Während die Krawalle in Frankreich abebben, verspricht Präsident Macron «grundlegende Antworten».
04.07.2023 - 08:23:21Frankreich ringt um politische Konsequenzen. Besonders betroffenen Städten soll geholfen werden - denn die Schäden sind enorm.
Mit Abklingen der schweren Unruhen in Frankreich nach dem Tod eines Jugendlichen durch einen Polizeischuss rücken die politischen Konsequenzen in den Fokus.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versprach «grundlegende Antworten». Bei einem Treffen mit 241 Bürgermeistern der von den Ausschreitungen besonders betroffenen Städte sagte Macron heute, es gehe nicht darum, seit Jahrzehnten praktizierte Dinge zu wiederholen, berichtete der Sender BFMTV. Nötig sei eine «Antwort auf der Höhe dessen, was wir erlebt haben». Der Höhepunkt der Ausschreitungen sei überschritten, so der Präsident, obwohl in den kommenden Tagen und Wochen weiterhin Vorsicht geboten sei. «Es ist die dauerhafte Ordnung, die wir als oberste Priorität angehen müssen.»
Bei dem Treffen mit den Bürgermeistern wollte Macron sich nach Regierungsangaben zunächst über die Lage in den Städten informieren. Neben moralischer Unterstützung will der Präsident Hilfe bei der Reparatur beschädigter Rathäuser und anderer öffentlicher Einrichtungen anbieten. An dem Treffen nahm auch der Bürgermeister des Pariser Vorortes L'Haÿ-les-Roses, Vincent Jeanbrun, teil, dessen Privathaus Randalierer am Wochenende mit einem Auto gerammt und in Brand gesteckt hatten.
Rund 45.000 Polizeikräfte im Einsatz
Gestern Abend besuchte Macron mit Innenminister Gérald Darmanin eine Polizeiwache in Paris, um den Sicherheitskräften den Rücken zu stärken. Premierministerin Élisabeth Borne hatte zuvor mit den Fraktionsvorsitzenden beider Parlamentskammern über die Krise beraten. Am wichtigsten sei nun, die Ruhe im Land wiederherzustellen mit massiver Polizeipräsenz und einem entschiedenen Vorgehen der Justiz, sagte Borne.
Nach Regierungsangaben wurden in den vergangenen Tagen über 3400 Menschen bei Ausschreitungen festgenommen. 684 Polizisten und Feuerwehrleute seien verletzt worden. Laut dem Sender BFMTV wurden erste Beteiligte bereits im Schnellverfahren verurteilt, unter anderem zu Haftstrafen mit elektronischer Fußfessel.
Größere Ausschreitungen blieben in der Nacht aus. In Nanterre bei Paris, wo der 17 Jahre alte Jugendliche am Dienstag vergangener Woche von einem Polizisten erschossen worden war, blieb es trotz einzelner Sachbeschädigungen ruhig, wie BFMTV berichtete. Im Großraum Paris kam es zu 17 Festnahmen. Erneut waren landesweit rund 45.000 Polizeikräfte im Einsatz, um für Ruhe zu sorgen.
Arbeitgebervereinigung beziffert Schäden
Der wirtschaftliche Schaden durch die anhaltenden Unruhen in Frankreich ist nach Einschätzung der Arbeitgebervereinigung Medef gewaltig. «Es ist noch zu früh, um eine genaue Zahl zu nennen, aber wir liegen bei über einer Milliarde Euro, ohne die Schäden für den Tourismus zu berücksichtigen», sagte Medef-Chef Geoffroy Roux de Bézieux der Zeitung «Le Parisien». Über 200 Geschäfte seien vollständig geplündert, 300 Bankfilialen zerstört und 250 Kioske in Mitleidenschaft gezogen worden.
«Die Videos der Unruhen, die in der ganzen Welt kursierten, beschädigen das Image Frankreichs», sagte der Arbeitgeber-Chef. «Es ist immer schwer zu sagen, ob die Auswirkungen dauerhaft sind, aber es wird sicherlich einen Rückgang der Buchungen in diesem Sommer geben, obwohl die Saison vielversprechend war.» Einige Touristen hätten ihre Aufenthalte bereits storniert.
Tödliche Verkehrskontrolle
Seit dem Tod des 17-jährigen Nahel durch eine Polizeikugel bei einer Verkehrskontrolle wurde Frankreich von schweren Krawallen erschüttert. Vor allem nachts herrschten teils chaotische Zustände auf den Straßen. Wiederholt kam es zu Plünderungen, Brandanschlägen und gewaltsamen Konfrontationen zwischen Polizisten und Randalierern.
Gegen den Beamten, der den Schuss auf den Jugendlichen abgab, wird wegen Totschlagverdachts ermittelt. Frankreich sei ein Rechtsstaat und auch die Polizei an Gesetze gebunden, betonte die Regierung. Die Polizei habe aber keine systemischen Probleme mit Rassismus oder leichtfertigem Einsatz von Schusswaffen. Gerade in den vergangenen Tagen habe sie vielmehr Professionalität und Augenmaß bewiesen - trotz heftiger Ausschreitungen seien weder Randalierer noch Beamte zu Tode gekommen. Der Tod des Jugendlichen sei gleichwohl tragisch und bewege verständlicherweise die Gemüter. Auf Forderungen nach einer Polizeireform ging die Regierung bisher nicht ein.