Jelzin ist tot – es lebe (der Nachfolger von) Putin!
+++Vorwahlkampf hinterlässt Spuren+++Neue Mega-IPOs mit Spannung erwartet+++Kreml-Aktien sidn wieder „salonfähig“ +++Seitwärtsbewegung bei Ölaktien+++Russsicher Oligarch kauft sich bei STRABAG ein+++
Vergangene Woche verstarb der ehemalige Präsident der Russischen Föderation Boris Jelzin. In seinen ersten Amtsjahren wurde er noch als Reformer mit marktwirtschaftlichen Prinzipien bejubelt. Zu seiner Zeit des „Wilden Ostens“ wurden aber auch durch Raubkapitalismus und fragwürdige Privatisierungen neue Oligarchen, also Milliardäre mit viel Wirtschaftsmacht, aus dem Nichts geboren, die im Grunde auch heute noch die russische Wirtschaft dominieren. Bezeichnenderweise sitzen in der Duma – und dies ist einzigartig auf der Welt - jetzt 33 Milliardäre, die Wirtschaft und Politik bestimmen. Ende 2000 war das Ansehen von Jelzin aufgrund der vorangegangen Finanz- und Rubelkrise, aber auch aufgrund gesundheitlicher Probleme erheblich gesunken.
Als Jelzin Ende 2000 den “no name“ Wladimir Putin als seinen Nachfolger bestimmte, stieg die Moskauer Börse über Nacht zum Jahreswechsel um 30%. Putin machte sich in den Anfangsjahren ebenfalls durch eine ganze Reihe bedeutsamer Reformen wie die Steuerreform und Bodenreform als „Reformer“ einen Namen. Zudem stieg der Ölpreis zu Zeiten Putins Präsidentschaft von 15 auf über 60 USD/Barrel, was half, Russland total zu entschulden und wieder zu einem angesehenen Player auf den Weltfinanzmärkten zu werden. Das Anleihenrating wurde von „Junk Bonds“ nach und nach auf „Investmentgrade“ hoch gestuft. Die Kurse der russischen Eurobonds stiegen von 40 auf 180. In diesem Jahr gelang es, für Rosneft von westlichen Banken problemlos einen Kredit von 22 Mrd. USD für den Erwerb von Yukos-Anteilen zu mobilisieren und eine Kapitalerhöhung für die Sberbank im Volumen von 8 Mrd. USD zu platzieren. Russische „Kreml-Aktien“ sind mithin wieder „salonfähig“ geworden. Beide Unternehmen gehören mehrheitlich dem Staat. Auch die Moskauer Börse honorierte die positive wirtschaftliche Entwicklung mit einer siebenjährigen Hausse fast ohne Unterbrechung. Russland will jetzt auch wieder mit dem hohen Rohstoffpreisen im Rücken zur Weltmacht avancieren. Das BSP soll sich in den nächsten 10 Jahren verdoppeln – allerdings von einer niedrigen Basis von 800 Mrd. USD ausgehend. Im letzten Jahr hat das BSP aber gerade mal das Niveau von 1990 erreicht. Putin gilt für westliche Investoren als Garant für relative politische Stabilität, also etwas, was man unter der Jelzin-Ära vermisste.
Der RTS-Index ereichte im April dieses Jahres sogar ein neues Allzeit-Hoch von 2000 Indexpunkten. Seit dem Tief im Jahr 1998 hat sich der Index damit mehr als vervierzigfacht und die Marktkapitalisierung der Moskauer Börse von 10 Mrd auf 1 Billion USD verhundertfacht! Auch diese Entwicklung ist einzigartig auf der Welt. Aber auch jetzt scheinen nach 8 Jahren Putin-Amtszeit die Reformkräfte ein wenig zu erlahmen. Vor sich her geschoben werden immer noch die notwendige Bankenstrukturreform und die Reformen im Energiesektor. Zudem wird der Kreml-Einfluss in der Wirtschaft insbesondere im Öl/Gassektor immer dominanter. Der Staatseinfluss in Schlüsselbranchen wie Energie, Flugzeugbau, Automobilindustrie soll sogar noch verstärkt werden. Putin ging zuletzt mit den USA wegen des geplanten Raketenabwehrschirms mit den USA und der NATO auf Konfrontationskurs und droht nun dem Ende der Abrüstung und dem Ausstieg aus dem KSE-Vertrag für konventionelle Waffen. Auch mit dem baltischen Ländern, vor allem mit Estland, gibt es seit der NATO-Mitgliedschaft immer wieder konträre Auseinandersetzungen, wie zuletzt in Tallinn, wo es wegen des Abbau eines russischen Denkmals zum Bau einer Straßenbahnlinie zu Krawallen und Toten kam. Auch Georgien wird militärisch immer noch als zu Russland zugehörig betrachtet und hier drohen im Falle der in 2008 angestrebten NATO-Mitgliedschaft militärische Konflikte. Der ehemalige Vorzeigekonzern Yukos wird nun durch Auktionen vollends zerschlagen, wovon wiederum die Kreml-Aktie Rosneft als Aufkäufer profitiert. Die Yukos-Story hinterlässt sicherlich einen faden Nachgeschmack in der Putin-Ära, die im März 2008 zumindest als Präsident zu Ende geht. Viele Auftragsmorde sind zudem immer noch nicht aufgeklärt.
Mit Spannung wird erwartet, wen Putin als seinen Nachfolger bestimmen wird. Im Gespräch sind der amtierende Verteidigungsminister Sergej Iwanow, der Aufsichtsratsvorsitzende von Gazprom Medwedew oder als „no name“ der neue Vize-Primier Sergej Naryschkin, der aus St. Petersburg stammt. Möglicherweise taucht auch noch eine vierte bisher unbekannte Person als Präsidentschaftskandidat auf. Für Putin ist es jetzt das wichtigste, dass eine kontrollierte Übergabe in seinem Sinne im März 2008 erfolgt, denn während seiner Präsidentschaft hat er sich in Russland nicht nur Freunde gemacht. Einige Oligarchen wie der in London sitzende „Asylant“ Beresosvki rufen offen zur Revolution in Russland auf. Auch der Schachweltmeister Kasparow will am Thron von Putin rütteln. Seine letzten von ihm initiierten Demonstrationen in Moskau und St. Petersburg wurden von der Polizei gewaltsam behindert. Grosse Chancen ist den Oppositionellen aber dennoch nicht einzuräumen, zumal Putin die Medien unter Kontrolle hat und er außerdem von der der Mehrheit der Bevölkerung Rückendeckung bekommt. Die Partei vom Ex-Präsidenten Gorbatschow wurde bezeichnenderweise wegen fehlender Unterschriften bzw. zu geringer Mitgliedschaften in den Regionen nicht zur Dumawahl im Dezember 2007 zugelassen. Dennoch ist mit einem heißen Herbst zu rechnen. Schon in den nächsten Monaten sollten Korrekturen auf hohem Niveau einkalkuliert werden.
Mit Spannung erwartet wird nun das IPO der zweitgrößten Bank Vneshtorgbank (VTB), die sich mit 6% an EADS beteiligt hat. Die Markkapitalisierung beträgt laut IPO-Preis schon fast 30 Mrd. US-Dollar, was sehr ambitioniert erscheint. Mit dem IPO sollen 4-6 Mrd. USD in die Kasse gespült werden. Die Sberbank hat in diesem Jahr schon durch eine Kapitalerhöhung erfolgreich über 8 Mrd. US-Dollar eingesammelt. Der Kurs notiert mittlerweile wieder fast auf Allzeit-Hoch. Mit einer Marktkapitalisierung von 86 Mrd. US-Dollar ist die Sberbank nunmehr schon der drittgrößte Wert der Moskauer Börse nach Gazprom und Rosneft. Die deutsche Beteiligungsgesellschaft KREMLIN AG hält immer noch große Stücke auf die Aktie, obwohl sich der Kurs in dem Portfolio der KREMLIN AG schon mehr als versiebzigfacht hat. Aufgrund des um 66 USD/Barrel stagnierenden Ölpreises bewegen sich Ölaktien im Moment seitwärts. Der neue Hoffnungswert der KREMLIN AG ist das erste IPO von dem Softwareunternehmen IBS, der „Microsoft“ von Russland, an der Frankfurter Wertpapierbörse Auch der Stahlwert MMK strebt nun an die Londoner Börse mit einer Marktkapitalisierung von über 11 Mrd. USD. Dem Anleger winkt eine Dividendenrendite von 12%. In diesem Jahr werden noch über 30 weitere russische IP0s erwartet, was zeigt, dass die Moskauer Börse aus den Kinderschuhen längst herausgewachsen ist. Mit einer Börsenkapitalisierung von fast 1 Mrd. US-Dollar ist sie schon etwa so groß wie die Summe aller an der Deutschen Börse AG gelisteten Untenehmen. Alleine Gazprom ist größer als EON, Allianz und Siemens zusammen genommen. Nun kaufen sich anderseits auch russische Oligarchen im Westen ein, wie jüngst das Beispiel des österreichischen Bauwertes Strabag AG zeigte. Der russische Oligarch Olek Deripaska erwarb für 1,2 Mrd. € einen 30%-igen Anteil an der Strabag AG. Vom 27. April bis 13. Mai finden die Eishockeyweltmeisterschaften in Moskau statt. Auch hier will Russland seine „wahre“ Größe unter Beweis stellen.
Hinweis: Am 28. Juni wird der Autor einen Vortrag über die „Handelsmöglichkeiten in Osteuropa in Hamburg halten. Anmeldung bei www.trading-house.net. Am 3. Mai wird der Autor in N24 um 18.00 Uhr über die Investmentchancen in Polen und der Ukraine befragt werden (siehe www.n24.de/boerse) .
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| 28.04.07 13:29 Uhr