Will sie oder nicht? Ursula von der Leyen hat die Frage nach einer möglichen zweiten Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission lange offen gelassen.
19.02.2024 - 09:26:29Stimmen für weitere Amtszeit von EU-Kommissionschefin Leyen. Nun steht eine Antwort an.
Der CDU-Vorstand berät an diesem Montag in Berlin mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Es wird erwartet, dass es unter anderem um die Kandidatur für eine zweite Amtszeit geht. Dass die 65-jährige CDU-Politikerin sie anstrebt, gilt als sicher. Öffentlich hat sie sich noch nicht erklärt. Parteichef Friedrich Merz will die Öffentlichkeit im Anschluss an die Sitzung gemeinsam mit ihr informieren.
Der CDU-Vorstand müsste von der Leyen als Kandidatin der europäischen Parteienfamilie EVP vorschlagen. An diesem Mittwoch läuft die EVP-interne Nominierungsfrist ab. Die frühere deutsche Verteidigungsministerin von der Leyen ist seit 2019 Präsidentin der EU-Kommission. Ihre Amtszeit endet am 31. Oktober. Die Mutter von sieben Kindern ist promovierte Medizinerin und war auch schon Bundesfamilienministerin und Bundesarbeitsministerin sowie Sozialministerin in Niedersachsen.
Der Posten an der Spitze der EU-Kommission muss nach den Europawahlen im Juni neu besetzt werden. Ernannt wird in der Regel ein Kandidat jener europäischen Parteienfamilie, die bei der Europawahl am besten abschneidet. In Umfragen liegt die EVP bislang klar vorn. Die Chancen sind deswegen groß, dass von der Leyen Präsidentin bleiben kann.
EVP-Kongress am 7. März
Die Wahl des EVP-Kandidaten für den Topposten soll bei einem Parteikongress am 7. März erfolgen. Dass von der Leyen dort die notwendige Stimmenmehrheit erhalten würde, gilt als sicher. Mögliche Gegenkandidaten sind nicht bekannt. Zur europäischen Parteienfamilie EVP gehören neben der deutschen CDU und CSU unter anderem die österreichische ÖVP, die italienische Forza Italia und Spaniens konservative Volkspartei PP.
Skepsis gegenüber von der Leyen unter Europaabgeordneten
Skeptisch gegenüber von der Leyen sind vor allem Europaabgeordnete. Ein Grund ist, dass die Deutsche 2019 von den Staats- und Regierungschefs für das Amt nominiert worden war, obwohl sie zuvor nicht als Spitzenkandidaten bei der Europawahl angetreten war. Der Europäische Rat verletzte damit aus ihrer Sicht das sogenannte Spitzenkandidaten-System. Das sieht vor, dass nur Spitzenkandidaten der Parteien bei der Europawahl als Präsidenten der EU-Kommission in Frage kommen sollen.
Für die Christdemokraten war das damals der CSU-Politiker Manfred Weber. Ihm gelang es letztlich aber nicht, bei den Staatschefs im Europäischen Rat eine Mehrheit hinter sich zu vereinen.
Ampel würde sich wohl hinter von der Leyen stellen
Dass sich die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP nicht gegen von der Leyen stellen würde, sollten die Christdemokraten bei der Europawahl im Juni wieder stärkste politische Kraft in der EU werden, gilt als sicher. Grund ist unter anderem, dass sonst eine Kandidatin oder ein Kandidat aus einem anderen EU-Land zum Zuge kommen würde.
Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker sprachen sich bereits für eine zweite Amtszeit der Deutschen aus. Wüst sagte dem Nachrichtenmagazin «Politico» (Montag): «Ursula von der Leyen hat ihr Amt in einer schweren Zeit ausgeübt und der Europäischen Union dabei Gesicht und Stimme in der Welt gegeben. Eine zweite Amtszeit wäre darum ein Zeichen der Stabilität, die es umso mehr braucht, jetzt, wo unsere europäischen Werte von allen Seiten attackiert werden.» Juncker sagte dem Berliner «Tagesspiegel» (Montag), von der Leyen habe «einen guten Job an der Spitze der EU-Kommission unter schwierigsten krisenhaften Umständen» gemacht. «Ich wünsche mir, dass sie wieder Kommissionspräsidentin wird.»
Kritische Anmerkungen gibt es zu von der Leyen aber aus ihrem eigenen Lager. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber sagte der «Augsburger Allgemeinen» (Montag): «Frau von der Leyen hat viel zu spät erkannt, dass man mit Bürokratie nicht Klimaschutz hinkriegt, sondern nur die Unternehmen gängelt.» Im Fall einer Wiederwahl forderte er eine Kurskorrektur: «Stichwort Nummer eins heißt nicht Green Deal (gemeint ist das EU-Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden), sondern Wettbewerbsfähigkeit und Stärkung des Binnenmarkts.»
«Forbes»: Mächtigste Frau der Welt
Als Präsidentin der EU-Kommission ist von der Leyen Chefin von rund 32.000 Mitarbeitern, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge überwachen. Zudem sitzt sie bei fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 für die EU mit am Tisch. Das US-Magazin «Forbes» kürte sie jüngst wieder zur «mächtigsten Frau der Welt».
Die bisherige Amtszeit von der Leyens wurde vor allem von der Corona-Krise und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geprägt. In der Pandemie organisierte die EU-Kommission unter anderem die gemeinsame Impfstoffbeschaffung und erarbeitete ein riesiges Wiederaufbauprogramm für die Wirtschaft.
Für den Job an der Kommissionsspitze galt von der Leyen zumindest auf dem Papier bereits 2019 als Idealbesetzung. Sie wurde in Brüssel geboren - 1958, als Walter Hallstein als erster und bis zu von der Leyen letzter Deutscher Chef der Kommission wurde. Für diese Kommission arbeitete von der Leyens Vater, der spätere niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht. Die Tochter ging auf die Europaschule - auch deshalb spricht sie gut Französisch und Englisch.