Inflation sinkt, Gold vermasselt den bullishen Ausbruch
Gestern wurden in den USA wieder einige Wirtschaftsdaten veröffentlichen. Sie fielen erschreckend aus. Nun überrascht dies kaum mehr, es sind ja nicht die ersten Daten mit Negativ-Rekord. Doch die Relation hat mich erschrocken und staunen lassen.
Weniger Konsum, mehr Sparen
Für einen Vergleich möchte ich kurz an die Börse-Intern vom 21. April erinnern. Damals hatte ich geschrieben, dass die Wirtschaft längere Zeit brauchen wird, um auf ihr Vorkrisen-Niveau zurückzukehren, weil die Menschen auf absehbare Zeit weniger konsumieren und mehr sparen werden. „Die DZ Bank geht davon aus, dass die Sparquote in Deutschland in diesem Jahr voraussichtlich auf 12,5 % ansteigen wird, von 10,9 % in 2019“, hieß es dazu. Und weiter: „Und aufgrund der Einkommenseinbußen in Verbindung mit der erhöhten Sparneigung wird der Konsum schrumpfen, in Deutschland womöglich um 2,8 %, was laut DZ Bank der stärkste Einbruch seit der Wiedervereinigung wäre.“ – Noch einmal die Zahlen in Kürze: Sparquote 12,5 %, Konsumrückgang 2,8 %.
Und nun zu den aktuellen Zahlen aus den USA: Dort ist der Konsum (persönliche Ausgaben) im April um 13,6 % gegenüber dem Vormonat eingebrochen, wie das US-Handelsministerium heute mitteilte. Ein größeres Minus hat es seit Beginn der Statistik 1959 noch nicht gegeben.
Im März waren es bereits 6,9 % weniger Ausgaben der Verbraucher. Grund dafür ist die Massenarbeitslosigkeit, verursacht durch die Ausbreitung des Coronavirus und die beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Für die USA ist dies besonders dramatisch, weil der Konsum mehr als zwei Drittel des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausmacht. Es wird daher erwartet, dass das BIP im 2. Quartal 2020 um bis zu 40 % sinken wird.
Statt das Geld in die Läden zu bringen, horten es die Menschen auf ihren Konten. In den USA stieg die Sparquote im April laut Medienberichten auf 33,0 %, nachdem sie im März noch bei 12,7 % gelegen hatte. – Noch einmal die Zahlen in Kürze: Sparquote 33,0 %, Konsumrückgang 13,6 %.
Verändertes Verhalten belastet die Erholung dauerhaft
Nun muss ich allerdings einräumen, dass die Zahlen für Deutschland Jahreswerte sind und die aktuellen Zahlen aus den USA die Veränderung zum Vormonat darstellen. Das ändert aber nichts daran, dass die Daten dramatisch sind und sie meine Befürchtungen bestätigen. Wir werden ähnliche Zahlen auch hierzulande bekommen. Und ich gehe davon aus, dass die Menschen nicht schon in zwei Monaten wieder ihr Verhalten ändern, sondern dass die veränderte Konsum- und Sparneigung noch eine Weile anhalten wird. Eine schnelle V-förmige Erholung ist damit weiterhin unwahrscheinlich – und die aktuelle Kurserholung der Aktienindizes somit eine klare Übertreibung. Die Hoffnung der Anleger auf eine schnelle Konjunkturerholung, die neben der Liquiditätsflut hinter dem Kursanstieg steht, wird sich nicht erfüllen.
Sinkender Konsum führt zu niedriger Inflation
Ebenso wenig wird sich die Hoffnung der Goldanleger auf ein Anziehen der Inflation aufgrund der Liquiditätsflut erfüllen – zumindest nicht auf absehbare Zeit. Stattdessen ist die jährliche Inflation in der Eurozone nach einer ersten Schätzung von Eurostat im Mai sogar auf nur noch 0,1 % gesunken, nach schon nur 0,3 % im April.
Hauptgrund dafür sind die eingebrochenen Ölpreise, wodurch sich Energie um 12 % im Vergleich zum Vorjahr verbilligt hat.
Da solche volatilen Preise aus der Kerninflation herausgerechnet werden, blieb diese mit 0,9 % stabil. Doch auch sie liegt weit entfernt vom Ziel der Europäischen Zentralbank von 2 %.
Eine Flucht in Gold ist noch nicht nötig
Und ein Grund, um nun aus Furcht vor einer anziehenden Inflation in Gold zu flüchten, ist diese Entwicklung sicherlich (noch) nicht. Der Tiefpunkt der Inflation dürfte zwar nun erreicht sein, auch weil die Ölpreise wieder angezogen haben, doch mit stark steigenden Preisen ist aufgrund der oben genannten Zahlen in Sachen Konsum und Sparen nicht zu rechnen.
Gold vermasselt den bullishen Ausbruch
Ganz ähnlich hatte ich auch am 12. Mai argumentiert – siehe „Darum ist der Goldpreis mit Skepsis zu betrachten“. Und so muss es jetzt auch nicht verwundern, dass der Goldpreis nach seinem bullishen Ausbruch aus der Wimpel-Formation (siehe blaue Linien im folgenden Chart und Börse-Intern vom 20. Mai) nicht weiter zulegen konnte, sondern in die Formation zurückgefallen ist und damit das bullishe Signal neutralisiert wurde (roter Kreis).
Das ist nun charttechnisch noch nicht kritisch zu werten. Ein Angriff auf das Hoch von 2011 bei rund 1.900 USD ist weiterhin möglich. Denn es wurde lediglich ein bullishes Signal neutralisiert, aber noch kein bearishes gesendet. Die Bullen können sich also schnell zurück ins Spiel bringen. Ein bearishes Signal entsteht erst, wenn das Tief der Wimpel-Formation vom 21. April bei 1.661 USD unterschritten wird. Dann sollte man vorsichtig werden. Long-Positionen könnte man also weiterhin in diesem Bereich per Stop-Loss absichern.
Zudem gilt unverändert: „Und wenn der Goldpreis auf unter 1.532,80 USD nachgeben sollte, sehe ich den Aufwärtstrend als stark gefährdet an. Dann erwarte ich wieder eher eine große Seitwärtstendenz des Edelmetalls oder langfristig nur moderat steigende Preise bei mittelfristig größeren Kursschwankungen.“
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)