte an, im Rahmen ihrer monatlichen Wertpapierkäufe eine breite Palette von Staatsanleihen zu erwerben. Zudem wolle sie in dieser Woche insgesamt 1,5 Billionen Dollar an Liquidität für Banken zur Verfügung stellen. Dazu hatte sie bereits vorgestern Banken im Rahmen eines dreimonatigen Repo-Geschäfts Kredite über 500 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt. Dem sollten gestern ein einmonatiges und ein weiteres dreimonatiges im jeweils gleichen Volumen folgen. Die Maßnahmen seien in Absprache mit dem geldpolitischen Ausschuss der Federal Reserve erfolgt.
Gegen kurz vor 18 Uhr (MEZ) reagierte der Dow Jones vorgestern mit einem Kurssprung von ganzen 1.500 Punkten auf die Ankündigung der Repo-Geschäfte (siehe linke Ellipse im folgenden Chart). Doch schon um 18:40 Uhr war ein Großteil der Kursgewinne wieder abgegeben.
Gleiches gilt für den gestrigen Kursverlauf. Nach einem sehr bullishen Handelsauftakt (+1.300 Punkte, rechte Ellipse) übernahmen sehr schnell die Bären wieder das Ruder.
Bundesregierung sagt unbegrenzte Hilfen zu
Ähnliche Entwicklungen konnte man hierzulande beobachten. Die Bundesregierung sagte Unternehmen, die von der Coronavirus-Pandemie betroffenen sind, unbegrenzte Hilfen zu. Zusätzlich werde über ein Konjunkturprogramm nachgedacht. „Wir tasten uns nicht ran. Wir legen gleich alle Waffen auf den Tisch“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Und weiter: „Es gibt keine Grenze nach oben bei der Kreditsumme, die die KfW vergeben kann". Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sprach derweil von nie dagewesenen Hilfen, die über die Maßnahmen in der Finanzkrise 2008/09 hinausgingen. In Ausnahmesituationen seien auch staatliche Unternehmensbeteiligungen denkbar.
What ever it takes
Diese beispiellosen Versprechungen erinnerten wohl viele Anleger sehr stark an die „What ever it takes“-Aussage des ehemaligen EZB-Chefs Mario Draghi. Und daher stand der DAX dem Dow Jones gestern in nichts nach. Der deutsche Leitindex legte um mehr als 800 Punkte bzw. 9 % zu (siehe grünes Rechteck im folgenden Chart). – Kurioserweise hatte er aber selbst damit in dieser Woche noch 13,5 % verloren. Und zu allem Übel gab auch der DAX sämtliche Gewinne ab und rutschte sogar auf ein neues Korrekturtief.
Nicht ohne Grund hatte ich insbesondere den Lesern des Target-Trend-Spezial geschrieben, dass die aktuellen Kursentwicklungen völlig unkalkulierbar sind und man sich daher aus den Märkten heraushalten sollte.
Ist das schon ein Bärenmarkt?
Laut Medienberichten befinden sich die Märkte, zumindest alle wichtigen Aktienindizes, inzwischen „offiziell“ im Bärenmarkt. Davon sprechen die viele Börsianer, wenn die Kurse um mehr als 20 % unter ihren zuvor erreichten Höhepunkt fallen. Doch ich halte solche Festlegungen mit willkürlich festgelegten Marken (-20 %) für absoluten Humbug. Ein Bärenmarkt ist aus meiner Sicht ein lang anhaltender Abwärtstrend. Dabei spielt auch der Faktor Zeit eine große Rolle („lang anhaltend“). Was wir aktuell an den Börsen sehen, ist kein Bärenmarkt, sondern ein Crash. Ob sich daraus noch ein Bärenmarkt entwickelt, muss sich erst noch zeigen.
Vom Crash direkt in einen neuen Aufwärtstrend?
Alternativ wäre nämlich auch denkbar, dass wir von dem extremen Crash schon nach kurzer Zeit wieder in einen Aufwärtstrend gehen. Hintergrund könnte das folgende Szenario sein:
Da es gegen das Coronavirus noch keinen Impfstoff gibt, glaubt heute niemand noch ernsthaft daran, dass man die weitere Ausbreitung des Virus verhindern kann. Es geht daher nur noch darum, die Ausbreitung zu verlangsamen, um eine Überlastung der Krankenhäuser etc. zu vermeiden. Aufgrund der dafür notwendigen Maßnahmen und dem Schaden für die Wirtschaft werden überall die Geldschleusen geöffnet, Konjunkturprogramme aufgelegt, etc.
Doch letztlich ist der Coronavirus eher mit einem normalen, aber etwas aggressiven Grippevirus zu vergleichen. Die Infektionswelle kommt gerade über uns und wird irgendwann ihren Hochpunkt überschritten haben. Spätestens dann wird sich das Bewusstsein in der Bevölkerung durchsetzen, dass wir mit diesem neuartigen Virus genauso leben müssen wie mit der Grippe oder er sogar aus unserem Leben verschwindet, wie es zum Beispiel bei der SARS-Epidemie der Fall war. Und spätestens dann wird sich die Lage entspannen.
Was bleibt, wenn die Panik schwindet?
Wenn aber die Panik langsam aus dem Markt verschwindet, was bleibt dann noch übrig? Ich verrate es Ihnen: Die expansivere Geldpolitik, das Geld aus den Konjunkturprogrammen und ein extremes Aufholpotenzial bei den Firmen. Denn ein großer Teil der Produktion und des Konsums, der jetzt brach liegt, wird dann nachgeholt. Hinzu kommen dank des Preiskriegs beim Öl extrem niedrige Energiepreise, die ebenfalls wie Doping auf die Konjunktur wirken.
Und damit könnte etwas passieren, das im Moment wohl kaum jemand auf dem Schirm hat: Es kommt zu einer extremen (Erholungs-)Rally an den Aktienmärkten. Auch weil aufgrund der zurückkehrenden Konsumnachfrage bei zunächst noch beschränktem Angebot und der weiterhin extrem expansiven Geldpolitik, deren Programme inzwischen sogar wieder massiv ausgeweitet werden, die Inflation anziehen dürfte. Aktien als Sachwerte werden davon profitieren!
Ruhe bewahren, Vernunft einschalten!
Also heißt es jetzt Ruhe bewahren, Vernunft einschalten – und vorausschauend denken! Und wenn sich Schnäppchenkurse anbieten, kaufen. Aber entspannt und vorsichtig. Denn natürlich kann niemand das Tief genau vorhersagen. Aber wir können uns alle sicher sein, dass der DAX irgendwann wieder ein Allzeithoch erreichen wird. Und was wir aktuell erleben, ist schon wieder eine massive Übertreibung – nun eben nach unten, insbesondere angesichts der rasanten Geschwindigkeit, in der die Kurse gefallen sind.
Wir haben bereits Kaufkurse erreicht
Die Helaba berechnet für den Dax inzwischen ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von nur noch 10,2. Das ist deutlich weniger als der langjährige Mittelwert und sehr viel weniger als die 14,4 die der DAX noch am 7. Februar erreicht hatte (siehe „Zu früh aus den US-Märkten ausgestiegen?") - und erst recht weniger als die damaligen 18,8 des S&P 500.
Wenn ich seinerzeit von Neueinstiegen abgeraten habe, warum sollte ich dann jetzt nicht zu Schnäppchenkäufen raten?! Bin ich eventuell zu früh ausgestiegen, wie es der Titel der damaligen Börse-Intern andeutet? Möglicherweise. Könnte es sein, dass man jetzt zu früh einsteigt? Auch möglich. Aber selbst wenn ich 10 % unter dem Hoch ausgestiegen bin, so komme ich jetzt immerhin 20 % unter dem Ausstiegskurs in den DAX.
Nur selten trifft man exakt das Hoch bzw. das Tief
Ich werde es sehr genau beobachten, wenn die Märkte noch weiter fallen. Vielleicht kriegen wir noch günstigere Schnäppchenkurse. Ich würde mich freuen. In jedem Fall muss man in der aktuellen Zeit die Nerven behalten und angesichts möglicher Verluste entspannt bleiben. Sie sind vorrübergehend. Ich weiß, dass das nicht so leicht auszuhalten ist, wenn das Depot tiefrot ist oder wird, trotz eines bereits deutlich vergünstigten Einstiegs. Aber erfahrene Anleger haben schon oft erlebt, dass sich diese Strategie (teuer verkaufen, billig kaufen) am Ende auszahlt, auch wenn man nicht exakt das Hoch bzw. das Tief trifft.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)