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EZB hält Leitzinsen länger niedrig

Überraschung beim gestrigen EZB-Zinsentscheid! Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihr Niedrigzinsversprechen um ein halbes Jahr verlängert. Die Leitzinsen sollen nun noch bis über das erste Halbjahr 2020 auf dem aktuellen Niveau gehalten werden. Bislang galt dies „nur“ bis zum Ende des laufenden Jahres. Es ist nach der Notenbanksitzung vom März bereits das zweite Mal, dass die Aussicht auf steigende Zinsen zeitlich nach hinten verschoben wird.

Reaktion auf niedrigste Inflation seit April 2018

Ein Hauptgrund für diese Entscheidung dürfte die niedrige Inflation sein. Diese betrug nach einer ersten Schnellschätzung vom vergangenen Dienstag im Mai nur noch 1,2 %, nach noch 1,7 % im April. Und sie fiel damit auf den niedrigsten Wert seit April 2018 zurück. Die Kernteuerung fiel mit 0,8 % auf den März-Wert zurück, der ebenfalls das niedrigste Niveau seit April 2018 darstellte.

Entwicklung der Inflation in der Eurozone

Da verwundert es auch nicht, dass die Volkswirte der EZB die Projektionen für die Inflation für das Jahr 2020 zurückgenommen haben, von bisher 1,5 % auf nun 1,4 %. Die Prognose für das laufende Jahr hoben sie allerdings von 1,2 % auf 1,3 % an.

EZB hält Rezession für wenig wahrscheinlich

Immerhin entwickelte sich aber die Wirtschaft in der Eurozone zuletzt stabil. So ist die Arbeitslosigkeit im April auf das niedrigste Niveau seit August 2008 zurückgegangen, also auf das Niveau vor der Finanzkrise.

Entwicklung der Arbeitslosenquote
(Quelle: Eurostat)

Und beim Blick auf die vorgestrige Veröffentlichung zum Gesamt-Einkaufsmanagerindex (Composite PMI) für die Eurozone im Mai stellt man fest, dass es mit 51,8 Punkten nicht zu einer erneuten Stimmungsverschlechterung gekommen ist (April: 51,5). Stattdessen zeichnet sich mit einem 5-Monats-Hoch vielmehr eine Stabilisierung auf ermäßigtem Niveau bzw. inzwischen sogar eine leichte Aufwärtstendenz seit dem Januar-Tief ab.

IHS Markit-Einkaufsmanagerindex der Gesamtwirtschaft in der Eurozone

Im historischen Kontext ist das Niveau des aktuellen Umfrageergebnisses aber lediglich im Einklang zu bringen mit einem BIP-Wachstum von 0,2 % zum Vorquartal. Die höhere Wachstumsdynamik des 1. Quartals 2019 dürfte also nur vorrübergehender Natur gewesen sein.

Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Eurozone

EZB-Chef Mario Draghi verwies dazu in der gestrigen Pressekonferenz auf die globalen Entwicklungen, also auf die Handelsstreitigkeiten. Auch dies wird ein Grund für die gestrigen Entscheidungen des EZB-Rates gewesen sein. Zumal die EZB-Volkswirte auch beim Wachstum für 2020, genau wie bei der Inflation, etwas pessimistischer geworden sind. So soll das BIP-Wachstum nun bei 1,4 % liegen, statt bisher 1,6 %.

Vorteile für Banken mit hoher Nettokreditvergabe

Zudem gab die EZB weitere Details zu der bereits zuvor beschlossenen neuen Serie vierteljährlicher gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) bekannt. Banken mit höherer Nettokreditvergabe profitieren von niedrigeren Zinssätzen. So soll die Kreditvergabe attraktiver gemacht und damit angekurbelt werden, um die Wirtschaft und damit auch die Inflation weiter anzutreiben.

Fazit

Die Inflation in der Eurozone ist moderat, ebenso wie das Wirtschaftswachstum. Die EZB beschließt daher in kleinen Schritten immer wieder neue Maßnahmen, um stützend oder treibend in den Markt einzugreifen. Über den Erfolg dieser Maßnahmen lässt sich streiten. Das Ziel der EZB, eine Inflationsrate von nahe 2 % zu erreichen, haben sie jedenfalls bislang verfehlt.

Das wird wohl auf absehbare Zeit auch für die gestern beschlossenen Maßnahmen gelten, die aber auch eher kosmetischer Natur scheinen. Denn die meisten Analysten hatten vor Mitte 2020 sowieso nicht mit einer Zinsanhebung gerechnet. Und die TLTROs waren bereits beschlossene Sache. Daher blieben Kursreaktionen an den Börsen gestern auch gering.

Die laufenden Trends werden derzeit lediglich fortgesetzt: Der Aktienmarkt führt seine (moderate) Konsolidierung nach der vorangegangenen Kursrally fort, Staatsanleihen insbesondere aus den USA und Deutschland bleiben gefragt und die zuletzt stärker gesunkenen Anleihenrenditen damit schwach, die Ölpreise tendieren abwärts und der Goldpreis aufwärts. In das Bild einer schwächelnden Wirtschaft, das die Märkte mit ihren Kursentwicklungen längst zeichnen, fügen sich die aktuellen Maßnahmen der EZB einfach nur ein. Die EZB-Sitzung kann man somit schnell abhaken.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage

Ihr
Sven Weisenhaus

 (Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 07.06.19 10:18 Uhr