„Gesunde“ Korrektur, Crash oder Baisse?
+++Risikofaktoren werden vernachlässigt+++Exotenbörsen in Osteuropa haben die besten Chancen – auch in der Krise+++
Ich bin ein wenig überrascht über die Kommentierung der letzten Korrektur an den Welt- und Ostbörsen in den Medien, die mal wieder sehr reißerisch war – wohl auch um die eigenen Auflagen zu erhöhen. Dabei wurde von fast allen Markteilnehmer nach dem Erreichen neuer Höchstkurse wie beim Dow Jones, DAX, Nikkei und an vielen Emerging Market-Börsen eine Korrektur geradezu herbeigesehnt. Wenn Sie dann kommt, verfallen einige „Zittrige“ aufgrund von Medienberichten sofort in Panik. Dabei war der Kursverlust auch durch die Markttechnik herbeigeführt: Wenn relativ steile Haussetrends verlassen werden, kommt es immer zu relativ kräftigen Marktreaktionen, schon weil Stopp-loss-Order (auch durch Copmputerprogramme) und Gewinnmitnahmen wie auf Knopfdruck weltweit zur Ausführung kommen. Die Korrektur in China darf nicht überbewertet werden. Relativ preiswerte Hongkongaktien haben übrigens kaum erhebliche Kursverluste bisher hinnehmen müssen. Selbst Kursverluste von 20% in wenigen Tagen – und soviel waren es nicht einmal - sind in Anbetracht der vorherigen Kursgewinne dann ganz normal. Im Gegenteil: diese Korrekten sind notwendig, damit keine Bubble-Börsen entstehen. Warnedne stimmen (wie von Jim Rogers, Marc Faber und George Soros) gab es zuletzt genug. Der Anleger sollte also mental auf diese Korrektur vorbereitet gewiesen sein. Selbst „mondsüchtige“ Astrologen haben diese Korrektur kommen sehen und punktgenau vorausgesagt: denn am 3.3.07 war sowohl Vollmond und zudem noch Mondfinsternis und einige Tage vor Vollmond soll man bekanntlich seine Aktien verkaufen, oder wussten Sie das noch nicht? Aber am 18/19.3 kommt der Neumond und dann geht es schon wieder aufwärts (also schon vorher Aktien kaufen).
Was passiert aber, wenn aus „gesunden“ Korrekturen eine Baisse oder ein Crash wird? Ein Crash ist für mich ein Kursverlust an den etablierten Weltbörsen von über 15% in wenigen Tagen. Eine Baisse ein Kursverlust von über 15% an den etablierten Weltbörsen in wenigen Monaten. Die Mai/Juni-Kursverluste vom letzten Jahr, die schon sehr heftig waren, stufe ich daher noch als „gesunde Korrektur“ ein, auch wenn damals die Moskauer und Istanbuler Börse fast um ein Drittel an Wert verloren. Aber im Juni letzten Jahres waren viele Fondsmanager und Vermögensverwalter schon sehr nervös. Das schnelle Comeback des Aktienmarktes kam ebenso überraschend wie die Heftigkeit der vorangegangen Kursverluste. Denn nach der Korrektur ging es im letzten Jahr „V-förmig“, also ohne Bodenbilding, genauso steil wie zuvor wieder nach oben und die Moskauer Börse endete sogar mit einem Kursplus von 70%. Wer im letzten Jahr gut traden konnte, hatte also an der Moskauer Börse zweimal die 70%-Chance – nämlich von Januar bis April und von Juni bis Dezember. Aber selbst für deutsche Vermögensverwalter war das letzte Jahr schwer zu managen und die meisten Vermögensverwalter lagen unter dem DAX-Durchschnitt von 22%, was auch allzu verständlich erst: denn erst werden Positionen zwangsweise durch Erreichen von Stopp-loss-Marken liquidiert und dann kommt man nicht wieder schnell genug in den Markt, da der Markt keinen Boden bildet, sondern gleich wieder steil nach oben driftet. Im Mai letzten Jahres war die japanische Notenbank mit ihrer Liquiditätsverkappung der „böse Bube“ der Welt-Finanzmärkte. Wenn so etwas mehrfach im Jahr passiert, schneiden auch die zuvor so gut abgeschnittenen Trendfolgesysteme relativ schlecht ab. Wo soll man in solchen Situationen den Stopp-loss setzen und wann soll man wieder einsteigen? Der Computer macht dies ohne Emotionen aber nicht der Mensch, der den Computer bedient. Dabei fördern computergesteuerte Programme bei solchen Chartkonstellationen wie jetzt den Verkaufsdruck, weil sie in etwa alle gleich programmiert sind. Nach verlassen von Haussetrends wird die „weltweit“ die Exittaste gedrückt. Und dann geht auch die Angst bei dem Privatanleger um. So verwundert es nicht, dass nach dem Einbruch der Börsen in China und den herben Kursverlusten beim DAX das Portal von Cortal Consors, wo sich viele Trader tummeln, völlig überlastet war und den Ansturm der „Zittrigen“ nicht gewachsen war. Nicht nur jeder private Anleger, jeder Vermögensverwalter und Fondsmanager, hat Angst davor, dass aus einer Korrektur ein Crash oder – noch schlimmer - eine Baisse werden kann, weil wir alle noch die Zeiten 2000-2003 in bester Erinnerung und damit im Gedächtnis „verankert“ haben. Bestehen für einen Crash oder eine Baisse im Moment Anzeichen?
Aufgrund der guten Liquiditätsverfassung und guten Fundamentaldaten (Rekordgewinne und Rekord-Dividenden in den USA und in Deutschland in 2006) sowie der moderaten Bewertungen (KGV in USA von 18-20 und in Deutschland von 15-17) besteht kein Anlass für einen Crash. Das Weltwirtschaftswachstum ist mit durchschnittlich 5% immer noch sehr robust, vor allem in Emerging Markets. Auch die Tatsache, dass es vorher keine Euphorie an der Börse, sondern mehr Kaufzurückhaltung gab, spricht nicht für einen kommenden Crash. Zudem haben die US-Geldmarktfonds noch ein Volumen von 2,4 Billionen USD im Retailbereich und etwa 1 Billion USD im Institutionellen Bereich. Es wird also noch viel Liquidität geparkt, was auch nicht für einen baldigen Crash spricht. Dann müsste es schon ganz „Dicke“ kommen, also mehrere Risikofaktoren gleichzeitig schlagend werden so wie es auch 1987 der Fall war. Im Moment sind 5 Haupt-Risikofaktoren auszumachen, die die internationalen Finanzmärkte und mithin auch die Ostbörsen früher oder später ordentlich „durchschütteln“ könnten. 1. Der erste Risikofaktor ist ein möglicher Iran-Krieg, den im Moment nur wenige so richtig auf der Rechnung haben, da er zu unwahrscheinlich erscheint. Falls er doch kommen sollte – und Bush ist in seinem letztern Amtsjahr alles zuzutrauen, dann entsteht nicht nur im Nahen Osten, sondern auf der ganzen Welt wegen der internationalen Terrorgefahr schlagartig ein Pulverfass. Aber selbst wenn es keinen Iran-Krieg kommt, sind noch als Risikofaktoren zu beachten 2. mögliche Schieflagen und Pleiten von großen Hedgefonds (wie Rohstofffehlspekulationen, wovor Jim Rogers eindringlich warnt) 3. damit zusammenhängend weiter steigende Zinsen in Japan, und wohlmöglich ein wieder erstarkter Yen und damit Auflösen der „Carry Trades“ (also die Aufnahme von Yen-Krediten fast zum Nulltarif und die Anlage in Rohstoffen oder in Emerging Markets, was zuvor zu einer Aufblähung der Kurse bei Rohstoffen und Emerging Markets geführt hat) 4. eine Rezession in den USA in Verbindung mit Pleiten im Immobiliensektor, die die ohnehin dramatische Verschuldungssituation in einigen Bereichen in den USA verschärfen würde (Greenspan hält eine Rezession neuerdings in der zweiten Jahreshälfte für möglich und die Auftragseingänge gingen im Januar schon mächtig zurück) und 5. last not least eine Liquiditätsverknappung und/oder Zinsängste in den USA wie im Mai letzten Jahres. Mittel- bis langfristig dürfte sich auch das Thema „Global Warming“, also die Klimaveränderung durch zunehmende Umweltkatastrophen und Milliardenschäden (Wirbelstürme, Überflutungen und Dürrekatastrophen) negativ auf die Börsen auswirken. Ich empfehle diesbezüglich sehr die Lektüre der Prognosedaten der Münchener Rückversicherung. Wenn mehrere dieser Risikofaktoren gleichzeitig schlagend werden, wird es auch wieder Finanzskandale wie beim Fall „Enron“ geben, da dann einiges ans Tageslicht kommt, was jetzt noch im Verborgenen bleibt. Auch die zu starke Verschuldung in den USA würde sich dann nachteilig auswirken. Wenn die oben genannten Risikofaktoren nicht gleichzeitig, sondern nacheinander virulent werden, besteht in der Tat auch die Möglichkeit einer Baisse in diesem Jahr. Deswegen war mein Jahresausblick auch etwas verhalten. Besonders gefährdet wären in einem solchen Szenario mögliche „Bubble-Ökonomien“ wie Vietnam, Indien und China mit Durchschnitts-KGV von weit über 20. Aber auch die etablierten Weltbörsen haben vom Kurs-Cash-Flow-Verhältnis her mit durchschnittlich 5-6 schon in etwa das gleiche Bewertungsniveau wie in 2000, sind also auch liquiditätsgetrieben (Stichwort Carry Trades) relativ hoch bewertet. Zwar haben die Unternehmen in den letzten Jahren sehr gut rationalisiert, aber zu wenig investiert, was sich negativ in der Zukunft auswirken wird. Wir mögen uns noch daran erinnern, wie heil die Welt Anfang 2000 noch war und was hinterher daraus wurde. Am wenigsten betroffen wären in einer bearishen Konstellation die Märkte, wo sich überwiegend Langfristinvestoren und wenig „hot money“ aufhalten und die Volkswirtschaften stark wachsen, also zum Beispiel einige Balkan-Länder oder Georgien. Auch Gold und Silber dürften eher die Gewinner eines solchen „Schreckensszenarios“ werden. Ein probates Mittel, um sich selbst vor unliebsamen Überraschungen in Depot zu schützen, ist konsequent Stopp-loss-Marken zu setzen und vorübergehend in Cash zu gehen. Aber wenn dies alle machen, haben wir einen Crash oder eine Baisse und das wollen wir nun auch wieder nicht. Zum Glück gibt es aber die Notenbanken, die die Finanzwelt wieder mit reichlich Liquidität versorgen können, um die Anleger bei Laune zu halten. Und es gibt die nächste „Invest“ am 16-18. März in Stuttgart, wo das Pro und Contra für die Fortsetzung der Hausse sicherlich heftig diskutiert wird. Ich werde auch da sein (am Stand von Trading-house.net AG). Schauen Sie doch mal vorbei.
Hinweis: Am 23. März in Frankfurt/M. wird der Autor beim ganztägigen, kostenlosen Börsenseminar von Trading-house.net AG einen Kurz-Vortrag über die „Handelsmöglichkeiten in Osteuropa“ halten. Anmeldung unter www.trading-house.net . Das nächste ESI-Ostbörsen-Seminar „Go East!“ (mit Schwerpunkthema Balkan- und GUS-Republiken) wird am 18. April in Frankfurt/M stattfinden. Anmeldung unter www.eaststock.de.
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| 04.03.07 11:24 Uhr