Anlageklassen hängen am Tropf der Notenbanken
Seit mittlerweile drei Wochen befindet sich der deutsche Aktienmarkt in einer Konsolidierung, bei der lange noch nicht feststand, ob es sich um eine Seitwärtsbewegung oder einen leichter Aufwärtstrend handelte. Mit der gestrigen Entwicklung hat sich zunächst die Seitwärtsbewegung durchgesetzt (siehe Chart). Aber wie vorgestern beschrieben besteht auch die Gefahr stärker fallender Kursen.
Doch wie ebenfalls schon geschrieben, ist es nach stärkeren Aufwärtsbewegungen normal, dass die überkaufte Situation durch derartige Konsolidierungen abgebaut wird.
Anleger abhängig von Impulsen durch Notenbanken?
Die aktuelle Orientierungslosigkeit der Anleger hängt sicherlich damit zusammen, dass mit Blick auf die Notenbanken die Erwartungen auseinanderdriften. So kann man den vorangegangenen Kursanstieg damit begründen, dass einerseits die Fed eine Zinsanhebung hinausgezögert hat, während sich die EZB andererseits offen dafür ausgesprochen hat, ihr geldpolitisches Programm im Dezember neu zu überdenken und gegebenenfalls sogar auszuweiten. Beides war klar bullish für die Aktienmärkte. Doch nun fragen sich die Anleger: Wie weit kann das die Kurse treiben, beziehungsweise auf was sollen sie als nächstes setzen?
Geldpolitik der EZB bleibt bullish für die Aktienmärkte
Da wäre die bullishe Variante einer weiteren Finanzspritze durch die EZB. Dazu wurde gestern gemeldet, dass die Industrieproduktion der Eurozone im September um 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken ist. Zudem lässt die niedrige Inflationsrate weiterhin Sorgen vor den Folgen einer deflationären Entwicklung aufkommen. Und in diesem Zusammenhang ist insbesondere der erneute Rückgang der Erzeugerpreise um 0,3 Prozent im September zu nennen. Eine Ausweitung des bis (derzeit noch) Herbst 2016 laufenden QE-Programms erscheint daher immer wahrscheinlicher.
Zinsanhebung der Fed könnten Markt belasten
Demgegenüber steht die mögliche Zinswende der Fed im Dezember bzw. die Meinung der Märkte zu einer möglichen Zinsanhebung. Auch wenn die historischen Daten darauf hinweisen, dass eine Rally bei den ersten Zinserhöhungen weitergehen kann, gibt es auch immer die Sorge, dass steigende Zinsen die Rally sofort beenden. Wie berichtet sind einige US-Konjunkturdaten und vor allem die Arbeitsmarktdaten besser als erwartet ausgefallen. Die Märkte sehen daher inzwischen die Wahrscheinlichkeit für eine Zinsanhebung im Dezember, insbesondere wegen des jüngsten Arbeitsmarktberichts, bei mehr als 70 Prozent (gemessen an den Fed-Fund-Futures).
Goldanleger haben sich schon entschieden
Insofern kann die aktuelle Konsolidierung im DAX auch dem Warten der Anleger auf neue Impulse seitens der Notenbanken geschuldet sein. Da im DAX also noch nichts entschieden ist, möchte ich gestern noch auf eine eindeutigere Entwicklung eingehen:
Denn den Goldpreis scheint eine mögliche neue Finanzspritze der EZB kalt zu lassen, während er auf die anhaltend niedrige Inflation und die Aussicht auf steigende Zinsen in den USA bereits allergisch reagiert hat. Wie ich in der Ausgabe vom 5. November schrieb, ist der Goldpreis im Rahmen seiner übergeordneten Abwärtstendenz (Keil oder Trendkanal) wieder abgerutscht.
Die Kurserholung, die den Goldpreis bis Mitte Oktober auf 1.180 USD trieb, war also nicht mehr als eine Bärenmarktrally. Und sie endete, als sich die Anzeichen verdichtet hatten, dass die US-Notenbank im Dezember den Leitzins anheben könnte. Neben positiven Konjunkturdaten hatte die Fed auf ihrer Sitzung im September erstmals konkret erwähnt, dass man auf dem Dezembertreffen eine Zinsanhebung prüfen werde. Steigende Zinsen würden den Dollar stärken. Da der Goldpreis in Dollar berechnet wird, können steigende Zinsen den Goldpreis belasten. Doch es gibt auch noch andere Gründe, die den schwachen Goldpreis erklären.
Fundamentale Daten erklären den Kursverlauf
Gestern hat der World Gold Council seinen vierteljährlichen Bericht über die Trends bei der Goldnachfrage veröffentlicht. Demnach stieg die weltweite Gold-Nachfrage im ersten Quartal 2015 auf 1.083,6 Tonnen (t), von 1.050,6 t im vierten Quartal 2014. Sie rutschte dann aber im zweiten Quartal 2015 um mehr als 16 Prozent auf 905 t ab. Parallel dazu erreichte der Goldpreis am 22. Januar ein Hoch bei 1.307 Dollar und fiel dann bis zum 20. Juli auf 1.073 Dollar um fast 18 Prozent.
Im dritten Quartal 2015 zog die Goldnachfrage wieder auf 1.120,9 t um 23 Prozent zum Vorquartal an, was den Preisanstieg von Juli bis Oktober erklärt. Von 1.073 Dollar ging es bis zum 15. Oktober auf 1.191 Dollar um rund 11 Prozent nach oben.
Die geringeren Käufe in der ersten Hälfte des Jahres konnten mit dem Anstieg im dritten Quartal 2015 noch nicht voll kompensiert werden. So liegt die Nachfrage in diesem Jahr insgesamt noch um 1,8 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Und so erklären diese fundamentalen Daten auch die abwärts gerichtete Tendenz des Goldpreises.
Fazit
Die Notenbanken beherrschen die Märkte. Ob Aktien, Devisen oder Rohstoffe, die Nachfrage der Anleger hängt stark von den Aktionen der Notenbanken ab. Auf absehbare Zeit wird die EZB ihre expansive Geldpolitik beibehalten oder ausweiten, während die Fed die Zügel weiter anziehen wird. Auf dem Aktienmarkt könnten sich diese Kräfte ausgleichen, am Devisenmarkt wird dies aber weiterhin zu einem stärkeren US-Dollar und einem schwächeren Euro führen. Und weil sich steigende Zinsen und ein stärkerer US-Dollar bei niedriger Inflation negativ auf den Goldpreis auswirken, bleibt mein Kursziel von unter 1.000 USD für den Goldpreis ein plausibles Szenario.
Viele Grüße
Ihr
Jochen Steffens
(Quelle: www.stockstreet.de)