Nach dem starken Anstieg steht der EUR/USD nun vor langfristigen Hürden
Vorgestern hatte ich geschrieben, dass laut bisherigen Umfragen Joe Biden den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump im November ablösen könnte. Das bestätigen nun die Ergebnisse einer weiteren Umfrage unter 4.430 US-Amerikanern, die zwischen dem 15. und 21. Juli durchgeführt wurde. Wie die Nachrichtenagentur Reuters und das Meinungsforschungsinstituts Ipsos dazu berichten, gaben 38 % der Befragten an, sie würden am 3. November dem Präsidenten ihre Stimme geben. 46 % haben sich für Biden ausgesprochen.
Natürlich sind solche Umfragen noch mit Vorsicht zu genießen. Denn bis November kann sich die Meinung gerade der unentschlossenen Wähler noch mehrfach ändern. Doch je näher wir der Wahl kommen, desto mehr werden Anleger auch auf solche Umfrageergebnisse blicken und sich dann dementsprechend für die Wahl positionieren.
Und anscheinend wird auch Donald Trump mittlerweile bewusst, dass er in der Wählergunst zurückgefallen ist und die Corona-Krise für seine Wiederwahl zu einem Problem werden könnte. Jedenfalls wurde die Wiederaufnahme seiner Corona-Pressekonferenzen von Kommentatoren als Versuch Trumps gewertet, der sinkenden Zustimmung entgegenzutreten. Auch weil er in der Einschätzung der Corona-Krise eine Kehrtwende hingelegt hat. „Es wird wahrscheinlich leider schlimmer werden, bevor es besser wird“, sagte Trump bei der jüngsten Pressekonferenz, der ersten dieser Art nach drei Monaten.
Am Devisenmarkt spiegeln sich die aktuellen Entwicklungen wider
Angesichts der Entwicklung der Neuinfektions- und Todeszahlen in den USA sollte diese Erkenntnis für die Marktteilnehmer eigentlich nicht neu sein. Womöglich erhält sie nun aber eine andere Brisanz, weil sie nun auch vom US-Präsidenten kommt. Jedenfalls zeichnet sich ab, dass die USA in der Bekämpfung der Krise und im Überwinden der wirtschaftlichen Wachstumsdelle hinter die Europäische Union bzw. die Eurozone zurückfallen könnte. Und dies spiegelt sich aktuell vor allem an den Devisenmärkten wider.
Der Euro legt derzeit immer stärker gegenüber dem US-Dollar zu. Das Hoch vom 9. März wurde inzwischen sehr dynamisch überwunden (siehe grüner Pfeil im folgenden Chart).
Stellt sich nun die Frage, wie weit der aktuelle Anstieg noch gehen kann, bevor er auf charttechnischen Widerstand trifft.
EUR/USD gelangt an langfristige Hürden
Um zu einer Antwort zu gelangen, muss man einen größeren Chartausschnitt betrachten. Im folgenden Chart sind Wochenkerzen und der Kursverlauf seit 2004 zu sehen.
Der Wechselkurs hat bereits einige Abwärtstrendlinien (dünn rot) überwunden. Die mehrmonatige Abwärtsbewegung, die seit dem Hoch vom Februar 2018 bei rund 1,25 USD lief, wurde damit klar beendet.
Doch der übergeordnete Abwärtstrend ist noch intakt. Und der EUR/USD steht nun kurz vor einem sehr wichtigen Widerstand: einer vom Hoch des Jahres 2008 ausgehenden Abwärtstrendlinie (dick rot). Diese verläuft derzeit bei 1,16536 USD. Der Wechselkurs hat also bis dahin noch etwa Luft nach oben, da er im heutigen Hoch erst bei rund 1,16 USD notierte.
Gleichzeitig erreicht der Kurs aber aktuell auch das Hoch vom Mai 2016, welches einen horizontalen Widerstand darstellt. Dieses liegt bei 1,16163 USD. Und da die Abwärtstrendlinie die horizontale Linie bald schneidet, bildet sich ein Kreuzwiderstand. Hier könnte die aktuelle Aufwärtsbewegung also zumindest in eine Pause gehen.
Der EUR/USD bekommt mächtige Unterstützung
Schaut man sich einen noch längeren Zeitausschnitt an, dann erkennt man auch, mit welcher Hilfe der Wechselkurs in diesem Jahr ein Tief markieren und die aktuelle Kurserholung einleiten konnte.
Denn die Bullen haben sich eine Aufwärtstrendlinie zunutze gemacht, welche die Tiefs der Jahre 2000, 2001 und 2016 verbindet.
EUR/USD keilt sich ein
Aktuell keilt sich der Kurs zwischen dieser Aufwärtslinie (dünn grün) und der wichtigen Abwärtslinie (dick rot) ein. Und daher ist dem EUR/USD bislang nur ein kurz- oder mittelfristiger Befreiungsschlag gelungen. Die kontinuierliche Abwärtsbewegung seit 2018 wurde eindeutig beendet. Doch ob sich nun der seit 2008 vorherrschende Abwärtstrend (dicke rote Linie) oder die seit 2000 bzw. sogar schon seit 1985 erkennbare Aufwärtstendenz durchsetzt, muss noch abgewartet werden.
Fazit: Diese Hürden müssen die Bullen überwinden
Damit mehr als ein kurz- oder mittelfristiger Befreiungsschlag und sogar eine Trendwende gelingt, muss der EUR/USD zunächst das Hoch vom Mai 2016 bei 1,16163, dann die Abwärtstrendlinie bei 1,16536 (dick rot) und letztlich die äußerste Abwärtstrendlinie (dünn rot im 2. Chart) bei ca. 1,1833 USD überwinden. Mit dem gestrigen Hoch bei rund 1,16 USD hat sich der Wechselkurs an diese Marken schon herangewagt. Nun wird es spannend, für welche Hürden der aktuelle Schwung noch reicht. Mein Rat lautet, Long-Trades nun zu reduzieren und größere Teilgewinne mitzunehmen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)