US-Geldpolitik treibt an den Märkten groteske Blüten
Die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung in den USA fielen gestern ziemlich genau im Rahmen der Erwartungen aus. Die Schätzungen lagen im Durchschnitt bei 1 Mio., tatsächlich gemeldet wurden 1,006 Mio. Anträge, nach leicht revidierten 1,104 Mio. in der Woche zuvor.
Durch den aktuellen Rückgang der Erstanträge ist auch der 4-Wochen-Durchschnitt (grüne Linie in der Grafik) weiter gesunken. Doch die Lage am Arbeitsmarkt ist damit nach wie vor angespannt. Denn die absolute Zahl scheint sich bei rund 1 Mio. wöchentlicher Erstanträge einzupendeln und sie ist damit noch ca. vier Mal so hoch wie vor der Krise.
Stimmung der US-Verbraucher sinkt auf 6-Jahres-Tief
Ein Ergebnis dessen ist wohl, dass das Verbrauchervertrauen in den USA, gemessen am Conference Board Consumer Confidence Index, jüngst auf ein Niveau gefallen ist, welches zuletzt im Mai 2014 erreicht wurde. Das Barometer rutschte im August überraschend stark auf 84,8 Punkte, nach 91,7 Zählern im Vormonat. Experten hatten dagegen mit einem Anstieg auf 93,0 Zähler gerechnet.
Die Stimmung der US-Konsumenten, von deren Kauflaune die US-Wirtschaft zu mehr als 70 % abhängt, ist also jüngst auf einem 6-Jahres-Tief angekommen. Dabei haben die Verbraucher sowohl ihre derzeitige Lage aus auch die Zukunft schlechter eingeschätzt als im Vormonat.
US-Notenbank gestaltet das Inflationsziel flexibler
Doch durch die Liquiditätsschwemme der US-Notenbank spiegeln die Aktienmärkte in den USA dies nicht wider. Stattdessen haben sie ihre Rekordjagd fortgesetzt. Gestützt wurden sie dabei gestern von den mit Spannung erwarteten Aussagen des Chefs der US-Notenbank auf dem (Online-)Notenbanksymposium von Jackson Hole. Jerome Powell gab bekannt, die Fed wolle das „Inflation Targeting“ flexibel gestalten. Die Fed strebt ihr bisheriges Inflationsziel von 2 % künftig im Zeitverlauf nur noch durchschnittlich an.
Das bedeutet, dass die Geldpolitik auch dann noch expansiv und die Zinsen auch dann noch niedrig bleiben, wenn die Inflation in den USA das bisherige Ziel von rund 2 % überschreitet. Logisch, dass dies an den Märkten wieder zu steigenden Kursen führte.
Groteske Entwicklungen an der Nasdaq
An der Nasdaq in New York treibt das aber inzwischen groteske Blüten. So hat sich Tesla zum Beispiel aufgemacht, zum siebtwertvollsten Unternehmen der USA zu werden. Vor dem Hintergrund der Anzahl der von dem Elektro-Pionier verkauften Autos sowie der damit erzielten Umsätze und Gewinne ist dies einem vernünftigen Anleger kaum zu erklären.
Durch solche exzessiven Marktbewegungen ist der Technologieindex Nasdaq inzwischen so weit von seiner 200-Tage-Linie entfernt wie noch nie in seiner Geschichte. (Für den S&P 500 gilt dies ebenfalls.) Der Nasdaq 100 (siehe folgender Chart) hat seit dem März-Tief nun fast 77 % zugelegt. Bei ihm beträgt die Differenz zur 200-Tage-Linie (blau im folgenden Chart) dadurch aktuell 2.723 Punkte bzw. fast 30 %.
Allein seit dem Zwischentief vom 24. Juli hat der Index mehr als 16 % zugelegt binnen nur etwas mehr als einem Monat. Im Corona-Crash verlor der Index etwas weniger als 3.000 Punkte. Seitdem hat er 5.262 Punkte zugelegt. Das sind eigentlich unvorstellbare Kursbewegung in so kurzen Zeiträumen.
Man darf sich davon aber weiterhin nicht blenden lassen. Denn nach wie vor gilt, dass der Anstieg der US-Indizes nur von wenigen Aktien getragen wird und damit zu einer extremen Übertreibung und Schieflage führt.
Euro STOXX 50 läuft seit 3 Monaten seitwärts
Hierzulande sieht es etwas anders aus. Eigentlich ist der August einer der beiden schlechtesten Börsenmonate eines Jahres. Dennoch konnte auch der DAX in diesem Monat ordentlich zulegen, und zwar um bis zu stolze 7,4 %. Aber der deutsche Leitindex notiert nach wie vor unter seinem Juli-Hoch und damit weiterhin auch unter dem Hoch, welches im Februar vor dem Corona-Crash markiert wurde.
Und der Euro STOXX 50 (siehe folgender Chart) schneidet im Vergleich zu den US-Aktienmärkten sogar noch schlechter ab als der DAX. Dieser Index steht aktuell noch ganze 13,5 % unter seinem Vor-Krisen-Hoch. Und er notiert auch sowohl unter dem Hoch von Juli als auch unter dem Hoch von Anfang Juni. Damit waren hier quasi seit beinahe drei Monaten (!) keine Gewinne mehr drin, weil die Kurse in dieser Zeit nur seitwärts liefen (gelbes Rechteck). Dies bestätigt, dass die Rally der US-Märkte derzeit von Sonderfaktoren, nämlich nur wenigen gehypten Aktien getragen wird.
Immerhin zeichnet sich im Euro STOXX 50 mit der Kursentwicklung der vergangenen drei Monate neben der Seitwärtstendenz ein aufsteigendes Dreieck ab (grüne und rote Linie). Und da beide Chartmuster als bullishe Trendfortsetzungsformationen gelten, ist eigentlich mit einem baldigen Ausbruch nach oben zu rechnen, der sogar recht dynamisch erfolgen könnte.
Der September steht vor der Tür
Ob es allerdings dazu kommt, muss abgewartet werden. Denn nachdem der Börsenmonat August deutlich besser lief als im langjährigen Mittel, steht mit dem September nun gleich der zweite der beiden statistisch gesehen schlechtesten Börsenmonate vor der Türe.
Und wenn die US-Märkte dann vielleicht doch auch einmal in eine größere Korrektur gehen, wird sich der Euro STOXX 50 dem mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht entziehen können. Im schlimmsten Fall kommt es bis dahin sogar noch zu dem idealtypischen Ausbruch nach oben, der sich dann aber womöglich als hinterhältige Bullenfalle herausstellt.
Es gibt also gute Gründe, vorsichtig zu bleiben…
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)