Israel, Fronten

Nicht nur in Gaza oder an der Grenze zum Libanon kämpft Israel.

02.01.2024 - 05:28:29

Israel kämpft an mehreren Fronten. Auch innenpolitisch sorgt eine Gerichtsentscheidung zur umstrittenen Justizreform für Zündstoff. Die News im Überblick.

Während sich Israels Armee im Gazastreifen weiter heftige Kämpfe mit der islamistischen Hamas liefert, droht im eigenen Land eine Staatskrise.

Israels Oberstes Gericht hat mit seiner Entscheidung vom Montag, ein Kernelement der umstrittenen Justizreform in dem Land zu kippen, dem ohnehin angeschlagenen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu einen weiteren innenpolitischen Schlag versetzt. Ob sich dies auf die weitere Kriegsführung auswirkt, ist ungewiss. Die Armee stellt sich jedenfalls auf einen noch langen Kampf gegen die Hamas ein, auch wenn sie einstweilen einige ihrer Reservisten von der Front nun abzieht.

Netanjahus Partei kritisiert Gerichtsentscheid

«Die Gerichtsentscheidung widerspricht dem Willen des Volkes nach Einigkeit vor allem in Zeiten des Krieges», kritisierte Netanjahus rechtskonservative Likud-Partei. Das Gericht hatte zuvor eine Grundgesetzänderung der Regierung für nichtig erklärt, die ihm die Möglichkeit genommen hatte, gegen «unangemessene» Entscheidungen der Regierung vorzugehen. Kritiker sahen darin eine Gefahr für Israels Demokratie. Monatelang war es zu Massenprotesten gekommen. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte am Montag, die Hamas habe ihren Überfall möglicherweise auch deshalb am 7. Oktober ausgeführt, weil sie die israelische Gesellschaft im Chaos wähnte.

Israels Armee reagiert auf Raketenbeschuss

Unterdessen feuerte die Armee nach eigenen Angaben in Reaktion auf erneuten Raketenbeschuss aus Syrien und dem Libanon zurück. Wie sie Abend mitteilte, flogen fünf aus Syrien abgeschossene Raketen nach Israel und gingen in offenem Gelände nieder. Kampfflugzeuge hätten daraufhin die Abschussorte angegriffen. An Israels nördlicher Grenze habe zudem ein Kampflugzeug «terroristische Infrastruktur» der Hisbollah-Miliz im Libanon getroffen. Von dort aus seien am Montag Raketen in Richtung einer nordisraelischen Siedlung abgefeuert wurden, hieß es weiter.

Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Massaker von Terroristen der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen in Israel am 7. Oktober kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und der Hisbollah in der Grenzregion. Die Sicherheitslage in der gesamten Region ist seit dem Beginn des Gaza-Krieges sehr angespannt. Auch die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts wächst. Die USA haben Israel dazu gedrängt, in Gaza von der intensiven Phase mit heftigen Bombardierungen zu gezielteren Schlägen gegen die Hamas überzugehen.

Mehr als 4000 Schüler in Gaza getötet

Seit Beginn des Gaza-Kriegs sind nach Angaben des palästinensischen Bildungsministeriums im Gazastreifen mindestens 4119 Schülerinnen und Schüler getötet worden. In dem Zeitraum seien 7539 weitere verletzt worden, teilte das Ministerium nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa mit. Darüber hinaus seien im Gazastreifen 221 Lehrerinnen und Lehrer sowie Verwaltungsbeamte getötet worden. Nach Angaben des Ministeriums wurden 278 öffentliche und 65 UN-Schulen bei Angriffen beschädigt oder zerstört.

UN-Einrichtungen dienen nach Angaben der Vereinten Nationen 1,4 Millionen der insgesamt 1,9 Millionen Binnenflüchtlingen im Gazastreifen als Notunterkunft. Es gab immer wieder Berichte über Tote und Verletzte bei israelischen Angriffen auf Schulgebäude. Die israelische Armee wirft der islamistischen Hamas vor, Schulen, Moscheen und Krankenhäuser im Gazastreifen systematisch für militärische Zwecke zu missbrauchen.

Hat eine neue Phase im Gaza-Krieg begonnen?

Die Zeitung «New York Times» zitierte in der Nacht Militäranalysten und US-Beamte, wonach der von Israels Armee angekündigte zumindest einstweilige Abzug einiger Reservisten von der Front wahrscheinlich signalisiere, dass ein solcher Phasenwechsel nun begonnen habe. Angesichts der katastrophalen humanitären Lage in dem abgeriegelten Küstengebiet und der hohen Zahl ziviler Opfer geriet Israel zuletzt international immer mehr in die Kritik.

Menschenrechtskommissar: Anzeichen für Kriegsverbrechen

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sieht in dem Krieg Anzeichen für Kriegsverbrechen und womöglich Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er nennt auf der Seite der Palästinenser den Terrorüberfall auf Israel am 7. und 8. Oktober, das wahllose Abfeuern von Geschossen auf Israel und das militärische Agieren aus zivilen Einrichtungen heraus. Zu Israel sagte Türk der Deutschen Presse-Agentur in Genf: «Wenn man sich anschaut, wie Israel darauf reagiert hat, da habe ich schwere Bedenken, was die Einhaltung sowohl der Menschenrechte als auch des internationalen humanitären Rechts betrifft.»

Bei den schweren israelischen Bombardierungen seien 70 Prozent der Betroffenen Frauen und Minderjährige. «Man kann davon ausgehen, dass der Großteil von denen, die getroffen worden sind, Zivilisten sind», sagte der Österreicher der dpa. «Darüber hinaus ist eine kollektive Bestrafung der Palästinenser ein Kriegsverbrechen. Natürlich müssen letztlich Gerichte beurteilen, wer welche Straftaten begangen hat.»

Die Zahl der bei israelischen Angriffen auf die islamistische Hamas getöteten Bewohner des Gazastreifens ist nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf 22.185 gestiegen. Das waren 207 mehr als am Vortag. Weitere 57.035 Menschen seien seit Kriegsbeginn verletzt worden, teilte die Behörde weiter mit. Es handele sich überwiegend um Zivilisten. Die Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht überprüfen.

Hilfe über den Wasserweg

In Ägypten sind erstmals Hilfsgüter per Schiff von Zypern aus für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen angeliefert worden. Das teilte die zyprische Regierung in Nikosia mit. Die Hilfsgüter sollen in Abstimmung mit dem Ägyptischen Roten Halbmond zum Grenzübergang Rafah im Süden des Gazastreifens gebracht werden.

Bei dem Schiff handelte es sich um die RFA Lyme Bay, ein Docklandungsschiff der britischen Marine, das vom zyprischen Hafen Larnaka aus in See gestochen war. Die britische Botschaft in Zypern teilte mit, an Bord seien rund 90 Tonnen Hilfsmaterial, darunter Thermodecken und Zelte sowie zehn Tonnen Medikamente gewesen.

@ dpa.de