Vorsicht: die „armen“ Russen kommen!
+++ Russland wird allmählich "salonfähig" +++ Russland mit ambtionierten Zielen+++Auslandsdirektinvestitionen nehmen zu+++Moskauer Börse avanciert zur Top-Börse in Europa+++Flut von IPOs zu erwarten+++
„Ich würde keinen Cent in Russland investieren“ sagte einmal der Investment-Guru und Rohstoffexperte Jim Rogers und gab damit auch seine Unzufriedenheit über die Solidität und Sicherheit der Investments in Russland zum Ausdruck. Russland leidet immer noch sehr unter seinem Negativimage. Auch die letzte Auftragsmord-Serie schädigten den Ruf Russlands und erinnerten an die Zeit des „Wilden Ostens“ in der Jelzin-Ära. Auch des Allmacht des Kremls und der zunehmende Staatseinfluss in der Wirtschaft ruft Misstrauen und Besorgnis hervor, auch was die Versorgungssicherheit im Gassektor angeht (Stichwort: Energie-Charta). Bei einer einseitigen Darstellung wird aber vergessen, dass sich Russland mit großen Schritten wieder auf den steinigen Weg zur Weltmacht begibt. Zudem sind die Fundamentaldaten und Aussichten des rohstoffreichen Landes so überzeugend, dass die (wirtschaftlichen) Chancen die (politischen) Risiken überwiegen. Die Moskauer Börse ist mit fast 1 Billion US-Dollar Börsenkapitalisierung schon jetzt fast so groß wie alle an der Deutsche Börse AG gelisteten Unternehmen. Im nächsten Jahr werden über 30 IPOs erwartet. So soll das Telekomunternehmen ALSTELCOM (mit UMTS-Fantasie) an der Moskauer Börse eingeführt werden und hernach auch in Deutschland. Die sechstgrößte Fluglinie Transaero sucht nach westlichen Investoren, um ein IPO an der Moskauer Bösre über die Rosbank bis Ende des Jahres vorzubereiten. Allerdings sind die Kurse von 75 bis 120 USD sehr weit auseinander und auch zu hoch gegriffen. Zuweilen leiden die Russen offensichtlich auch an Selbstüberschätzung. Der russische Stahlonzern TMK will bei seinem Börsengang fast 1 Mrd. US-Dollar einnehmen. Die Aktein sollen demnäst zu 4,6 bis 5,4 US-Dollar angeboten werden. Auch der fünftgrößte Kaliproduzent der Welt Uralkalyi plant in den nächsten Monaten ein IPO; allerdings wurde eine Mine überflutet und der Kurs brach vor kurzem von 1,9 auf 1,66 USD im „Russian Trading System“ (RTS) ein, was aber jetzt ein gutes Einstiegesniveau ist. Ursprünglich wollte das Management 2,0-2,45 USD als IPO-Preis-Range angeben; die Bewertung wäre dann aber zu hoch. Überhaupt muss der Anleger aufpassen, dass die IPO-Preise nicht zu ambitioniert sind. So wurde auch der Öl-Gigant Rosneft mit relativ hohen Bewertungen an die Börse gebracht und dennoch überzeichnet. Fast alle Oligarchen wurden in Russland bei der 10 Mrd. USD-Platzierung zur Kasse gebeten. Allerdings hat Rosneft gute Chancen die Überbewertung auszugleichen, wenn es im nächsten Jahr bei der Yukos-Zerschlagung sehr preiswert an Weltklasse-Assets im Ölsektor herankommt. Deswegen stieg der Kurs zuletzt auch rasant von 5,8 auf 7 € nach dem IPO an, obwohl das Kurs-Gewinn-Verhältnis mit 23 doppelt so hoch ist wie bei LUKoil. Rosneft will jetzt 24 Mrd. US-Dollar bei westlichen Banken – den größten Teil bei der Deutsche Bank AG - aufnehmen, um die Yukos-Deals auch bezahlen zu können. Mit einer Marktkapitalisierung von 90 Mrd. US-Dollar ist Rosneft der zweitgrößte Wert nach Gazprom, der als drittgrößter Industriewert der Welt mit 250 Mrd. USD größer als EON, Allianz und Siemens zusammen ist. Bei meinen ESI-Ostbörsen-Seminaren (siehe www.eaststock.de) muss ich immer wieder das erstaunlich geringe Verständnis und das geringe Wissen über Russland und den russischen Kapitalmarkt feststellen. Wussten Sie schon,
- das es in Russland über 10 Mio. Gastarbeiter gibt, obwohl die offizielle Statistik nur 700.000 ausweist
- dass in Deutschland schon über 4 Millionen Bürger aus der Ex-Sowjetunion leben
- dass Russland im ersten Halbjahr schon 12 Mrd. US-Dollar im Ausland investiert hat
- das Russland faktisch entschuldet ist und neben Währungsreserven von über 270 Mrd. USD auch einen Stabilisierungsfonds von über 70 Mrd. USD besitzt (die gesamten Auslandschulden erhöhten sich in diesem Jahr vor allem durch die staatlichen Unternehmensschulden von 214 auf 250 Mrd. USD, also 26% des BSP)
- dass der Außenhandelsumsatz mit Europa, insbesondere mit Deutschland (>30 Mrd. USD) und China um 30-40% jedes Jahr wächst und neue Rekordmarken in 2007 erreichen wird
- dass der Rubel nicht nur rollt, sondern konvertierbar und eine ausgesprochen starke Währung ist
- dass die Moskauer Börse mit einer Kursverdreißigfachung (!) seit dem Crash in 1998 die am besten performende Börse der Welt ist
- dass sich die Marktkapitalisierung der Moskauer Börse seit 1998 fast verhundertfacht (!) hat
- das die Deutsche Bank AG seit 2004 offizieller strategischer Berater von Gazprom ist und wahrscheinlich Millardenkredite für Gazprom und Rosneft für den Erwerb von Yukos-Assets im Rahmen der Zerschlagung zur Verfügung stellen wird
- dass Gazprom mit 548 Mrd. Kubikmeter der größte Gasproduzent der Welt ist und in diesem Jahr mehr als 20 Mrd. US-Dollar (EBITDA > 30 Mrd. USD) verdienen wird und damit mehr als drei am besten verdienenden deutschen DAX- Unternehmen zusammen
- das sich der Kurs von Gazprom seit 2001 selbst als marktschwerster und liquidester Titel schon verzehnfacht hat?
Haben Sie und/oder Ihre Berater da etwa was verpasst oder sind Ihnen die russischen Aktien zu „risiko(=chancen)reich? Es ließen sich viele weitere Fakten anführen, die so manchen ahnungslosen Anleger zum Staunen bringen würde. Zweifelsohne werden demnächst auch verstärkt russische Rohstoffunternehmen aufgrund der prall gefüllten Kriegskasse als Aufkäufer im Westen auftreten. So wundert sich Präsident Putin bei seinem letzten Deutschlandbesuch im Rahmen des Petersburger Dialogs zu Recht über die Hysterie einiger deutschen Politiker bei dem Einstieg der staatlichen Vneshtorbank bei EADS mit 6%. Angeblich soll der sechstreichste russische Oligarch Oleg Deripaska, der Besitzer des größten Aluminiumkonzerns der Welt RuSAL, schon Anteile an dem US-Autogiganten General Motors übernommen haben, die er für 1,8 Mrd. USD auf 10% aufstocken will. Mich würde es nicht wundern, wenn der reichste „Engländer“ Roman Abromovich, dem schon der Fußballclub Chelsea London gehört, irgendwann auch Thyssen Krupp übernehmen wird. Der Stahlwert Novolipetski kaufte sich vor kurzem schon erfolgreich in der Schweiz ein. Auch dass Gazprom, die gerne an den deutschen Stromendkunden heran wollen, nun Hauptsponsor von Schalke 04 (demnächst „FC Schalkski 04“ oder „FC Gazprom 04“?) geworden ist, passt ins Bild eines sich sehr dynamisch und selbstbewusst entwickelnde, finanzstarken Landes, das auch von westlichen Aktionären mehr Beachtung als bisher verdient. Denn frei nach Gorbatschow: „Wer zu spät kommt, den bestraft die Börse…!“.
@ ad-hoc-news.de
| 27.10.06 17:47 Uhr