Börse & VV - „0110100110“ vs. Verstand, Intuition und Erfahrung
Sie sind in aller Munde und dürfen derzeit auf keiner Konferenz fehlen: RoboAdvisor. Sie sind der neue Heilige Gral der Finanzindustrie, das Allheilmittel für alle Anleger. Mancher spricht gar schon vom Ende der Banken, vom Ende der aktiven Vermögensverwaltung, von Computern, die den Menschen überflüssig machen. Und: Wer braucht schon DAX, Dow Jones, Linde, SAP oder IBM, solange eine Kombination aus Algorithmen die „richtige“ Mischung aus den verschiedenen Asset Klassen und Wertpapieren vorgibt?
Sind RoboAdvisor und FinTechs ein Hype, die nächste Blase oder tatsächlich der Stein der Weisen? Das ist noch nicht entschieden. Zunächst sind RoboAdvisor eine Kombination aus Robot (Roboter) und Advisor (Berater) - dementsprechend haben sie das Ziel, die Dienstleistungen eines traditionellen Finanzberaters bzw. Asset Managers zu digitalisieren und zu automatisieren. Sie stützen Ihre Anlagestrategie auf regelbasierte Modelle zur Bestimmung der Portfoliostruktur, die entsprechend überwacht und gegebenenfalls angepasst wird. Soweit die Definition. Mensch gegen Maschine. „0110100110“ vs. Verstand, Intuition und Erfahrung. The race is on.
Gewaltiger Umbruch und hohe Steigerungsraten
Auf der anderen Seite steht die Finanzbranche vor einem gewaltigen Umbruch, wenn nicht sogar vor einer Revolution. Dies liegt an neuen technologischen Möglichkeiten wie Blockchain, aber auch Erneuerungen in Sachen Regulierung und Compliance (RegTechs), an neuen Möglichkeiten durch die Digitalisierung des Fondsmanagements, der Abwicklung und der Kundengewinnung. Und das Potential im Asset Management ist riesig: Insgesamt belief sich nach einer Studie von Corporate Insight das von Robo-Advisors verwaltete Anlagevermögen im Jahr 2014 auf 19 Milliarden US-Dollar. Bis 2020 wird nach einer Studie von A. T. Kearney allein in den USA ein Anstieg auf ein verwaltetes Anlagevermögen von 255 Milliarden Dollar prognostiziert. Das sind gewaltige Summen und enorme Steigerungsraten. Aber: Handelt es sich hier nur um einen Trend, oder schon um eine Wende?
Auch die klassische Mischfondsbranche steht ja angeblich vor einem großen Umbruch, da mit Zinsen kein Geld mehr zu verdienen ist. Zugegebenermaßen sagen ja gerade wir schon seit längerem, dass Aktien alternativlos sind. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass mit Anleihen kein Geld zu verdienen ist. Vielmehr sind die Zeiten fester Allokationsvorgaben, Tracking Errors und enger Quoten für Asset Klassen überholt, auch wenn sie gerade institutionellen Investoren helfen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu erfüllen. Dieses klassische Schubladendenken ist aber genau das, was sich die RoboAdvisor zu Nutze machen. Sie folgen mit ihren Anlagestrategien wissenschaftlichen Theorien. Diese werden als das neue „Non plus Ultra“ angepriesen. Dabei sind Effizienzmarkttheorie, CAPM-Modell und historische Korrelationen fundamentale Basics, aber noch lange nicht die eierlegende Wollmilchsau.
Vorschusslorbeeren müssen nachhaltig bestätigt werden
Bedenkt man, dass nur wenige aktive Fondsmanager oder Vermögensverwalter nachhaltig den Markt schlagen bzw. es schaffen, konstante positive Renditen zu erwirtschaften, so kann man sich die Frage stellen, warum ein Roboter das nun auf einmal besser kann, womit eine ganze Industrie seit Jahrzehnten kämpft. Dies gilt es erst einmal nachhaltig zu beweisen. Vor allem haben RoboAdvisors noch nicht gezeigt, dass sie auch in Krisenzeiten gute Ergebnisse erzielen können.
Die aktuell am Markt befindlichen Robo-Advisor lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:
- Beratungstools: Bei dieser Form wird lediglich eine Software angeboten, um ein geeignetes Portfolio für den Nutzer zu ermitteln. Den Kauf der Portfoliobestandteile muss der Nutzer jedoch selbstständig übernehmen. Dazu muss er aber selbst aktiv werden und bewusste Entscheidungen treffen – ob ihm das Portfolio passt oder nicht, und ob er es versteht oder nicht. Da entstehen Hemmschwellen, die es zu überwinden gilt.
- Fondslösungen: Der Anbieter bündelt vorab erstellte Portfolios in einem Dachfonds, den der Kunde über die Börse erwerben kann. Das gibt es in ähnlicher Form schon lange, auch auf ETF-Basis.
- Verwaltete Depots: Robo-Advisor dieser Kategorie haben das umfassendste Angebot. Für den Kunden wird ein Portfolio ermittelt und die Anlage dann entsprechend im Depotkonto einer Partnerbank umgesetzt und überwacht. Dies ist die größte Konkurrenz für Finanzberater – vor allem auch, wenn man die Kosten berücksichtigt.
Bei der Vermögensverwaltung stoßen RoboAndvisor an ihre Grenzen
Was aber, wenn es um einen vermögensverwaltenden Ansatz geht? Um die feine Balance, zunächst dauerhalt Verluste zu vermeiden und auf der anderen Seite eine möglichst gute Performance zu erzielen. Wir denken, bis dahin ist es für RoboAdvisor noch ein langer Weg. Vermögensverwaltende Fonds wie unsere Mandate „Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen“ und „PRIMA – Globale Werte“ haben den Vorteil, dass sie dem Fondsmanagement große Freiheiten einräumen – wir dürfen also als Fondsberater sozusagen dem „Freestyle“-Prinzip folgen. Dabei setzen wir auf Stockpicking und konzentrieren und auf unterbewertete Aktien, wie derzeit etwa die SOFTWARE AG, Metro oder auch eine Verisign Dann stehen die vier Prinzipien des Value-Investing im Vordergrund, indem wir in eigentümergeführte Unternehmen mit wirtschaftlichem Burggraben und Sicherheitsmarge investieren. Dazu kommt mit „Mr. Market“ die Verhaltensökonomie ins Spiel, die die kurzfristige Effizienz des Marktes in Frage stellt. Die Psychologie des Marktes hat bisher noch kein Computer in den Griff bekommen, hierzu bedarf es Erfahrung, Verstand und ein Denken jenseits des Tellerrandes - und schlussendlich auch etwas Bauchgefühl. Und genau das hat ein RoboAdvisor (noch?) nicht zu bieten!