Aktienmärkte, Anleger

Umschichtungen zum Jahresbeginn

Die aktuelle Situation der Aktienmärkte erinnert mich sehr stark an den Beginn des vergangenen Jahres. Denn auch damals standen die Aktienindizes auf Rekordniveaus. Und auch damals waren die Aktien im Durchschnitt sehr hoch bewertet. Anfang 2020 war die Wirtschaftsleistung allerdings noch nicht durch die Corona Pandemie gedämpft, weshalb die Aktienmärkte heute sogar noch höher bewertet sind. Und genau wie vor einem Jahr ignorieren die Anleger dennoch die immer dramatischeren Zahlen rund um das Coronavirus.

Hoffnungen auf ein Ende der Krise durch Impfstoffe

Nun ist die Situation von heute allerdings nicht 1:1 mit der von damals vergleichbar. Denn inzwischen weiß man wesentlich mehr über das Coronavirus. Und es sind bereits Impfstoffe zugelassen. Die Börsen blicken daher in die Zukunft, in der Hoffnung, dass sich bei einer durchgeimpften Bevölkerung das Leben wieder normalisiert.

Es bleiben Fragen offen

Doch ähnlich wie Anfang 2020 gibt es noch Ungewissheiten in Bezug auf die Pandemie. So ist zum Beispiel unklar, wie lange die Immunität nach einer Impfung anhält. Und es ist unklar, ob Geimpfte das Virus weiterverbreiten können. Zudem grassieren inzwischen Virus-Mutationen, von denen teilweise unklar ist, ob die aktuellen Impfstoffe auch gegen diese neuen Varianten wirken. Eigentlich mögen die Börsen derartige Unsicherheit nicht. Und somit gäbe es derzeit durchaus gute Gründe, sich vorsichtshalber aus einigen Aktienpositionen zu verabschieden.

Die Flut hebt alle Boote

Doch ein weiterer gravierender Unterschied zur Situation vor einem Jahr ist die zusätzliche Liquidität, die inzwischen zur Verfügung steht. Schließlich haben die Notenbanken binnen Jahresfrist Billionen an Dollars, Euros und sonstigen Währungen in die Märkte gepumpt. Und dieses Mehr an Liquidität führt natürlich zu einer etwas anderen Ausgangssituation. Wenn man es so ausdrücken will, steht der „Meeresspiegel“ deutlich höher als vor einem Jahr, was quasi alle „Boote“ etwas nach oben hebt.

Die Stimmung der Anleger kann jederzeit kippen

Dennoch sehe ich die Gefahr, dass die Stimmung der Anleger kippen kann und es zu ähnlichen Abverkäufen kommt, wie wir sie Anfang 2020 gesehen haben. Man kann aktuell sogar schon beobachten, dass einige Blasen platzen. Man muss sich nur die Kursentwicklungen einiger weniger Aktien anschauen, insbesondere an den US-Märkten, dann erkennt man, dass die Luft dort mit einem ziemlichen Druck entweicht und Anleger inzwischen binnen nur 2 Wochen plötzlich auf Kursverlusten von mehr als 60 % sitzen.

Vorgestern wurde ich zum Beispiel auf fuboTV und QuantumScape aufmerksam gemacht. Letztere ist von 125 auf unter 46 Dollar binnen weniger Tage abgestürzt und damit noch schneller eingebrochen, also sie zuvor nach oben geschossen war.

Und wenn ein solches Schicksal Börsenschwergewichten wie Tesla oder durchaus auch Apple blüht, dann könnte dies den Gesamtmarkt erheblich belasten, auch wenn bei Apple wohl keine Kursverluste von 60% drohen.

USA verschärfen erneut einen Handelskonflikt

Vorgestern hatte ich übrigens auch die nach wie vor schwelenden Handelsstreitigkeiten angesprochen.  Und hier hat sich gegenüber der Situation vor einem Jahr ebenfalls nicht viel verändert. Im Gegenteil:  In der Nacht zum gestrigen Mittwoch hat US-Präsident Donald Trump Transaktionen mit acht chinesischen Apps untersagt. Der scheidende Amtsinhaber unterzeichnete eine entsprechende Verordnung. Und natürlich sorgt dieser Schritt für weitere Spannungen in den Beziehungen zwischen den USA und China. Chinas Außenministerium kündigte bereits „notwendige Maßnahmen“ an, welche die legitimen Rechte der chinesischen Unternehmen gewährleisten sollen, ohne dabei konkret zu werden.

Nun könnte man natürlich annehmen, dass der Spuk in zwei Wochen vorbei ist, wenn die Machtübergabe an Joe Biden erfolgt ist. Doch dieser hat bereits durchblicken lassen, dass er vorerst wohl keine Entschärfung der Handelsstreitigkeiten mit China vornehmen wird. Zwar ist eine weitergehende Eskalation des Handelsstreits mit Joe Biden nicht zu erwarten, doch hat er auch gesagt, er wolle Verhandlungsspielräume nicht aus der Hand geben. Ohne Zugeständnisse Chinas wird es also auch unter einem Präsidenten Biden keine Entspannung im US-chinesischen Handelsstreit geben.

Hohes Korrekturpotential, geringes Kurspotential

Und so ist diese Belastung der Wirtschaft aktuell aus meiner Sicht auch nicht ausreichend an den Börsen eingepreist, da die Aktienindizes teilweise schon deutlich höher stehen als Anfang 2020, was insbesondere für die US-Märkte gilt.

Korrekturpotential ist also massig vorhanden, während das weitere Aufwärtspotenzial angesichts der fundamentalen Bewertung weitestgehend ausgereizt erscheint. Einzig und allein die Liquidität der Notenbanken ist derzeit noch ein Grund für weiter steigende Aktienkurse. Aber ob das reicht?

Demokraten winkt ein Sieg

Was man aktuell am Markt sehr gut beobachten kann, sind die vorgestern schon angesprochenen Umschichtungen. Denn der Nasdaq 100 notierte im Future-Handel mehr als 2 % im Minus, während der Dow Jones kaum Schwäche zeigte. Wobei man gestern auch den Eindruck gewinnen konnte, dass die Anleger dabei auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Denn plötzlich drehten die Aktienindizes wieder nach oben.

Diese Marktbewegungen können aber auch mit den Prognosen zur Senatswahl in Georgia zusammenhängen, wo sich aktuell ein Sieg für beide Demokraten abzeichnet. Es dürfte daher spannend sein, was passiert, wenn das Wahlergebnis eingepreist ist.

Aufwärtstrendbeschleunigung möglich

Der Dow Jones markierte jedenfalls gestern sogar ein neues Allzeithoch und konnte vom Tief am Montag schon beinahe 1.000 Punkte bzw. mehr als 3,1 % zulegen. Damit endeten nun schon zwei größere Abwärtskerzen mit einer langen Lunte (siehe grüne Pfeile im folgenden Chart).

Dow Jones - kurzfristige Chartanalyse

Auf eine Attacke der Bären folgte also jeweils ein starker Gegenangriff der Bullen, die damit letztlich das Zepter in der Hand behielten. Und mit dem gestrigen Kursanstieg ist nun sogar eine Beschleunigung des Aufwärtstrends möglich. Womöglich gelangen wir damit in eine finale Übertreibung, bevor das böse Erwachen folgt.

Dabei sollte man im Dow Jones die oberste Linie einer möglichen Trompetenformation (lila) im Auge behalten, die ein mögliches Ziel und zugleich Ende der aktuellen Aufwärtsbewegung sein könnte.

Dow Jones - langfristige Chartanalyse

Sollte der Dow Jones allerdings unter das Tief der Tageskerze vom Montag rutschen, würde ich Gewinne mitnehmen und womöglich sogar mit kleinen Positionen auf weiter fallende Kurse spekulieren.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading
Ihr
Sven Weisenhaus

 (Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 07.01.21 08:18 Uhr