Israel, Krieg

Nach fast drei Monaten Krieg beschreiben UN-Vertreter das Leben im Gazastreifen als ständigen Überlebenskampf.

01.01.2024 - 16:38:25

Israel erwartet Krieg «im Verlauf dieses ganzen Jahres». Ein Ende ist nicht in Sicht. Das neue Jahr begann mit Angriffen von beiden Seiten.

  • Die Hamas feuert Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ab. - Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

    Abed Rahim Khatib/dpa

  • Israelische Soldaten laden nahe der Grenze zum Gazastreifen Granaten auf einen Panzer. - Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

    Ohad Zwigenberg/AP/dpa

Die Hamas feuert Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ab. - Foto: Abed Rahim Khatib/dpaIsraelische Soldaten laden nahe der Grenze zum Gazastreifen Granaten auf einen Panzer. - Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

Zum Jahresbeginn stellt sich Israels Armee auf einen länger andauernden Krieg im Gazastreifen ein. «Die Ziele des Krieges erfordern einen längeren Kampf, und wir bereiten uns entsprechend vor», sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Das Militär müsse im Voraus planen, «mit dem Wissen, dass wir während dieses ganzen Jahres weitere Aufgaben erfüllen und weiterkämpfen müssen». UN-Vertreter beschrieben die Lage im Gazastreifen zuletzt als täglichen Überlebenskampf.

Man passe die Truppenaufstellung nun dementsprechend an und erlaube einigen Reservisten diese Woche die einstweilige Rückkehr zu ihren Familien und an ihren Arbeitsplatz, schilderte Hagari. Dies werde Israels Wirtschaft entlasten und es den Reservesoldaten ermöglichen, «Kraft für die bevorstehenden Aktivitäten» in diesem Jahr zu sammeln. Die Kämpfe würden weitergehen und die Reservisten weiter benötigt. Zudem setze man die Ausbildung aller Offiziere fort.

Nach jüngsten Angaben des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA sind 40 Prozent der Menschen in Gaza von einer Hungerkatastrophe bedroht. «Jeder Tag ist ein Kampf ums Überleben, um das Finden von Nahrung und Wasser», erklärte der Gaza-Direktor von UNRWA, Thomas White.

In den vorübergehenden Unterkünften mit Zehntausenden Vertriebenen auf engstem Raum nehmen Krankheiten nach Angaben des UN-Nothilfebüros zu. Gesundheitsdienste seien überfordert. Immer wieder neue, von Israel angeordnete Vertreibungen machten ihre Aufgabe noch schwieriger.

Der Krieg in Gaza dauert mittlerweile fast drei Monate an. Auslöser war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober in Israel verübt haben.

Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und begann Ende Oktober mit einer Bodenoffensive. Ziel ist die völlige Zerstörung der Hamas. Angesichts der katastrophalen humanitären Lage in dem abgeriegelten Küstengebiet und der hohen Zahl ziviler Opfer geriet Israel zuletzt international immer mehr in die Kritik. Die Zahl der getöteten Palästinenser beläuft sich nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf 21 978. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Bericht: Israel bereitet Prozess zu Hamas-Massaker vor

Israelische Ermittler rekonstruieren aktuell anhand von rund 200.000 Fotos und Videos sowie 2000 Zeugenaussagen das Massaker vom 7. Oktober in der Absicht, ein Gerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen einzuleiten, wie das «Wall Street Journal» berichtete. Es dürfte das bedeutendste Verfahren seit dem Prozess gegen den NS-Verbrecher Adolf Eichmann in Israel im Jahr 1961 werden. Dieser hatte während der NS-Zeit Millionen Juden in Vernichtungslager deportieren lassen. Eichmann wurde zum Tode verurteilt und gehängt.

Gerichtsmedizinische Beweise, die der Zeitung nach eigenen Angaben von israelischen Beamten zur Verfügung gestellt wurden, zeigten unter anderem, dass einige Opfer bei lebendigem Leibe verbrannt worden seien. Auf Fotos seien Verstümmelungen an Körpern der Opfer zu sehen, darunter auch der Geschlechtsorgane von Männern und Frauen. Die Leichen von Frauen und Mädchen wiesen demnach diverse Anzeichen sexueller Gewalt auf. Die Hamas bestreitet, Kinder getötet und Frauen vergewaltigt zu haben.

29 israelische Soldaten durch Unfall oder Eigenbeschuss getötet

Jeder Sechste der seit Beginn der Bodenoffensive im Gazastreifen gefallenen israelischen Soldaten ist versehentlich durch eigene Kameraden oder einen Unfall getötet worden. Die israelische Armee bestätigte entsprechende Medienberichte.

Dies betreffe insgesamt 29 Soldaten. 18 davon seien durch Beschuss eigener Truppen - «friendly fire» - ums Leben gekommen. Zwei weitere wurden durch einen versehentlich gelösten Schuss getötet und neun weitere durch Unfälle etwa mit Munition.

Raketenalarm in Israel zu Neujahrsbeginn

In der Neujahrsnacht gab es in Israel unterdessen erneut Raketenalarm in mehreren Städten. An der Grenze zum Gazastreifen und im Landesinnern heulten die Sirenen, wie die Armee mitteilte. Der bewaffnete Arm der islamistischen Hamas, die Kassam-Brigaden, reklamierte Raketenangriffe auf den Großraum Tel Aviv für sich.

Nach israelischen Medienberichten wurden mehr als 20 Raketen Richtung Israel abgefeuert. Die meisten seien abgefangen worden. Nach Angaben des Rettungsdienstes wurden zunächst keine Verletzten gemeldet.

Die Armee berichtete, den Kommandeur der Hamas-Einheit «Nuchba» (Deutsch: Elite) in Dair al-Balah im zentralen Abschnitt des Küstenstreifens bei einem Luftangriff getötet zu haben. Er sei führend an dem Terrorangriff am 7. Oktober beteiligt gewesen. Von der Hamas gab es dazu zunächst keine Reaktion. Am Montag dauerte auch der gegenseitige Beschuss an Israels Grenze zum Libanon an.

Ehemaliger palästinensischer Minister getötet

Bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen wurde nach Medienberichten auch ein ehemaliger Minister der Palästinensischen Autonomiebehörde getötet. Scheich Jussef Salama, ehemaliger Minister für religiöse Angelegenheiten sowie Prediger in der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem, sei am Sonntag durch einen Angriff auf sein Haus im Flüchtlingsviertel Al-Maghasi getötet worden, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Auch Angehörige des 68-Jährigen seien dabei verletzt worden. Die Ehefrau des Ministers starb nach palästinensischen Angaben später an ihren Verletzungen.

US-Militärhubschrauber versenken Boote von Huthi-Rebellen

Unterdessen kam es bei Angriffen jemenitischer Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe im Roten Meer zu einer direkten Auseinandersetzung mit dem US-Militär. Die proiranische Gruppe habe ein dänisches Containerschiff von vier kleinen Booten aus mit Kleinwaffen angegriffen und versucht, auf das Schiff zu gelangen, teilte das zuständige US-Regionalkommando mit. Ein Sicherheitsteam an Bord habe das Feuer erwidert. US-Kräfte seien dann eingeschritten.

«Die Hubschrauber der US-Marine erwiderten das Feuer in Selbstverteidigung, versenkten drei der vier kleinen Boote und töteten die Besatzungen», hieß es. «Das vierte Boot floh aus dem Gebiet.» Auf US-Seite habe es keine Schäden oder Verletzte gegeben.

Seit Ausbruch des Gaza-Krieges greifen die Huthis immer wieder Schiffe mit angeblich israelischer Verbindung im Roten Meer an. Auch greifen sie Israel immer wieder direkt mit Drohnen und Raketen an.

@ dpa.de