Moderate Kursgewinne können schnell verloren gehen
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat vorgestern beschlossen, den Leitzins erneut um 25 Basispunkte zu senken. Nach der dritten Zinssenkung in Folge liegt der Leitzins zukünftig im Korridor von 1,5 % bis 1,75 %. Damit wurden die mehrheitlichen Markterwartungen erfüllt.
Fed hat den Weg für eine Zinspause bereitet
In dem Statement zum aktuellen Zinsentscheid gab es lediglich eine Änderung, die allerdings eine hohe Relevanz für die kommenden Zinssitzungen hat. So wurde der Passus geändert bzw. gestrichen, wonach die Notenbank „entsprechend handeln will, um die wirtschaftliche Expansion aufrechtzuerhalten“ („will act as appropriate to sustain the expansion“). Stattdessen will die Fed nur noch die eingehenden Daten beobachten, um den angemessenen Zinspfad abzuschätzen. Dies ist ein klarer Hinweis auf eine Zinspause oder gar das mögliche Ende der Zinssenkungen.
Und dieser Eindruck wurde von Fed-Chef Jerome Powell auf der gestrigen Pressekonferenz bestätigt. Powell unterstrich noch einmal, dass die Leitzinsen lediglich als „Absicherung“ gesenkt wurden, um die US-Wirtschaft angesichts der Abwärtsrisiken stark zu halten. Die Risiken für den Ausblick, wie der Handelskonflikt oder der Brexit, hätten sich aber zuletzt in die richtige Richtung bewegt. Die Fed rechnet daher weiterhin mit einem moderaten Wirtschaftswachstum und einem verhaltenen Inflationsdruck. Powell hielt zwar die Tür für weitere Zinssenkungen offen, indem er wiederholte, dass man angemessen handeln werde, sollte sich der Ausblick verändern, es sei aber eine „wesentliche Neubewertung des Ausblicks“ notwendig, damit die Fed ihre Geldpolitik anpasst, so Powell. Und auch das war ein klarer Hinweis auf eine Zinspause.
Weitere Zinssenkungen sollte der Markt damit erst einmal nicht erwarten. Zinsanhebungen muss er allerdings auch nicht fürchten. Denn die Fed sieht derzeit kein Inflationsrisiko. Und sie will laut Powell erst einen signifikanten Anstieg der Preise sehen, bevor die Leitzinsen wieder angehoben werden.
Markterwartungen wurden erfüllt
Da dies alles von den Märkten auch so erwartet wurde, blieben die Kursreaktionen an den Börsen gering. Der EUR/USD konnte, wie vorgestern in der Börse-Intern beschrieben, nach dem Zinsentscheid und der erwarteten Zinssenkung weiter zulegen (siehe grüner Pfeil im Chart). Zwar wurde ein neues Bewegungshoch knapp verpasst (roter Pfeil), es scheint aber nur eine Frage der Zeit zu sein, bis dieses erreicht ist und damit ein klares Signal für die Fortsetzung der Trendwende gesendet wird.
Abgesehen davon dürfte die Zinssitzung nun für die Anleger schnell zum Non-Event werden. Der Blick kann sich daher wieder auf die Problemfelder richten, die nicht nur Fed-Chef Powell als „Risiken für den Ausblick“ sieht. Gemeint ist insbesondere der Handelskonflikt. Und hier gab es heute schlechte Neuigkeiten.
China zweifelt an einer Einigung im Handelsstreit
Zunächst wurde vorgestern der Asien-Pazifik-Gipfel in Chile wegen der dortigen schweren Proteste abgesagt. US-Präsident Donald Trump hatte eigentlich geplant, am Rande dieses Gipfels am 16. und 17. November mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping ein Teilabkommen („Phase 1“) zu unterzeichnen. China und die USA teilten allerdings mit, dennoch an dem Zeitplan für ihre Handelsgespräche festzuhalten. Soweit, so gut.
Doch gestern meldete Bloomberg, dass China Zweifel hat, unter dem US-Präsidenten Donald Trump eine langfristige Einigung mit den USA erzielen zu können. Die Aktienmärkte sackten daraufhin kurz zusammen. Zwar blieben die Verluste noch gering, doch ich sehe mich in meiner Ansicht bestärkt, dass es bislang kaum nennenswerte Fortschritte in den Verhandlungen gibt.
Zwar hat es von den Verhandlungsparteien zwischenzeitlich auch immer wieder positive Töne gegeben, doch auch dazu hatte ich schon geschrieben, dass dies auch in der Vergangenheit mehrfach so war, der Handelsstreit aber dennoch immer weiter eskaliert ist. Man darf die Parteien daher offenbar nicht an Worten, sondern ausschließlich an Taten messen. Und hier ist noch nichts Zählbares herausgekommen.
Angedrohte Zölle oder Zollanhebungen wurden zwar aufgehoben (oder vielleicht auch nur aufgeschoben), bereits beschlossene Zölle werden aber unverändert erhoben. Und entsprechend bleibt die Weltwirtschaft unverändert belastet. Laut einer Fed-Studie kosten die Zölle die Welt 850 Milliarden Dollar an Wirtschaftskraft - allein 200 Milliarden davon haben die USA zu tragen.
Moderate Kursgewinne gehen schnell verloren
Die aktuellen Kursgewinne an den Aktienmärkten scheinen vor diesem Hintergrund auf Sand gebaut. Im Target-Trend-Spezial hatte ich seit dem vergangenen Freitag daher bereits wiederholt gemahnt, dass der DAX derzeit offensichtlich dazu neigt, „nach nur kurzen bullishen Impulsbewegungen die überwiegende Zeit seitwärts zu tendieren“. Und weiter: „Dadurch reicht ein schwacher Tag aus, die Kursgewinne mehrerer Tage auszulöschen.“. Seit Freitag konnte der DAX nur noch um weniger als 100 Punkte zulegen. Und mit dem gestrigen Kursrutsch ist er auf das Niveau vom Mittwoch vergangener Woche zurückgefallen (siehe roter Pfeil im folgenden Chart). Die Warnung war also für kurzfristige Trader goldrichtig.
Nun sind solche kurzen Rücksetzer aber natürlich noch nicht dramatisch. Sie können genauso schnell wieder aufgeholt werden, was in intakten Aufwärtstrends, wie sie aktuell vorliegen, sogar wahrscheinlich ist.
Ohne Herbstkorrektur in die Jahresendrallye?
Ich fürchte nur, dass wir nicht ohne eine Herbstkorrektur in die Jahresendrallye gehen werden. Und daher rechne ich damit, dass es noch zu stärkeren Verkäufen kommt und damit weitere Gewinne verloren gehen werden. Letztlich erwarte ich dadurch auch, dass sich in den US-Indizes die Seitwärtskonsolidierungen fortsetzen, sich die aktuellen Ausbruchsversuche von S&P 500 und Nasdaq 100 als Fehlsignale herausstellen werden und sich die Saisonalität durchsetzt. Aber das bleibt abzuwarten. Aktuell sind die Chartbilder der Aktienindizes aber noch klar bullish.
Jedenfalls bleibe ich dabei, auf dem aktuellen Niveau nicht breit in den Aktienmarkt einzusteigen, sondern den derzeit klar bullishen Signalen nur sehr selektiv mit neuen Long-Positionen zu folgen und ansonsten lediglich an bestehenden Long-Positionen festzuhalten, bis deren nachgezogene Stopps im Rahmen einer eventuellen Herbstkorrektur ausgelöst werden.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)