Corona-Krise führt zu weniger Konsum und höherer Sparquote
An der Börse wird die Zukunft gehandelt. Dennoch haben vorgestern viele Marktkommentatoren ihren Fokus nicht auf die Frühindikatoren gelegt, sondern hervorgehoben, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 3. Quartal 2020 stärker gewachsen ist als zunächst angenommen (+8,5 % statt +8,2 %).
Dies ist durchaus verständlich, weil gerade bei Konsumenten der Mainstream-Medien das BIP deutlich bekannter sein dürfte als ein ifo-Geschäftsklima- oder ein Einkaufsmanagerindex. Und sicherlich ist ein höheres BIP-Wachstum auch eine positive Meldung, welche die Stimmung der Anleger heben kann. Aber damit auch das vorgestrige Plus im DAX zu begründen, ist aus meiner Sicht wenig plausibel, weil sich die BIP-Daten auf einen Zeitraum beziehen, der bereits vor fast 2 Monaten endete. Das Interesse der Anleger an solchen „veralteten“ Zahlen ist daher gewöhnlich eher gering.
Es fehlen noch 4 % bis zum Vor-Krisen-Niveau
Ich möchte deshalb den Fokus eher auf eine Sichtweise richten, die bei der Berichterstattung über die BIP-Daten meiner Meinung nach etwas zu kurz kam, obwohl sie durchaus interessant ist und stärker beachtet werden sollte. So lag die gesamte Wirtschaftsleistung Deutschlands im 3. Quartal 2020 trotz der starken Erholung noch um 4 % niedriger als im Vorjahresquartal und im 4. Quartal 2019, dem Quartal vor der globalen Corona-Krise.
Wir haben es also nach wie vor nicht mit einer vollständigen V-förmigen Erholung zu tun. Und daher passt es sehr gut, dass der DAX aktuell auch noch um fast 4 % (und damit genauso weit wie das BIP) unter dem Vor-Krisen-Niveau steht. So schrieb ich am vergangenen Donnerstag zur Kurs- und Gewinnentwicklung des S&P 500: „Es passt also eigentlich ziemlich viel ziemlich gut zusammen.“ Und dieser Satz trifft offenbar auch beim Vergleich des DAX und des deutschen BIPs zu.
Höhere Sparquote führt zu weniger Konsum
Ein Grund dafür, dass der DAX und das BIP noch nicht wieder das Vor-Krisen-Niveau erreicht haben, ist weiterhin die anhaltende Zurückhaltung der Privathaushalte beim Konsum. So lag der Anteil der privaten Einkommen, der für den Konsum ausgegeben wurde, auch im 3. Quartal niedriger als ein Jahr zuvor (-3,7 %). Angesichts der Krise sollte dies kaum überraschen.
Dafür haben die deutschen Privathaushalte im Frühjahr und Sommer rund 70 Milliarden Euro mehr gespart als im Vorjahr. Der Konsum war also gedämpft und die Sparquote erhöht. Sie lag im 3. Quartal 2020 bei 13,5 %, wie das Statistische Bundesamt vorgestern mitteilte. Das ist zwar weniger als im Frühjahr (20,1 %), aber noch deutlich mehr als in den vergangenen zwei Jahrzehnten, in denen die Quote zwischen 9 % und 11 % schwankte. Und es ist auch mehr als Experten erwartet hatten. Dazu erinnere ich an die Börse-Intern vom 21. April. Damals war zu lesen, dass die Sparquote in Deutschland laut Prognosen der DZ Bank in diesem Jahr voraussichtlich auf 12,5 % ansteigen wird, von 10,9 % in 2019.
Das verfügbare Einkommen privater Haushalte in Deutschland sollte laut der DZ Bank in diesem Jahr um 1,1 % schrumpfen. Im 3. Quartal 2020 war es laut der vorgestrigen Meldung des Statistischen Bundesamtes allerdings mit +0,7 % sogar etwas höher als vor einem Jahr. Ein Grund dafür ist, dass es in einigen Bereichen Lohnerhöhungen durch neue Tarifabschlüsse gab und die Einkommen zugleich etwa durch das Kurzarbeitergeld stabilisiert wurden.
Letzteres kann als Maßnahme der Regierung zur Stützung der Wirtschaft sehr positiv gewertet werden. Denn ohne dies wäre eine höhere Sparquote auch noch auf stärker sinkende Einkommen getroffen, was die Konsumlaune und somit die Wirtschaft wohl noch stärker gebremst hätte. Die DZ Bank ging Ende April davon aus, dass der Konsum aufgrund von Einkommenseinbußen in Verbindung mit einer erhöhten Sparneigung in Deutschland womöglich um 2,8 % schrumpfen wird, was laut DZ Bank der stärkste Einbruch seit der Wiedervereinigung wäre. Im 3. Quartal 2020 gingen die privaten Konsumausgaben in jeweiligen Preisen sogar um 4,0 % zurück, wahrscheinlich wegen der höheren Sparquote und einer gestiegenen Arbeitslosigkeit.
Zwischenfazit
Schon zu Beginn der Krise war absehbar, dass sinkende Einkommen und eine steigende Sparquote zu einer anhaltenden Belastung für die Wirtschaft werden (siehe dazu neben der Börse-Intern vom 21. April auch die Ausgaben vom 29. Mai und 10. Juli). Deutschland ist aber dank der fiskalpolitischen Maßnahmen relativ gut durch die Krise gekommen. Und auch das 4. Quartal 2020 dürfte trotz der zweiten Infektionswelle wesentlich weniger schlimm ausfallen als das 2. Quartal 2020, weil die neuerlichen Maßnahmen nur zu einem Teil-Lockdown führen. Dementsprechend sind auch die Einkaufsmanagerdaten ausgefallen (siehe vorgestrige Börse-Intern).
Eine zweite Infektionswelle verliert somit deutlich an Schrecken, wie sie ihn noch zu Beginn der Krise hatte (siehe zum Beispiel „Gefahr einer zweiten Infektionswelle – Märkte ignorieren wieder die Risiken“). Dennoch sind negative Reaktionen der Anleger auch jetzt noch denkbar. Zumal sich der DAX merklich schwer tut, aus seiner aktuellen Seitwärtskonsolidierung nach oben auszubrechen. Je länger die Bullen scheitern, desto mehr könnten die Bären ihre Chance wittern.
Wirtschaft der Eurozone hinterlässt wieder stärkere Bremsstreifen
Dies auch vor dem Hintergrund, dass Deutschland zwar recht glimpflich durch die Krise kommt, die Wirtschaft der Euro-Zone aber schon wieder deutlich tiefere Bremsspuren hinterlässt. Die Einkaufsmanagerdaten, die IHS Markit am Montag veröffentlichte, deuten darauf hin, dass die Euro-Zone wegen der zweiten Corona-Welle wieder in eine Rezession gerät. Der Einkaufsmanagerindex, der Industrie und Dienstleister zusammenfasst, fiel im November um 4,9 auf 45,1 Punkte.
Das ist der schlechteste Wert seit Mai. Und das Barometer rutschte damit klar unter die Marke von 50 Zählern, ab der es Wachstum signalisiert. Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson sprach sogar von einer erneuten „ernste Krise“. Und die Einkaufsmanagerdaten kennzeichnen laut IHS Markit „einen starken BIP-Rückgang“. Dabei zeigt die Industrie noch Wachstum an (53,6), während der Service-Sektor schon wieder dramatisch schrumpft (41,3).
Werte der Euro-Zone holen dennoch auf
Kurioserweise ist der Euro STOXX 50 dennoch kurzfristig ein Stück weiter als der DAX. Denn hier ist der Ausbruch über das Hoch vom 9. November bereits nachhaltig gelungen, was auch gleichbedeutend ist mit einem Anstieg über das Erholungshoch vom 21. Juli (siehe obere rote Linie im folgenden Chart). Beide Hürden konnte der DAX noch nicht so klar überwinden.
Und auch gestern konnte der Euro STOXX 50 ein neues Trendhoch markieren, womit ihm sogar Anschlussgewinne gelingen. Allerdings muss man beachten, dass der Euro STOXX 50 noch um mehr als 9 % unter seinem Vorkrisen-Niveau notiert. Übergeordnet betrachtet hinkt er dem (Kurs-)DAX also noch hinterher, genau wie aktuell die Euro-Zonen- der deutschen Wirtschaft. Es passt also auch hier aktuell ziemlich viel ziemlich gut zusammen.
Sollten die Impfstoff-Hoffnungen weiterhin größer sein als die Sorge vor den Folgen der Lockdown-Maßnahmen, dürften sich die Kursanstiege an den Aktienmärkten fortsetzen. Wobei es jüngst bei vielen Aktien schon wieder sehr nach Übertreibungen aussieht. Vergessen Sie daher nicht, auch mal Gewinne zu realisieren.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)