Aktienmärkte, Anleger

Kursanstiege der Aktienindizes sind nicht ausreichend begründet

Die deutsche Wirtschaft stagnierte im 4. Quartal 2019. Dadurch ist eine technische Rezession, wie sie die Deutsche Bank für möglich gehalten hat, erst einmal erneut vom Tisch.

Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschland

Schon für das 3. Quartal 2019 war man von einem erneuten BIP-Rückgang ausgegangen. Zusammen mit dem Minus im 2. Quartal 2019 wäre es zu einer technischen Rezession gekommen. Doch die deutsche Wirtschaft überraschte mit einem Wachstum von 0,2 % im 3. Quartal. Eine technische Rezession konnte verhindert werden.

Und am Mittwoch dieser Woche  war in der Börse-Intern zu lesen, die Deutsche Bank gehe davon aus, dass die Wirtschaft in Deutschland durch die wirtschaftlichen Folgen der Virusausbreitung im 1. Quartal 2020 um 0,2 Prozentpunkte langsamer wächst und damit in eine technische Rezession geraten könnte. „Das würde übrigens heißen, dass die deutsche Wirtschaft auch im 4. Quartal 2019 geschrumpft ist“, schrieb ich. Dazu ist es nun aber nicht gekommen. Eine technische Rezession konnte also erneut verhindert werden. – Immerhin!

Der Handelsstreit lässt grüßen

Wie es genau dazu gekommen ist, wurde noch nicht bekannt, da Detaildaten erst am 25. Februar veröffentlicht werden. Bislang nur so viel: Die privaten und auch die staatlichen Konsumausgaben verloren zum Jahresende merklich an Dynamik. Auch in Ausrüstungen wurde deutlich weniger investiert. Und es wurde weniger exportiert als im Vorquartal. Lediglich die Bauinvestitionen und die Investitionen in sonstige Anlagen sowie die Importe legten zu. – Der Handelsstreit lässt grüßen.

Schaut man sich nun das BIP-Wachstum der vergangenen drei Quartale oder auch das magere Jahresplus von 0,6 % an, und nimmt man die aktuellen Einschätzungen für das 1. Quartal 2020 hinzu (Stichwort: Coronavirus), dann muss man sich schon wundern, wie es der DAX überhaupt auf ein neues Allzeithoch geschafft hat.  – Vielleicht wurde er nur durch die US-Indizes gezogen, deren Anstieg aber in diesem Ausmaß auch kaum gerechtfertigt ist (dazu weiter unten mehr).

Der Überbringer schlechter Nachrichten

Es tut mir leid, dass ich derzeit meist der Überbringer schlechter oder zumindest skeptischer Nachrichten bin (dass die deutsche Wirtschaft im Schlussquartal 2019 nicht geschrumpft ist, ist ja zumindest eine teilweise positive Nachricht), aber es ist nun einmal so, dass die wirtschaftliche Entwicklung nicht zur Kursentwicklung am Aktienmarkt passt. Ich würde auch lieber von hohen Wachstumsraten berichten, welche den Anstieg der Aktienmärkte untermauern, aber die Realität ist eben aktuell eine andere. Und darauf möchte ich Sie einfach nur hinweisen.

Wachstumstempo der Eurozone nahm auch ab

Dabei möchte ich noch hinzufügen, dass es der Wirtschaft der gesamten Eurozone nicht viel besser geht. Sie wuchs um 4. Quartal nur noch um 0,1 %. Immerhin wurde der Wert des Vorquartals von 0,2 % auf 0,3 % nach oben revidiert.

Bruttoinlandsprodukt (BIP) Eurozone

Dabei wäre ein konstanter Wert von 0,2 % für die letzten drei Quartals eher besser gewesen. Denn dann wäre das Wachstum gleich geblieben. So nahm das Wachstumstempo nun zum Jahresende ab. Und je länger das Coronavirus wütet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Eurozone der deutschen Wirtschaft in die Stagnation folgt. Übrigens war der vorgestrige Anstieg der Erkrankungen keine einmalige Sache. Die Behörden in Peking meldeten gestern mehr als 5.000 Neuinfektionen und 121 neue Todesfälle. Der Höhepunkt bei der Krankheitswelle ist also noch nicht erreicht. Keine besonders guten Aussichten für die Wirtschaft – und damit auch nicht für den Aktienmarkt.

Kaum bessere Daten aus den USA

Wenn Sie sich nun nach besseren Daten aus den USA sehnen, so muss ich Sie leider erneut enttäuschen. Keine Frage, das Wachstumstempo der US-Wirtschaft ist deutlich höher als hierzulande. Im 4. Quartal 2019 stieg das BIP der Vereinigten Staaten gegenüber dem Vorquartal um 0,5 % (nach ebenfalls +0,5 % im 3. Quartal 2019). Doch ist dies ausreichend für den aktuellen Kursanstieg der US-Indizes?

Schauen wir uns auch die Gewinnentwicklung der Unternehmen an, die ja hauptsächlich verantwortlich für die Aktienkurse ist. Am 19. Dezember 2019 hatte ich unter der Überschrift „Rekordgewinne in 2020 – Ist das hohe KGV des S&P 500 angemessen?“ berichtet, dass laut den damaligen Markterwartungen die Gewinne der Unternehmen aus dem S&P 500 im 4. Quartal 2019 insgesamt nur um 0,3 % gegenüber dem Vorjahr wachsen sollten. Wie erwartet und bereits berichtet, haben rund 70 % der Unternehmen diese Erwartung geschlagen. Doch das tatsächliche Gewinnwachstum liegt, nachdem 64 % der Bilanzen veröffentlicht wurden, mit 0,7 % nur geringfügig über den Schätzungen vom 19. Dezember.

S&P 500: Gewinnwachstum im 4. Quartal 2019

Insgesamt werden die Gewinne im Jahr 2019 damit um 0,6 % im Vergleich zum Vorjahr gewachsen sein. – Ist dies ausreichend für den aktuellen Kursanstieg der US-Indizes?

S&P 500: Gewinnwachstum im Gesamtjahr 2019

OK, wir reden hier über die Vergangenheit. Vielleicht steigen die Gewinne in 2020 ja so stark, dass die Aktien davon getrieben wurden. Im Dezember 2019 lagen die Erwartungen für das laufende Jahr bei +9,68 %. Hat sich hieran etwas gravierend verbessert? Nein, im Gegenteil: Die aktuellen Schätzungen liegen jetzt bei nur noch 8,3 %.

S&P 500: Gewinnerwartungen zum Gesamtjahr 2020

Und diese Schätzungen werden wohl, wie üblich, im weiteren Verlauf des Jahres noch weiter sinken, damit sie dann am Ende wieder leicht übertroffen werden können. – Doch ist dies ausreichend für den aktuellen Kursanstieg der US-Indizes?

Für das 1. Quartal 2020 liegen die Erwartungen übrigens beim Umsatz aktuell bei +4,6 % und beim Gewinn (siehe folgende Grafik) nur bei +2,5 %.

S&P 500: Gewinnerwartungen zum Quartal 2020

Das reicht definitiv nicht, um die aktuellen Kursgewinne der US-Indizes zu begründen.

Auf eine Zinssenkung der US-Notenbank hoffen?

Wenn Sie jetzt noch, quasi als letzter Rettungsanker, auf Zinssenkungen der US-Notenbank hoffen, dann verweise ich auf die vorgestrigen Daten zur Inflation in den USA.

Inflation in den USA

Demnach sind die Verbraucherpreise im Januar auf Jahressicht mit +2,5 % so stark gestiegen wie seit Oktober 2018 nicht mehr. Da das Ziel der Federal Reserve von 2 % damit deutlich übertroffen wurde, sind weitere Zinssenkungen aktuell kaum zu begründen. Zumal auch die Kerninflation mit 2,3 % zum vierten Mal in Folge über dem Fed-Ziel lag.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus

 (Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 15.02.20 10:28 Uhr