Die Notenbanken werden es schon richten!?
Das Umdenken der Anleger scheint bereits wieder beendet. Lange Zeit ignorierten die Anleger die schwachen Konjunkturdaten, weil diese die Chancen auf Zinssenkungen erhöhten. Doch am vergangenen Dienstag schien dann mit dem schwachen ISM-Index das Fass übergelaufen zu sein, so dass sich die Konjunktursorgen doch in fallenden Kursen manifestierten.
Schwache US-Daten lassen den Dow Jones beben
Dies wurde vorgestern zunächst auch noch einmal bestätigt. Denn nachdem der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe in den USA mit 47,8 Punkten bereits tiefer unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten gefallen war, nähert sich auch der ISM-Index für das Dienstleitungsgewerbe dieser Marke. Er sank auf nur noch 52,6 Zähler, während Experten nur einen Rückgang auf 55,0 erwartet hatten. Zudem wurde bekannt, dass die US-Industrie im August 0,1 % weniger Aufträge als im Vormonat eingesammelt hat.
In der Folge gaben die Aktienmärkte noch einmal deutlich nach. Der Dow Jones (siehe folgender Chart) brach zum Beispiel binnen weniger Minuten um rund 300 Punkte ein. Doch fast genauso schnell, wie die Kurse gefallen waren, erholten sie sich anschließend auch wieder.
Und auch der gestrige US-Arbeitsmarktbericht, der unter den Erwartungen ausfiel, versetzte die Anleger eher in Kauflaune (siehe grüne Ellipse). Zwar gab die Arbeitslosenquote von 3,7 % auf 3,5 % nach und markierte damit sogar ein neues zyklisches Tief (zudem: niedrigstes Niveau seit 1969)...
…, doch blieb der Stellenaufbau (außerhalb der Landwirtschaft) mit 136.000 unter der durchschnittlichen Prognose von 145.000.
Nun kann man dem Stellenmarkt noch zu Gute halten, dass die Werte der beiden Vormonate um insgesamt 45.000 Stellen nach oben revidiert wurden. Doch dafür blieben die Durchschnittseinkommen gegenüber dem Vormonat unverändert. Und das ist ein schlechtes Signal für die Inflationsentwicklung. Denn wenn die Löhne nicht steigen, nimmt auch der Konsum weniger stark zu. Und das mindert wiederum den Spielraum für Preiserhöhungen, was der US-Notenbank Fed wiederrum Spielraum für weitere Leitzinssenkungen bietet.
Die Anleger werten daher mit Blick auf den jüngsten Kursverlauf der Aktienmärkte die Chancen auf weiter sinkende Leitzinsen bereits nach nur zwei Tagen wieder höher als die Gefahr weiter sinkender Unternehmensgewinne.
Handelsstreit rückt in den Hintergrund
Dabei rückt auch die neuerliche Eskalation im Handelsstreit der USA gegen den Rest der Welt völlig in den Hintergrund. Am Mittwoch entschied die Welthandelsorganisation WTO im Streit über Subventionen für den europäischen Flugzeugbauer Airbus, dass die USA Waren aus der Europäischen Union (EU) im Wert von 7,5 Milliarden Dollar mit Strafzöllen belegen darf. Prompt kündigte die US-Regierung entsprechende Strafzölle auf EU-Importe an.
Die Einfuhr von Flugzeugen solle um 10 % verteuert werden. Agrar- und Industriegüter aus der EU würden in den USA künftig mit einem Zoll von 25 % belegt. Den Angaben des US-Handelsbeauftragten zufolge sollen die neuen Zölle ab dem 18. Oktober greifen. Das Volumen der Strafzölle wurde zunächst nicht bekannt.
US-Strafzölle wirken wie eine Provokation
Nun wurde die USA zwar rechtlich legitimiert, diese Zölle zu erheben, und zwar so lange, bis die unterlegene Partei – also die EU – die beanstandeten Handelsverzerrungen beseitigt hat, doch die US-Regierung ist selbst nicht unschuldig. Denn die USA und Europa streiten bereits seit 15 Jahren über milliardenschwere staatliche Hilfen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing, die die WTO jeweils für unzulässig erklärt hat. Daher hat die EU vor der WTO auch Strafzölle gegen die USA von rund zehn Milliarden Dollar gefordert. Eine WTO-Entscheidung darüber wird allerdings frühestens Anfang 2020 erwartet.
Zudem sagt die EU, dass sie die beanstandeten Handelsverzerrungen längst beseitigt hat und die Grundlage für die aktuellen US-Strafzölle damit bereits nicht mehr besteht. Ein entsprechender Antrag der EU wird von der WTO geprüft. Zwar lässt auch diese Entscheidung noch auf sich warten, dennoch erscheint die Entscheidung der USA, Strafzölle zu erheben, vor diesem Hintergrund wie eine Provokation.
Die EU-Kommission reagierte dennoch recht diplomatisch und bot Gespräche an, warnte allerdings auch, dass die US-Zölle kurzsichtig und kontraproduktiv seien und Gegenmaßnahmen ergriffen würden. Diese sollen zwar laut den Aussagen von EU-Vertretern erst erfolgen, sobald die ausstehende Entscheidung der WTO fällt, doch gäbe es auch bereits eine rechtliche Grundlage für sofortige Gegenzölle. Denn die EU hat in der Vergangenheit gegen die USA bereits WTO-Verfahren gewonnen, die jedoch nicht in Strafzölle umgesetzt wurden.
Die Weltwirtschaft nimmt immer größeren Schaden
Dieses Konfliktpotential sollte die Märkte eigentlich verunsichern. Doch der überwiegende Teil der Anleger setzt aktuell bereits wieder auf Zinssenkungsfantasien und kauft fröhlich weiter Aktien, während die Weltwirtschaft immer größeren Schaden nimmt. Der Welthandel ist bereits rückläufig, wie die folgende Grafik der Helaba zeigt.
Und dabei herrschen die Probleme längst nicht mehr nur in der Industrie. Wie der ISM-Index für das Dienstleistungsgewerbe der USA oben zeigt, herrscht dort eine zunehmende Ansteckungsgefahr.
Diese hatte ich auch bereits für die Wirtschaft in Deutschland „diagnostiziert“. Auch hier hat sich der Einkaufsmanagerindex für den Service-Sektor weiter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten genähert. Er gab im September deutlich nach – um 3,4 auf nur noch 51,4 Punkte. Das Barometer signalisiert damit zwar noch immer Wachstum, genau wie in den USA, es fiel aber auf den tiefsten Stand seit drei Jahren.
Rechteckgrenze bietet dem DAX Unterstützung
Trotzdem zeigt auch der DAX gestern eine Gegenbewegung. Zuvor hat er im Tief exakt die Rechteckgrenze bei 11.880 Punkten getestet und verteidigt (siehe grüner Pfeil im folgenden 5-Minuten-Chart). Diese Unterstützung hat damit, wie am Mittwoch beschrieben, Schlimmeres verhindert – nämlich den Rückfall in den Bereich der SKS-artigen Formation.
Doch eine Gegenbewegung war nach den zuvor starken Kursverlusten zu erwarten. Und da war die Rechteckgrenze ganz im Sinne der Target-Trend-Methode prädestiniert, dem DAX diese zu ermöglichen. Nun wird es vom Ausmaß dieser Gegenbewegung abhängen, wie ernst man den Kursrutsch nehmen muss. Fällt sie kurz aus und geben die Kurse schnell wieder in Richtung Rechteckgrenze nach, dürfte sich ein Rückfall in den Bereich der SKS-ähnlichen Formation, wie von mir erwartet, nicht mehr lange verhindern lassen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)