Deutsch-australische First Tin läutet die Glocke an der London Stock Exchange
Am heutigen Freitag feiert die First Tin Limited (LSE: 1SN; FRA: 1SN) ihr Börsendebüt in London. Man kann mit Fug und Recht von einem deutsch-australisch-britischen Joint Venture sprechen: An der Spitze steht der ehemalige Aurubis-Vorstand Dr. Thomas Bünger (54), die beiden am weitesten fortgeschrittenen Zinnprojekte des Unternehmens befinden sich in Deutschland und Australien und die Gründer sowie der Großteil der Investoren sitzen in der Londoner City.
First Tin hat sich für seinen Börsengang 20 Millionen Pfund (umgerechnet etwa 24 Millionen Euro) gesichert, mit denen das Unternehmen zwei Machbarkeitsstudien und ein Bohrprogramm bis zum Baubeschluss im Jahr 2024 finanzieren kann. Das Unternehmen beabsichtigt, die sich abzeichnende Knappheit auf dem Zinnmarkt zu nutzen, um seine beiden fortgeschrittenen Projekte in Deutschland und Australien bis 2025 zur Produktionsreife zu bringen.
Das Tellerhäuser-Projekt in Sachsen hat eine Geschichte, die bis in die DDR-Zeit zurückreicht; das zweite Projekt, Taronga, befindet sich in New South Wales, Australien. Die Newmont Corporation (NYSE: NEM, TSX: NGT) besaß und entwickelte das Taronga-Projekt bereits Mitte der 1980er Jahre, doch der Zusammenbruch des Zinnkartells und des Zinnpreises im Jahr 1985 veranlasste Newmont zum Rückzug. Mit den beiden Projekten Tellerhauser und Taronga will First Tin beweisen, dass Zinn „grün" sein kann - konfliktfrei, zuverlässig und ESG-konform. Das Motto des Unternehmens lautet „Nachhaltiges Zinn für eine erneuerbare Zukunft“.
Zinn ist der Klebstoff der Energiewende
Warum ist Zinn so wichtig? Zinn ist ein relativ seltenes Element mit einem Vorkommen in der Erdkruste von etwa 2 Teilen pro Million (ppm), verglichen mit 94 ppm für Zink und 63 ppm für Kupfer. Bei einem heutigen Preis von über 40.000 $ pro Tonne ist Zinn etwa viermal so wertvoll wie Kupfer mit etwa 10.000 $ pro Tonne.
Wird Zinn nicht in Blechdosen verwendet? Stimmt, aber es ist vor allem das wachsende weltweite Interesse an erneuerbaren Energien und Elektrofahrzeugen, das in den kommenden Jahren für einen weiterhin starken Zinnmarkt sorgen dürfte. Mit einer Jahresproduktion von rund 380.000 Tonnen gehört Zinn zwar zu den Nischenrohstoffen, aber das ändert nichts an seiner strategischen Bedeutung. "Zinn ist der Klebstoff der Energiewende", sagt Thomas Bünger. Es ist kein Zufall, dass Deutschland und die USA Zinn zu einem strategischen Rohstoff erklärt haben. Das Beispiel der Automobilindustrie macht deutlich, warum das so ist: Ein benzinbetriebenes Auto benötigt heute durchschnittlich 400 Gramm Zinn, ein vergleichbares Elektroauto dagegen die dreifache Menge Zinn, rund 1,2 Kilogramm. Bünger rechnet mit einem zusätzlichen Bedarf von bis zu 100.000 Tonnen Zinn in den kommenden Jahren, glaubt aber nicht, dass der Markt diese Mengen in kurzer Zeit, geschweige denn nachhaltig bereitstellen kann.
Schätzungsweise 75 Prozent der Zinnproduktion stammen aus so genannten Placer-Lagerstätten, u. a. vor den Küsten Indonesiens und Malaysias, wo Zinn mit schwimmenden Saugbaggern vom Meeresboden abgebaut wird. Dies ist nicht nur nicht umweltfreundlich, sondern schafft auch eine gefährliche Abhängigkeit. Immer wieder droht die indonesische Regierung mit einem Exportstopp, wie sie es auch bei Kupfer und Nickel getan hat. Aus verständlichen Gründen hat Indonesien ein großes Interesse daran, die Produktion von Zinnprodukten mit höherer Wertschöpfung ins Land zu holen. Im November 2021 erklärte der indonesische Präsident Joko Widodo, dass er die Ausfuhr von unverarbeitetem Zinnerz bis 2024 verbieten wolle. Nur der kleinere Teil der primären Zinnproduktion stammt aus dem konventionellen Bergbau, wie er von First Tin geplant ist.
Drei börsennotierte Zinnprojekte in Europa
Weder in Europa noch in Nordamerika gibt es derzeit eine Primärproduktion von Zinn im Bergbau. Und in die Erschließung von Zinnvorkommen in Europa wurde seit Jahrzehnten nicht mehr investiert. Das ändert sich gerade jetzt rapide. Fast zeitgleich mit First Tin versucht das britisch-kanadische Unternehmen Cornish Metals (LSE: CUSN; TSV: CUSN), eine historische Zinnmine in Cornwall wiederzubeleben. Derzeit sammelt das Unternehmen 40,5 Millionen Pfund ein, von denen die ersten 25 Millionen Pfund bereits von dem bekannten Bergbauinvestor Mick Davis zugesagt wurden. Der dritte im Bund ist das australische Unternehmen Elementos Minerals (ASX: ELM), das ein Zinnprojekt im Tagebau in Spanien vorantreibt. Zufälligerweise liegen die Börsenwerte aller drei Unternehmen derzeit fast gleichauf: First Tin kommt mit einer Bewertung von 80 Mio. Pfund zum IPO-Preis von 30 Pence auf den Markt, Cornish Metals wird vor Abschluss der aktuellen Kapitalrunde von 40,5 Mio. Pfund mit rund 89 Mio. Pfund bewertet und Elementos kommt auf 135 Mio. A$ (rund 77 Mio. Pfund). First Tin plant eine Jahresproduktion von 6.000 Tonnen, Cornish gibt noch keine Produktionszahlen an, und Elementos rechnet laut einer Optimierungsstudie mit einer Produktion von 3350 Tonnen Zinn pro Jahr.
Die Tatsache, dass es mehrere Unternehmen mit europäischen Projekten gibt, die parallel und mit vergleichbarem Zeitplan versuchen, ihre eigene Zinnproduktion wieder nach Europa zu bringen, spricht Bände. Cornish Metal wirbt sogar ganz direkt mit dem Slogan "a strategic asset for the UK". In unruhigen Zeiten bekommen Begriffe wie Resilienz und Versorgungssicherheit offenbar ein ganz neues Gewicht. Außerdem sendet der Zinnpreis selbst ein unmissverständliches Preissignal. Der LME-Preis für Zinn ist in den letzten zwei Jahren um fast 200 Prozent gestiegen. Derzeit wird das Metall an der Londoner Metallbörse mit über 44.000 Dollar pro Tonne gehandelt. First Tin strebt Produktionskosten von 12 bis 14.000 USD pro Tonne Zinn an und verwendet (wie die anderen Unternehmen) langfristige Preise von 30.000 USD pro Tonne für seine Rentabilitätsberechnungen.
Die in Europa tätigen Unternehmen können kaum als Konkurrenten im eigentlichen Sinne des Wortes bezeichnet werden. Dafür ist die geplante Produktion im Verhältnis zum Gesamtmarkt zu gering. Vielmehr sind sie "Co-Petitoren". Der Wettbewerb an der Börse könnte aber durchaus eine bessere Sichtbarkeit für den kleinen Sektor bringen. Es ist immer besser, wenn die Anleger vergleichen können und die Tin-Story von mehreren Unternehmen getragen wird und nicht nur von einem.
Der promovierte Metallurge Bünger will den beiden Projekte in Deutschland und Australien die gleiche Priorität einräumen. Für beide Projekte stehen noch definitive Machbarkeitsstudien und endgültige Genehmigungen aus. Hier sieht Bünger seine Hauptaufgabe: "Am Ende werden wir sehen, welches Projekt sich zuerst durchsetzt", so Bünger. Unabhängig davon lässt sich schon jetzt sagen, dass das Tellerhäuser Projekt insofern etwas Besonderes sein wird, weil es als abfallfreier Abbau (Zero-Waste) konzipiert ist. Die gesamte Aufbereitung soll unter Tage erfolgen. Im günstigsten Fall könnten 50 Prozent des abgebauten Roherzes verarbeitet oder als Straßenzuschlagstoff verwendet werden. Der Rest würde nach der Aufbereitung unter Tage verfüllt. Die Landschaft des Erzgebirges soll so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.
Bünger, der an der Bergakademie Freiberg promoviert hat, kennt die Gegend und die Menschen. Als ehemaliges Vorstandsmitglied und COO, CTO bei einem der weltweit führenden Kupfer- und Multimetallproduzenten, der Aurubis AG, war Bünger für Produktionsanlagen mit einem Umsatz von rund 8 Milliarden Euro verantwortlich. Dass seine Stärken im Thema Metallurgie liegen, wird in der ausführlichen Unternehmenspräsentation deutlich (siehe Abbildung 2). Aber auch das Thema Genehmigungsverfahren schreckt Bünger nicht - im Gegenteil. Bei Aurubis war er für den Bau von innerstädtischen Produktionsanlagen in Hamburg verantwortlich.
Fazit: First Tin entwickelt seine beiden fortgeschrittenen Zinnprojekte mit hoher Gewinnspanne an den richtigen Orten und zur richtigen Zeit. Das weltweit wachsende Interesse an erneuerbaren Energien und Elektrofahrzeugen wird in den kommenden Jahren absehbar zu einer Verknappung des Zinnangebots führen. Nachhaltige Zinnquellen sind ohnehin Mangelware. Zwar ist die geplante Produktion von 6.000 Tonnen Zinn pro Jahr nur ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts eines prognostizierten Jahresbedarfs von bis zu 480.000 Tonnen. Aber First Tin punktet mit einer konfliktfreien, zuverlässigen, ESG-konformen Produktion zu absehbar niedrigen Kosten von 12 bis 14.000 US-Dollar pro Tonne. Der berechnete Nettogegenwartswert der Projekte bei Zinnpreisen von 30 und 40.000 $ pro Tonne beträgt 440 bzw. 770 Mio. $. Und wer weiß heute schon, wie sich der Zinnpreis entwickeln wird, wenn man bedenkt, dass die Prognosen der Industrie davon ausgehen, dass die Nachfrage bis 2030 doppelt so hoch ist wie das potenzielle künftige Zinnangebot.
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