Der Kursrutsch, der Hintergrund, und wie es nun weiter geht
Inzwischen herrscht bei Experten und Medien weitgehend Einigkeit darüber, dass der Kurssturz an den Aktienmärkten durch die zunehmenden Sorgen über stark steigende Zinsen ausgelöst wurde. Diese wurden wiederum durch den US-Arbeitsmarktbericht vom 2. Februar verursacht, da laut diesem die Löhne im Januar so stark angestiegen sind wie seit Mitte 2009 nicht mehr. Zudem stieg die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen in der Nacht auf Montag vergangener Woche auf den höchsten Stand seit Januar 2014.
Leicht nachvollziehbar ist nicht immer auch richtig
Es war aber bereits abzusehen, dass irgendein Grund für die Kursverluste gefunden werden musste (siehe auch Börse-Intern vom 6. Februar). Zumal es von der Logik her passt, dass steigende Löhne zu höherer Inflation führen, und die Fed deshalb die Zinsen weiter erhöhen wird. Diese Theorie wirkt leicht nachvollziehbar und erscheint im Zusammenhang mit dem Kursrutsch durchaus plausibel, vor allem im Hintergrund der zeitlichen Abfolge der Ereignisse.
Es lag nicht am Arbeitsmarktbericht
Geht man hingegen genauer auf die Details ein, findet man zumindest Risse in der Theorie der Experten und Medien. Veröffentlicht wurde der US-Arbeitsmarktbericht für Januar am Freitag, den 2. Februar, um 14:30 Uhr. Laut diesem kam es zu einem Beschäftigungsaufbau von 200.000 Stellen, einer Stagnation der Arbeitslosenquote bei 4,1 % und einem monatlichen Anstieg bei den durchschnittlichen Stundenlöhnen um 0,3 %. Diese Ergebnisse waren aber nur leicht über den Erwartungen und boten somit keinen Grund für stark fallende Aktienkurse.
Zwar zog die Jahresveränderungsrate der Stundenlöhne überraschend deutlich auf 2,9 % an (siehe auch folgende Grafik). Dies scheint aber eher das Ergebnis von Revisionen und wahrscheinlich witterungsbedingten Effekten zu sein. Denn es kam im Januar zu einem deutlichen Rückgang der Wochenarbeitszeit, was bei fixen Monatsgehältern zu einem Anstieg der Löhne pro Stunde sorgt. So oder so erwartete man angesichts der Knappheit am US-Arbeitsmarkt sowieso schon längst eine steigende Lohndynamik. Schließlich zeigt die Tendenz schon seit Ende 2012 nach oben (siehe Grafik).
Die steigenden Stundenlöhne sind also nichts Neues. Es ist vollkommen normal, dass eine erhöhte Auslastung am Arbeitsmarkt mit einer gewissen Zeitverzögerung für einen anziehenden Lohndruck sorgt. Deshalb ist es sehr fragwürdig, dass der US-Arbeitsmarktbericht für Überraschungen oder gar eine panikartige Flucht aus dem Aktienmarkt verantwortlich sein soll.
Wirft man zudem einen genauen Blick auf den Kursverlauf des Dow Jones (siehe folgender Chart), sieht man schnell, dass die Abwärtstendenz bereits mit Beginn des 29. Januars ihren Anfang nahm. Die Veröffentlichung des US-Arbeitsmarktberichts (roter Pfeil) goss lediglich noch etwas Öl ins Feuer. Aber erst nachmittags ab 16:45 Uhr am folgenden Montag bildete sich ein echter Verkaufsdruck, der ab 20 Uhr zu panikartigen Verkäufen überging.
So brachte der Zinsanstieg die Wende an den Aktienmärkten ins Rollen
Aber nicht nur die steigenden Löhne, sondern auch der Anstieg der Zinsen sind nichts Neues. Schon Anfang Juli 2016 sahen wir das Zinstief bei den 10-jährigen Staatsanleihen und schon seit September klettern die Renditen nach zwischenzeitlicher Konsolidierung wieder nach oben. Seit Anfang Januar 2018 tun sie dies sogar mit deutlich stärker Zugkraft.
Eine Besonderheit ist hier aber zu erwähnen. Denn am 29. Januar wurde das Zinsniveau von Dezember 2016 bzw. März 2017 nachhaltig überwunden (siehe folgender Chart). Damit setzte sich der Zinsanstieg fort und nahm weiter Fahrt auf.
Zum selben Zeitpunkt, an dem die Renditen von 10-jährigen US-Staatsanleihen auf ein neues Zwischenhoch ausgebrochen waren, erreichte auch der Dow Jones am 29. Januar sein Hoch (siehe Chart oben). Daraufhin erhöhten sich die Zinsen weiter, während die Aktienkurse mit zunehmender Dynamik abrutschten. Entsprechend liegt der Zusammenhang auf der Hand, dass steigende Zinsen zu einer Belastung für den Aktienmarkt wurden.
Der berühmte letzte Tropfen
Auf diese Gefahr wies ich bereits im vergangenen Jahr hin. Seitdem veränderte sich an der fundamentalen Entwicklung eigentlich nichts. Man kann also in diesem Fall womöglich vom berühmten letzten Tropfen sprechen, der das Fass zum Überlaufen und so schlagartig den Börsianern eine neue Sichtweise brachte.
Diese hatte eine ganz simple und logische Entwicklung ausgelöst: Nach den steilen Kursanstiegen in den Tagen und Wochen zuvor gab es nun Gewinnmitnahmen an den Aktienmärkten, die wiederum immer mehr Verkäufer auf den Plan riefen. Zum Schluss verselbständigte sich die Abwärtsbewegung durch Stopps und Computerprogramme
Aktienmärkte bleiben auf lange Sicht belastet
Und so könnte es sein, dass die nun etablierten markanten Hochs das vorläufige Ende der Aufwärtstrends an den (US-)Aktienmärkten bilden. Es bleibt zwar dabei, dass die konjunkturellen Aussichten zumindest für die kommenden drei bis sechs Monate nach wie vor sehr gut sind. Jedoch wird der anhaltende Konjunkturaufschwung auch die Löhne- und Zinsen weiter steigen lassen und so die Aktienmärkte weiterhin belasten.
Eine große Seitwärtsbewegung könnte auf uns zukommen
Ich rechne daher mit einer großen Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau bei DAX, Dow Jones & Co. für die kommenden Wochen und Monate. Schließlich sorgen steigende Unternehmensgewinne für die anhaltende Attraktivität von Aktien. Jedoch wird auch die Anziehungskraft der Anleihemärkte durch die weiter steigenden Zinsniveaus zunehmend Investoren anlocken. Diese werden dann ihre relativ spekulativen Positionen am Aktienmarkt zumindest teilweise abstoßen, um das freiwerdende Kapital in die sichereren Anleihenmärkte fließen zu lassen.
In welcher Handelsspanne die erwartete Seitwärtsbewegung verlaufen wird, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Doch die aktuellen Tiefs könnten bereits das untere Ende vorgeben. Es ist aber damit zu rechnen, dass die Bären nach einer (aktuell bereits laufenden) Kursberuhigung zu einem zweiten Schlag ansetzen werden.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)