Russland, Wahl

Russland vor der Wahl

+++Moskauer Börse mit Chancen+++Boombranchen beachten+++Russische Oligarchen setzen auf deutsche Unternehmen+++Jahresendrallye möglich+++

Am 2. Dezember stellen sich in Russland 11 Parteien zur Wahl – eine Wahl, die keine ist, da die Opposition kein Gehör findet und auch kein Chance hat, sich in den Medien zu artikulieren. Der oppositionelle Schachweltmeister Kasparow musste sogar wegen einer Demonstration gegen Putin für fünf Tage hinter Gitter, wo der größte Widersacher und Ex-Yukos-Chef Chordokowski schon seit Jahren sitzt. Oppositionelle haben es nicht leicht in Russland, Fuß zu fassen. Insofern scheint der Wahlsieg der kremlnahen Putin-Partei „Geeintes Russland“ eine ausgemachte Sache zu sein. Die einzige Opposition wird wohl wieder aus Kommunisten und Nationalisten wie dem Politikclown Schirinowski bestehen. Spannend wird es allerdings, wie sich Putin nach der Wahl entscheidet und zwar ob er hernach als Primier oder als Vorsitzender der Partei „Geeintes Russland“ kandidieren wird, da er als Präsident nach der Verfassung im Märzen nächsten Jahres nicht wiedergewählt werden kann. Ausschlaggebend für eine Kandidatur ins zweite Glied könnte die Wahlbeteiligung sein. Beträgt sie über 60%, könnte es gut sein, dass Putin ein Amt als Primier annimmt, obwohl er dann „Befehlsempfänger“ vom nächsten Präsidenten wird, was ihm als Ex-KGB-Chef und Machtmensch nicht liegen dürfte. Spannend wird es auch, wen Putin als seinen Nachfolger empfiehlt, wobei dem gegenwärtigen Primier Subkow oder auch seinen Beratern Iwanow und Medwedew die größten Chancen eingeräumt werden. Putin selbst garantiert der russischen Bevölkerung in seinen letzten TV-Ansprachen Stabilität und Kontinuität. Ordentlich Rückenwind bekommt Putin durch den hohen Ölpreis, der die Staatskassen mehr füllt als geplant. So hat der Stabilisierungsfonds schon ein Volumen von 150 Mrd. USD erreicht und wächst jeden Monat mit jedem Petro-Dollar-Anstieg um einige Millionen. Zudem weist der Haushalt einen Überschuss in Höhe von 7% des BSP auf. Das BSP wächst in diesem Jahr um 7,3%. Auch im nächsten Jahr wird ein BSP-Wachstum von 6% erwartet. Die Auslandsdirektinvestitionen werden dieses Jahr ein Rekordniveau von fast 50 Mrd. US-Doller ereichen – trotz zunehmenden Kremleinflusses in vielen Bereichen der Wirtschaft. Das Realeinkommen hat sich seit 1999 verdoppelt, wobei die Einkommensunterschiede nicht abgenommen haben, sondern eher gestiegen sind. Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele Milliardäre pro Bevölkerung und nirgendwo gibt es so viele Milliardäre im Parlament wie in Russland. Einige von ihnen wie Deripaska, Wechselberg, Mordaschow und Abromovich halten auch Ausschau nach geeigneten Unternehmen im Westen, an denen sie sich beteiligen können, wobei auch DAX-Unternehmen nicht ausgenommen werden. So haben jetzt schon Unternehmen wie Kali-Salz, Escada, Dr. Scheller Cosmetics, Strabag SE, Hochtief und zuletzt auch TUI russische Großinvestoren im Boot. Der 5%-ige Anteil an EADS seitens der VTB Bank soll noch Ende dieses Jahres an russischen Flugzeugbauer „weitergereicht“ werden, denn Russland hat auch Großes in der Flugzeugindustrie und in der Raumfahrt vor. Die Einkaufstour der reichen Russen wird fortgesetzt und noch so manches deutsches Unternehmen nolens volens ins Gespräch bringen, was bei einigen deutschen Politikern die Alarmglocken läuten lässt. Der RTS-Index, einer der vielen russischen Börsenbarometer, konnte seit Jahresbeginn um 13% auf 2181 Indexpunkte zulegen und notiert damit nahe dem Allzeit.Hoch vom Ende Oktober. Dabei war de Performance im Nicht-Ölsektor mit durchschnittlich 30-40% noch viel besser. Trotz der hohen Ölpreise können russische Ölaktien aber nicht so recht performen, da die Ölexportabgaben dem steigenden Ölpreis ständig angepasst werden. So bleiben beim Export nur etwa 20% der Erlöse beim Ölunternehmen, der Rest geht an den Staat, was einer Quasi-Verstaatlichung der Exporterlöse gleich kommt. Auf der anderen Seite steigen die Kosten der Ölkonzerne enorm. So musste LUKoil im 3. Quartal trotz steigender Ölpreise einen Gewinneinbruch um 52% auf 550 Mio. melden. Bessere Performancechancen werden Gazprom eingeräumt, da Gazprom die Gaspreise im nächsten Jahr den steigenden Ölpreisen anpassen will. Auch dies könnte in Zukunft zu Spannungen führen wie bei der Ukraine und Weißrussland im letzten Jahr. Aber hier sitzt Gazprom an längeren Hebel, so dass auch der deutsche Endverbraucher die Gaspreiserhöhung zu spüren bekommen wird. Wenn auch Öl/Gas die wichtigste Einnahmequelle für den Staat darstellen, besteht Russland nicht nur aus Öl und Gas. Es gibt mittlerweile eine Reihe Boombranchen wie Stahl/Kohle/Metalle im Rohstoffsektor, Konsum, Automobil, Bau, IT/Medien und Banken mit Umsatzzuwächsen von 30-50%. Auch Versorger entwickeln sich sehr dynamisch, wobei der Energiesektor sich gerade in einem wichtigen Umstrukturierungsprozess befindet, der im nächsten Jahr zur Auflösung der staatlich dominierten Holding Unified Energy System führen wird. UES hat das größte Leitungsnetz der Welt. Damit soll der Weg hin zu Liberalisierung frei gemacht werden. Zur Modernisierung sind über 100 Mrd. € notwendig, die durch Privatisierungen, Kapitalerhöhung und IPOs aufgebracht werden sollen. Auch EON, RWE und Enel wollen eine Scheibe vom russischen Energie-Kuchen abhaben. Der größte Stromproduzent Russlands wird aber in Zukunft Gazprom sein, der sicher gerade bei vielen Versorgern jetzt einkauft (wie u.a. an UES selbst und an dem Moskauer Versorger Mosenergo). Wenn auch die Dumawahl keinen großen Einfluss auf die Moskauer Börse haben wird, so werden in den nächsten Wochen nach den Wahlen die Weichen für die wesentlich bedeutsamere Präsidentschaftswahl gestellt. Für die Anleger wäre nur von Vorteil, wenn Putins Wahlversprechen „Kontinuität und Stabilität“ Wirklichkeit wird; denn dann besten in vielen Bereichen in Russland attraktive Anlagemöglichkeiten und das, obwohl sich die Aktienkurse seit 2000 im Durchschnitt mehr als verzehnfacht und seit 2003 mehr als vervierfacht haben. Im 5 Jahresvergleich wurde damit auch der DAX trotz der Underperformance in diesem Jahr um Längen outperformt. Auch insofern sollte der Anleger Putin dankbar sein, denn bei unstabilen Verhältnissen oder gar Machtkämpfen oder Interessengruppen und Geheimdiensten/Militär würden sich die westlichen Portfolioinvestoren sehr schnell aus Russland zurückziehen. So besteht jetzt sogar die Chance auf eine Jahresendrallye, wobei diese mehr von der Wall Street und der US-Notenbankpolitik abhängig sein wird und nicht von den eher belanglosen Duma-Wahlergebnissen. Hinweis: Der Autor wird am 3.12.07 um 12.30 Uhr in NTV/Telebörse und um 18.15 Uhr in N24 (sowie anschließend im Internet unter www.n24.de/boerse) anlässlich der Dumawahlen ein Interview über die Aussichten des russischen Aktienmarktes geben.
@ ad-hoc-news.de | 01.12.07 11:16 Uhr