Zwei Wochen nach dem Putsch im Niger herrscht große Anspannung in der Region, denn die Nachbarstaaten drohen mit einer Militärintervention.
09.08.2023 - 18:18:05Diplomatie oder Intervention? Gipfel tagt zu Niger-Krise. Doch viele hoffen weiterhin auf eine diplomatische Lösung.
Vor einem mit Spannung erwarteten Gipfel westafrikanischer Staaten nach dem Putsch im Niger hofft die internationale Gemeinschaft weiter auf einen diplomatischen Ausweg.
Die Bundesregierung, die USA und Russland betonten erneut ihre Hoffnung auf eine gewaltlose Lösung des Konflikts, nachdem die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas einen Militäreinsatz zur Wiederherstellung der Verfassungsordnung im Niger angedroht hatte.
Wichtiger strategischer Verbündeter des Westens
Das 26-Millionen-Einwohner-Land Niger war ein wichtiger strategischer Verbündeter des Westens und die letzte demokratisch gewählte Regierung im Inneren der von islamistischen Terrorgruppen überrannten Sahelzone. Am 26. Juli hatten Offiziere der Präsidialgarde im Niger den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum entmachtet. Der Kommandeur der Eliteeinheit, Abdourahamane Tiani, ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber. Kurz nach Tianis Machtübernahme setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf.
«Wir begrüßen es natürlich, dass Ecowas sich weiter bemüht, alle diplomatischen Optionen auszuschöpfen und versucht, auf diesem Wege jetzt zu einer Lösung zu kommen. Wohl wissend, dass die Drohung mit einer Militärintervention natürlich weiter im Raum steht», sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. «Unsere Forderung ist und bleibt die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung.»
Ecowas-Treffen zu weiterem Vorgehen in Nigeria
Die Ecowas-Staatschefs treffen sich am Donnerstag in Nigerias Hauptstadt Abuja, um ihr weiteres Vorgehen zu beschließen. Der Staatenbund hatte mit Maßnahmen bis hin zu einem Einmarsch im Niger gedroht, falls die Verfassung des Nigers nicht wiederhergestellt und Bazoum wieder eingesetzt wird. Die Ecowas-Militärchefs entwarfen vergangene Woche bereits einen Plan für eine mögliche Intervention. Neben Nigeria hatten Benin, der Senegal und die Elfenbeinküste ihre Bereitschaft zum Militäreinsatz erklärt.
Allerdings ließ Nigerias Präsident Bola Tinubu erklären, dass Diplomatie «der beste Weg vorwärts» zur Lösung der Krise sei, wie sein Sprecher am Dienstag sagte. Dies sei «die Konsens-Position der Ecowas-Staatschefs». Er fügte allerdings hinzu, es seien «keine Optionen vom Tisch genommen» worden. Nigeria hat derzeit den Vorsitz des Staatenbunds.
Auch Russland sprach sich gegen eine militärische Intervention aus. Dies werde nicht zu dauerhaftem Frieden führen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Moskau am Mittwoch. Dagegen unterstütze Russland die diplomatische Vermittlung afrikanischer Staaten. «Wir halten es für äußerst wichtig, keine weitere Eskalation der Spannungen im Niger zuzulassen», sagte der Sprecher. Es gebe demnach keine Alternative zu einer Wiederherstellung der Rechtsordnung und zu einem alle Kräfte umfassenden nationalen Dialog im Niger.
US-Regierung dämpft Erwartungen
Die US-Regierung hofft weiter auf eine diplomatische Lösung - dämpft aber gleichzeitig die Erwartungen. Man habe noch Hoffnung, sei aber gleichzeitig realistisch, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Dienstag (Ortszeit) in Washington. «Ich erkenne an, dass dies eine schwierige Situation ist und dass der Ausgang ungewiss ist, aber wir sind nicht bereit, (...) den Versuch aufzugeben, eine Rückkehr zur Demokratie und zur verfassungsmäßigen Ordnung zu erreichen.» Allerdings sei der Ausgang der Krise offen und die Lage dynamisch.
US-Außenminister Antony Blinken hat nach eigenen Angaben mit dem entmachteten Präsidenten Bazoum gesprochen und dabei die Bemühungen unterstrichen, eine friedliche Lösung des Konflikts zu erreichen. Blinken bekräftigte zudem die Forderung, Bazoum und seine Familie unverzüglich freizulassen.
Tinubu ist als Ecowas-Vorsitzender nach Ansicht einer Expertin in einer schwierigen Lage. «Innenpolitisch spricht alles dagegen, gleichzeitig will Nigeria wieder regionale Führungsmacht sein und die Glaubwürdigkeit der Ecowas wieder herstellen», sagte die Nigeria-Büroleiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung, Marija Peran, der Deutschen Presse-Agentur.
Ecowas habe, damals unter dem Vorsitz von Ghana und Guinea-Bissau, bei den Coups in Mali, Burkina Faso und Guinea seit 2020 kein geeintes Vorgehen gezeigt. «Nun erbt Tinubu dieses Glaubwürdigkeitsproblem und hat die schwierige Aufgabe, sowohl Ecowas als auch Nigeria da durch zu navigieren.» Innenpolitisch rege sich in dem Land mit rund 220 Millionen Einwohnern starker Widerstand gegen eine Intervention. «Unterm Strich will die in Nigeria keiner. Sowohl die Eliten als auch die Bevölkerung sind eindeutig gegen eine militärische Intervention.»