Geiselfreilassung, Gaza

Von «Komplikation in letzter Minute» ist die Rede: Die an diesem Donnerstag erwartete Freilassung Dutzender Geiseln im Gazastreifen verzögert sich laut israelischen Medienberichten.

23.11.2023 - 05:59:51

Geiselfreilassung von Gaza nach Israel offenbar erst Freitag. Der Überblick.

  • Israelische Soldaten zeigen den Medien einen unterirdischen Tunnel, der unter dem Schifa-Krankenhaus gefunden wurde. - Foto: Victor R. Caivano/AP/dpa

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  • US-Präsident Joe Biden macht eine Pause während eines Treffens mit dem israelischen Premierminister Netanjahu. - Foto: Miriam Alster/AP/dpa

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  • Israelische Soldaten zeigen den Medien einen unterirdischen Tunnel, der unter dem Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt gefunden wurde. - Foto: Victor R. Caivano/AP/dpa

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Israelische Soldaten zeigen den Medien einen unterirdischen Tunnel, der unter dem Schifa-Krankenhaus gefunden wurde. - Foto: Victor R. Caivano/AP/dpaUS-Präsident Joe Biden macht eine Pause während eines Treffens mit dem israelischen Premierminister Netanjahu. - Foto: Miriam Alster/AP/dpaIsraelische Soldaten zeigen den Medien einen unterirdischen Tunnel, der unter dem Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt gefunden wurde. - Foto: Victor R. Caivano/AP/dpa

Die zwischen Israel und der islamistischen Hamas vereinbarte Freilassung von Geiseln aus dem Gazastreifen verzögert sich. «Der Beginn der Freilassung wird gemäß der ursprünglichen Vereinbarung zwischen den Seiten und nicht vor Freitag erfolgen», teilte Israels Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi am späten Mittwochabend mit. Nach Angaben aus Katar soll der genaue Zeitpunkt der Feuerpause am Donnerstag bekanntgegeben werden. Ein Sprecher des katarischen Außenministeriums sagte am Morgen, dies werde «in ein paar Stunden» geschehen.

Die Hamas hatte am Vortag noch erklärt, die vereinbarte Kampfpause solle am Donnerstag um 9.00 Uhr MEZ beginnen. Entsprechend war der erste Austausch von in Israel entführten Geiseln gegen palästinensische Häftlinge noch für denselben Tag erwartet worden. Derweil gab es laut Israels Armee am Donnerstagmorgen wieder Raketenalarm im Grenzgebiet.

Armeesprecher: Rückführung der Geiseln kann dauern

«Die Gespräche über die Freilassung unserer Geiseln schreiten voran und werden laufend fortgesetzt», sagte Hanegbi am Mittwochabend. Militärsprecher Daniel Hagari hatte zuvor mitgeteilt, das israelische Militär bereite die Umsetzung der ersten Phase der Vereinbarung zwar vor, die Rückführung der in den abgeriegelten Küstenstreifen verschleppten Menschen könne allerdings Zeit in Anspruch nehmen und werde in mehreren Etappen ablaufen.

Ein israelischer Beamter erklärte die Verzögerung laut «Times of Israel» zufolge damit, dass entgegen der bisherigen Auffassung der israelischen Seite sowohl Israel als auch die islamistische Hamas zunächst ein Dokument zur Ratifizierung des Abkommens unterzeichnen müssten, damit es in Kraft treten könne. Das Dokument werde hoffentlich innerhalb der nächsten 24 Stunden unterzeichnet, so dass die ersten Geiseln am Freitag freigelassen werden könnten. Die «Jerusalem Post» sprach von einer «Komplikation in letzter Minute».

Beide Seiten hatten sich zuvor auf eine maximal zehntägige Feuerpause in Israel und dem Gazastreifen geeinigt. Teil der Vereinbarung ist ein Austausch von bis zu 100 Geiseln aus Israel gegen bis zu 300 palästinensische Insassen israelischer Gefängnisse.

Israels Luftwaffe führt Schlag gegen Hisbollah aus

Die in Verbindung zur Hamas stehende und ebenfalls mit Israel verfeindete Hisbollah-Miliz im Libanon, die sich seit Beginn des Gaza-Krieges vor knapp sieben Wochen immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen mit Israels Militär liefert, ist der «Jerusalem Post» zufolge nicht Teil des Abkommens. Die Zwischenfälle an der Grenze zum Libanon, die zu eskalieren drohen, hätten keinen Einfluss darauf. Unterdessen griff Israel nach eigenen Angaben in der Nacht zu Donnerstag Ziele der proiranischen Miliz im Libanon an.

Sicherheitskreise: Elite-Mitglieder der Hisbollah getötet

Das israelische Militär meldete, Kampfflugzeuge hätten Infrastruktur der Schiiten-Miliz attackiert. Die Hisbollah gab bekannt, dass mindestens fünf ihrer Mitglieder getötet worden seien. Darunter sei der Sohn des Vorsitzenden des parlamentarischen Blocks der Hisbollah im libanesischen Parlament, Mohamed Raad. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus libanesischen Sicherheitskreisen erfuhr, handelte es sich um Mitglieder der Elite-Brigade der Hisbollah, Al Radwan. Demnach wurde ein Haus im Dorf Beit Yahoun in Südlibanon getroffen.

Es besteht Sorge, dass sich der Gaza-Krieg auf den Libanon ausweiten könnte. Die Hisbollah gilt als einflussreicher und deutlich schlagkräftiger als die Hamas. Zudem gilt die Hisbollah als wichtigster nichtstaatlicher Verbündeter des Irans und zählt zur selbst ernannten «Widerstandsachse», einer Front von Milizen mit dem Ziel, Irans Erzfeind Israel zu bekämpfen.

Biden: Machen uns für Freilassung aller Geiseln stark

US-Präsident Joe Biden begrüßte den Deal mit der Hamas und versicherte Israels Regierung, sich für die Freilassung aller Geiseln stark zu machen. Biden habe in einem Telefonat mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Mittwoch darüber gesprochen, dass eine Feuerpause es ermöglichen werde, dringend benötigte humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu bringen, so das Weiße Haus.

Israels Armee: Tunnel unter Schifa-Krankenhaus freigelegt

Die israelische Armee hat unterdessen nach eigenen Angaben weitere Teile eines mutmaßlichen Hamas-Tunnelsystems unter dem Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen freigelegt. Das Militär veröffentlichte am Mittwochabend Videos und Bilder, auf denen weitere Eingänge zu Tunneln sowie unterirdische Räume und Verstecke zu sehen waren. Die israelischen Streitkräfte vermuten unter dem größten Krankenhaus im Gazastreifen eine Kommandozentrale der Hamas.

Erst vor wenigen Tagen entdeckte das Militär während des umstrittenen Einsatzes in der Klinik einen Schacht, der nach Angaben der Armee zu einer Tunnelstrecke führt, an dessen Ende sich nach 55 Metern eine «explosionssichere» Tür befand. Wie die Armee nun bekanntgab, befinden sich hinter der erst kürzlich aufgebrochenen Tür ein klimatisierter Raum und ein Badezimmer sowie weitere Schächte. Nach Angaben des Militärs erstreckt sich das Tunnelsystem unter dem gesamten Krankenhausgebäude sowie weiteren Gebäuden in der Gegend.

Nach Einschätzung des Militärsprechers Hagari sind die Ergebnisse der Erkundung Beweise für die «bewusste Vorgehensweise der Hamas, unter Krankenhäusern zu agieren». Die Klinik sei gezielt als Waffenlager und Kommandozentrale der Hamas genutzt worden. Die Hamas bestreitet dies. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Roter Halbmond evakuiert 190 Menschen aus Schifa-Krankenhaus

Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds wurden derwezil weitere Patienten aus dem Krankenehaus evakuiert. 14 Krankenwagen sowie zwei UN-Busse hätten 190 Verletzte und Kranke, deren Begleiter und einige medizinische Mitarbeiter in Krankenhäuser in Chan Junis und Rafah im Süden des Gazastreifens gebracht, teilte die Hilfsorganisation mit. Es blieb unklar, wie viele der 190 Verletzte und Kranke waren. «Viele andere Verletzte und ihre Begleiter sind samt medizinischer Mitarbeiter noch im Krankenhaus.»

Die Evakuierung mit Unterstützung der Vereinten Nationen (UN) habe fast 20 Stunden gedauert, teilte der Rote Halbmond mit. Der Konvoi sei behindert und an einem Kontrollpunkt, der den nördlichen vom südlichen Gazastreifen trennt, ausführlich durchsucht worden. Das Leben der Verwundeten und Kranken sei dadurch gefährdet worden.

Israel nimmt Direktor von Schifa-Krankenhaus fest

Das israelische Militär nahm nach eigenen Angaben den Direktor des Schifa-Krankenhauses im Gazastreifen fest. Beweise zeigten, dass das Schifa-Krankenhaus unter seiner Leitung als ein Kommando- und Kontrollzentrum der islamistischen Hamas gedient habe, teilten die Armee und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet am Donnerstag mit. Der Direktor sei zur Befragung an den Nachrichtendienst übergeben worden.

Die Hamas verurteilte die Festnahme von Mohammad Abu Salamia. Bei der Festnahme sei der Direktor auf dem Weg vom nördlichen Teil des Gazastreifens in den Süden gewesen, teilte das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium mit. Abu Salamia war demnach mit weiteren Ärzten unterwegs.

Die israelische Armee teilte mit: «Das Hamas-Terrortunnel-Netzwerk unter dem Krankenhaus hat auch Strom und Ressourcen ausgebeutet, die aus dem Krankenhaus genommen wurden.» Zudem habe die Hamas zahlreiche Waffen in dem Krankenhaus und auf dem Gelände gelagert. Hamas-Terroristen hätten nach dem Massaker am 7. Oktober Geiseln in das Krankenhaus mitgenommen, hieß es weiter. Ein pathologischer Bericht habe die Ermordung einer israelischen Soldatin auf dem Klinikgelände bestätigt.

Israel: Alle Hamas-Führer sind dem Tod geweiht

Netanjahu hatte zuvor erklärt, der Krieg im Gazastreifen gegen die Hamas werde nach Umsetzung der Vereinbarung über eine Feuerpause weiter fortgesetzt. Sein Verteidigungsminister Joav Galant sagte laut der «Times of Israel», alle Hamas-Führer würden getötet. «Der Kampf ist weltweit: Vom Bewaffneten im Feld bis hin zu denen, die sich in Luxusjets vergnügen, während ihre Abgesandten gegen Frauen und Kinder vorgehen - sie sind dem Tod geweiht».

Palästinenser in Ägypten können Freitag in Gazastreifen reisen

In Ägypten gestrandete Palästinenser, die freiwillig zurück in den Gazastreifen wollen, können am Freitag dorthin einreisen. Das teilte die Grenzbehörde auf palästinensischer Seite am Übergang Rafah am Donnerstag mit. Die ägyptische Seite habe über die geplante Grenzöffnung für diese Personengruppe informiert. Die palästinensische Botschaft in Ägypten bestätigte, dass im Nord-Sinai gestrandete Palästinenser am Freitag nach Gaza reisen könnten. Nach palästinensischen Angaben sind im Küstenort Al-Arisch nahe Rafah mehr als 900 Palästinenser gestrandet.

Medienberichten zufolge hielten sich bei Beginn des Gaza-Kriegs Hunderte Palästinenser aus Gaza in Ägypten auf. Sie seien etwa zu ärztlichen Behandlungen, anderen Terminen oder zur Durchreise ins Land gekommen. Viele hätten dann versucht, vor Schließung des Grenzübergangs Rafah nach Gaza zu kommen, hätten es aber nicht rechtzeitig geschafft. Hunderte seien im Küstenort Al-Arisch im Nord-Sinai gestrandet, berichtete der Nachrichtensender Al-Dschasira.

@ dpa.de