Rechnung mit vielen Unbekannten
+++Hedgfonds-Schieflagen sorgen für Kurseinbrüche+++Börsenprofis liegen reihenweise falsch++.Suche nach „sicherem Hafen“ nimmt zu+++Ostbörsen weiter mit hohem Rebound-Potential+++
Die Börsianer sind durch die unkalkulierbaren Risiken im Finanzsektor weiterhin verunsichert. Auffallend waren zuletzt die starken Kurseinbrüche bei den Öl- und Gold-Explorern (auch in Osteuropa), was darauf hindeutet, dass sich einige Hedgefonds in Notlagen befinden und sich durch Notverkäufe Liquidität beschaffen müssen. Denn Öl- und Gold-Juniors müssten eigentlich jetzt eine kräftige Hausse aufgrund der hohen Öl- und Metallpreise erleben, aber das Gegenteil ist der Fall. Zudem war der Kurseinbruch bei einigen Metallen (auch bei Gold/Silber) das Ergebnis von Gewinnmitnahmen und Positionsglattstellungen von Hedgefonds. Aber auch bei Blue Chips wie Siemens und Deutsche Telekom kam es ganz offensichtlich zu Zwangsexekutionen im großen Stil bei Hedgefonds, die dringend Liquidität brauchen, um die Kredite bedienen zu können. Bitte beachten: Gefährlich wird es für viele Hedgefonds auch, wenn der Yen nachhaltig unter 99 USD/JPY fällt. Der Yen bleibt weiterhin der beste „Krisenindikator“.
Auch die hohen Verluste bei einigen Börsen-Spielen wie in der Depotliga (www.depotliga.de ) machen deutlich, wie schnell selbst Profis im Moment reihenweise auf dem falschen Fuß erwischt werden und hohe Kursverluste im virtuellen (,hoffentlich nicht realen) Depot von 50 bis 75% (!) in den letzten Monaten hinzunehmen haben. Der Wertverlust an den Weltbörsen beträgt bis jetzt schon 7 Billionen US-Dollar, was mehr als nach der DOT.com-Blase war. Ist damit der Spuk vorbei und sind alle denkbaren Risiken eingepreist? Keinesfalls! Es kursieren weiterhin Gerüchte, das auch unser Musterknabe Deutsche Bank AG einen Abschreibungsbedarf von 60 Mrd. USD (!?) haben soll. Zudem gibt es Gerüchte, dass UBS ein zweiter Bear Stearns-Fall werden könnte. Ich befürchte, dass wir mit weiteren Bankpleiten rechnen müssen. Die Analysten dürfen weiterhin damit befasst sein, die Vorstandsberichte dahingehend zu prüfen, ob ihre Aussagen und Berichte als Gewinnwarnungen zu interpretieren sind wie zuletzt bei der Deutsche Bank AG, Allianz (wegen Dresdner Bank), Hypo Real Estate etc.. Dabei dürfte es klar sein, dass nach „Falschaussagen“ der Vorstande bei der IKB, Hypo Real Estate und Bear Stearns sich die Vorstände jetzt ganz bewusst extrem vorsichtig ausdrücken, um nicht vollends die Glaubwürdigkeit zu verlieren. Das Problem ist, dass kein Bankenvorstand dem anderen mehr vertrauen kann, da er selbst nicht weiß, wie es um die Liquidität der anderen Bank bestellt ist und ob die Bank den Kredit zurückbezahlen kann. Es wäre schon viel geholfen, wenn er überhaupt über die Liquiditätsrisiken der eigenen Bank genauer Bescheid wüsste. Zudem gibt es ein kollektives Mißmanagement im Bankensektor, das offensichtlich die jeweiligen Aufsichtsräte überfordert.
Auf der anderen Seite sind die meisten asiatischen, amerikanischen und europäischen Unternehmen im Nicht-Finanzsektor in den letzten Jahren durch Umstrukturierungen so finanzstark geworden sind, das sie die Expansion auch aus dem eigenen Cash flow finanzieren können, also gar keine Banken nötig haben. Ein Problem entsteht aber für viele Unternehmen auf der Kostenseite durch die Rekord-Rohstoffpreise und gestiegenen Lohnkosten. Die Profitabilität dürfte damit tendenziell abnehmen. Im 4. Quartal 2007 brachen die Gewinne bei US-Banken im Durchschnitt schon um 80% ein. Nach der Subprimkrise dürfte sich nun ein erhöhter Abschreibungsbedarf bei Kreditkarten und Konsumentenkrediten einstellen. Schon im 4. Quartal 2007 stiegen die Abschreibungen nach den Angaben des Einlagensicherungsfonds in den USA (Federal Deposit Insurance Corporation, FDIC) auf Kreditkartenkredite um 33% und auf andere Konsumentenkredite um 58%, auf kommerzielle und Unternehmenskredite um 105% und auf Hypothekenkredite um 144%. Auf den Bericht der FDIC für das 1. Quartal 2008 darf man gespannt sein. Insgesamt wurden für das 4. Quartal 2007 die Abschreibungen von 8,5 auf 16,5 Mrd. USD in den USA erhöht. Wie man jetzt sieht, reicht das immer noch nicht aus. Keiner weiß bis jetzt, wie hoch die Cash-Verluste aber real sein werden. Kredite werden jetzt reihenweise an so genannte Geierfonds reihenweise verkauft. Auch die Bayerische Landesbank macht davon keine Ausnahme, so dass auf einmal Bildungseinrichtungen in Bayern mit höheren Mieten rechnen müssen, nur weil die Kredite an Geierfonds verkauft wurden, die höhere Renditen durchsetzen wollen. Fragen Sie mal ihre Bank, wo ihr Kredit jetzt gelandet ist. Der Kapitalismus läuft hier eindeutig in die falsche Richtung.
Deutsche und europäische Unternehmen sind wesentlich attraktiver bewertet als amerikanische. Vor allem locken hohe Dividendenrenditen. Bein DAX beträgt das KGV nur 10,7 und beim EuroStoxx sogar nur 10,1. Die Dividendenrenditen bei DAX-Werten liegen bei 3,1 und bei EuroStoxx-Werten sogar bei 4%. Auch die S&P-Aktien weisen mit 2,3 % eine außergewöhnlich hohe Dividendenrendite auf, wobei das KGV mit 19 deutlich höher ist. NASDAQ-Aktien haben sogar ein KGV von 32. Die große Unbekannte ist aber, wie die Unternehmensgewinne sind in diesem und nächsten Jahr bei einer sich verlangsamenden Weltkonjunktur und steigenden Kosten entwickeln werden. Auch ist es fraglich, wie sich die Inflation auf die zukünftigen Zinsen auswirken wird. Klar ist, dass negative Realzinsen für den Anleger im Anleihensektor nicht attraktiv sind. Die Inflationsrate stieg im März in Deutschland schon auf über 3%. In vielen Ländern in Osteuropa ist sie aber schon zweistellig. Die Notenbanken in Osteuropa reagieren schon seit einigen Monaten mit steigenden Zinssätzen. Die US-Notenbank zielt im Moment nur auf kurzfristige Schadensbegrenzung ab.
Mittelfristig werden die wesentlich wichtigeren langfristigen Anleihenzinsen bei anhaltend hohen Rohstoffpreisen und Agrarpreisen eher steigen. Bei Lebensmitteln sind die Preissteigerungsraten schon im deutlich zweistelligen Bereich, was besonders arme Bevölkerungsgruppen stark betrifft. Die Schere zwischen reichen und armen Bürgen klafft immer weiter auseinander. Die Mittelschicht verdünnt sich von 40 auf 20% und auch hier nimmt die Kaufkraft immer weiter ab, so dass der Konsum eher abnehmen dürfte. Neben den demographischen Problemen werden die Verschuldungsprobleme in rezessiven Phasen zu einer Anhäufung von „Problemfällen“ führen. Die steigende Inflation wird auch die Anleihenkursen später belasten, so dass die Kurse in Zukunft eher fallen dürften. Zuletzt waren die Anleihenkursen noch gestiegen, da es eine Flucht von Aktien in Anleihen gab. Aber auch hier wird der Anleger keinen „sicheren Hafen“ finden. So sind die US-Hypothekenzinsen mit einer Laufzeit von 30 Jahren schon von 5,5 auf 6% gestiegen. Die Zinsen von Junk-Bonds sind von 7 auf 9% nach oben geschnellt. Auch für osteuropäische Banken wird die Refinanzierung nun teurer. Auch ist ungewiss, wie sich der Konsum in den USA entwickelt, womit wiederum der Export von Japan/China abhängt. Die US-Einzelhandelkette JC Penney mit 150.000 Beschäftigten, bei dem angeblich jede zweite amerikanische Familie einkauft, gab am Freitag nach einer Gewinnwarnung um 7% nach.
Die KGV sind jetzt aber bei einigen ertragsstarken Unternehmen so niedrig (KGV<10), dass die Reboundchancen sehr groß sind, sobald die Finanzkrise abgehakt ist. Besonders die zuvor so gebeutelten Bankaktien und auch Immobilienaktien dürften dann kräftig zulegen. Das trifft im hohen Maß auch für osteuropäische Blue Chips zu. Auch Solaraktien haben ein hohes Reboundpotential, wobei das Timing nicht einfach ist. In Russland wird es nach dem Wechsel im Präsidentenamt eine Reihe von IPOs und Privatisierungen sowie einige bemerkenswerte Merger geben. Russland gehört also wieder auf die Watch-list. In Russland gibt es nun neue Verteilungskämpfe im T-Sektor und Rohstoffsektor unter den russischen Oligarchen. Das beste Beispiel dafür ist der Rohstoffwert Norilsk Nickel, um denen jetzt 5 russischen Oligarchen buhlen, die alle jeweils mehr als 10 Mrd. USD besitzen und die Bear Stearns mit der Portokasse übernehmen könnten. Immerhin wurde das Übernahmenangebot von JP Morgan von 2 auf 10 USD pro Aktie aufgestockt, was zu einem starken Rebound bei Finanztiteln sorgte. In Deutschland sorgen Fusionsgerüchte um die Postbank mit der Dresdner Bank/Allianz für Fantasie. Nur mit wem wird die UBS fusionieren (müssen)?
Fazit: Rechnen Sie auch weiterhin mit hoher Volatilität aufgrund weiterer Hiobsbotschaften. Bleiben Sie in Cash, halten Sie Pulver trocken und warten Sie ab, bis sich die Finanzkrise ausgetobt hat. Rein charttechnisch wird sich der Abgabedruck an den Weltbörsen noch einmal erhöhen, wenn die Wall Street wieder auf Talfahrt geht und die wichtige Chart-Marke von 11.700 beim Dow Jones oder 1250 bei S&P unterschreitet. Dies wäre die Kapitulationsphase der Bullen und des „Plung Protection-Teams“. Ein erstes Verkaufssignal entsteht schon, wenn der Dow Jones unter 12200 Indexpunkte bzw. der DAX unter 6480 Indexpunkte fällt, denn dann könnten die Tiefs vom 17. März noch einmal getestet oder gar unterschritten werden. In den USA liegt die Trading- bzw. Kampfzone zwischen Bullen und Bären beim Dow Jones in der Trading Range 11800 bis 12800 Indexpunkte. Wenn der Dow Jones über 13000 Indexpunkte steigt, kapitulieren die Bären, wenn der Dow Jones unter 11700 Indexpunkten fällt, kapitulieren die Bullen - und dies hat dann jeweils auch einen realen Grund (Bankenpleite, Bestätigung einer US-Rezession oder gar ein Terroranschlag als Reflex des neuen islamfeindlichen Videos aus den Niederlanden, das gerade die Runde macht).
Auf der anderen Seite bestehen reale Chancen für eine Frühjahrsrallye wegen der überschäumenden Liquidität und niedrigen Bewertungen - auch in Osteuropa. Eine Frühjahrsrallye kommt aber nur dann in Betracht, wenn es eine Zeit lang keine weiteren überraschenden Hiobsbotschaften aus dem Finanzsektor, weiterer Gewinnwarnungen oder Anzeichen für eine US-Rezession gibt. Mutige Anleger, die gemäß meiner Empfehlung rechtzeitig in Liquidität gegangen sind, sollten sich jetzt einen eigenen Sparplan auferlegen und schwache Kurse bei ausgewählten Qualitätsaktien und Dividendentitel zum Einstieg mit gestaffelten Abstauberlimits nutzen, insbesondere in Osteuropa, wo sich die Konjunktur immer noch als sehr robust erweist.
Hinweise: Der Autor wird am 11.4.08 um 21.30 Uhr in der 3SATBörse ein Interview über das Baltikum geben. Melden Sie sich schon jetzt an für das nächste ESI-Ostbörsen-Seminar „Go east!“ am 22. April 2008 in Frankfurt/M (siehe www.eaststock.de) oder am 23. April in München an, wo auch wieder das Szenario an den Weltbörsen für 2008 besprochen wird.
@ ad-hoc-news.de
| 29.03.08 11:57 Uhr