Attentat, Regierungschef

Ministerpräsident Fico sucht das Gespräch mit Bürgern, da fallen Schüsse.

16.05.2024 - 05:28:44

Attentat auf Regierungschef Fico erschüttert Slowakei. Wie es ihm nach der OP genau geht, ist unklar. Der Täter hatte «ein klar politisches Motiv», sagt der Innenminister.

  • Innenminister Matus Sutaj Estok informiert auf einer Pressekonferenz. Das Attentat auf Fico hat nach Einschätzung der Regierung ein «klar politisches Motiv». - Foto: Denes Erdos/AP/dpa

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  • Robert Fico ist beliebt - polarisiert aber zugleich wie kaum ein anderer (Archivbild). - Foto: Martin Baumann/tasr/dpa

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  • Leibwächter bringen den slowakischen Regierungschef Robert Fico nach dem Attentat in einem Auto in Sicherheit. - Foto: Radovan Stoklasa/TASR/dpa

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Innenminister Matus Sutaj Estok informiert auf einer Pressekonferenz. Das Attentat auf Fico hat nach Einschätzung der Regierung ein «klar politisches Motiv». - Foto: Denes Erdos/AP/dpaRobert Fico ist beliebt - polarisiert aber zugleich wie kaum ein anderer (Archivbild). - Foto: Martin Baumann/tasr/dpaLeibwächter bringen den slowakischen Regierungschef Robert Fico nach dem Attentat in einem Auto in Sicherheit. - Foto: Radovan Stoklasa/TASR/dpa

Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico soll nach Angaben von einem der Vizeregierungschefs des Landes nach dem Attentat außer Lebensgefahr sein. Nach seinem Kenntnisstand sei die Operation gut verlaufen und Fico befinde sich «im Moment nicht in lebensbedrohlichem Zustand», sagte der rechtspopulistische Umweltminister Tomas Taraba in der Nacht der BBC.

Taraba ist einer von vier Vertretern Ficos. Eine offizielle Bestätigung des Regierungsamts oder der von Fico geführten linkspopulistischen Regierungspartei Smer liegt am Morgen nicht vor. Deshalb beriefen sich auch slowakische Medien durchweg auf Tarabas Äußerungen in der BBC. Slowakische Medien hatten am frühen Morgen berichtet, Fico habe nach der Operation wieder das Bewusstsein erlangt.

Ficos erster Stellvertreter in der Regierung, Verteidigungsminister Robert Kalinak, sagte der Nachrichtenagentur TASR, der Zustand habe sich «stabilisiert, sei aber weiterhin ernst». Eine Krankenhaussprecherin teilte mit, Fico sei fünf Stunden lang operiert worden. Wegen einer Informationssperre des Krankenhauses gab es nur zögerliche Informationen und viele Spekulationen über den Gesundheitszustand

Was ist passiert?

Der 59-Jährige war am Mittwoch von einem Attentäter angeschossen worden und musste sich in der Regionalhauptstadt Banska Bystrica einer mehrstündigen Notoperation unterziehen. Die Polizei nahm den Angreifer fest. Das Attentat hat das EU- und Nato-Land in einen Schockzustand versetzt und löste international Bestürzung aus. Die slowakische Regierung will ab 11.00 Uhr zu seiner Sondersitzung zusammenkommen. Zeitgleich soll auch der nationale Sicherheitsrat über die Lage beraten.

Wer ist der Attentäter?

Nach Angaben von Innenminister Matus Sutaj Estok handelt es sich bei dem Täter um einen 71-Jährigen aus der Kleinstadt Levice. Eine erste Vernehmung habe ergeben, dass er ein «klar politisches Motiv» gehabt habe, nämlich die Ablehnung der Regierungspolitik. Medienberichten zufolge soll Juraj C. in der Vergangenheit für einen privaten Sicherheitsdienst gearbeitet und deshalb einen Waffenschein besessen haben. Die Tatwaffe habe er legal besessen. In seiner Heimatregion soll er sich nach Medienberichten auch als Schriftsteller versucht haben.

Innenminister Sutaj Estok und Verteidigungsminister Robert Kalinak, der auch stellvertretender Regierungschef ist, hatten am Mittwochabend direkt in der Klinik verkündet, Ficos Zustand sei lebensbedrohlich und «außerordentlich ernst».

In der Slowakei kam die ansonsten hitzig geführte politische Debatte zum Stillstand. Eine turbulente Parlamentssitzung wurde am Mittwochnachmittag abgebrochen und auf unbestimmte Zeit vertagt. Die liberalen Oppositionsparteien sagten vorerst alle politischen Kundgebungen ab. Ursprünglich hatten sie just für Mittwochabend zu einer Massendemonstration gegen die vom Linkspopulisten Fico geführte Regierung und deren Plan einer Auflösung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTVS aufgerufen.

Fico war um etwa 14.30 Uhr von einem Attentäter angeschossen worden, als er sich nach einer Kabinettssitzung im Kulturhaus der Kleinstadt Handlova ins Freie begab, um wartende Anhänger zu begrüßen. Das Lokalfernsehen RTV Prievidza veröffentlichte ein Video vom Tathergang: Zu sehen ist, wie sich ein Mann an den Zaun drängt und aus unmittelbarer Nähe auf den Ministerpräsidenten schießt. Nach Augenzeugenberichten soll der Täter den Politiker laut zu sich gerufen und dann aus unmittelbarer Nähe fünf Schüsse auf ihn abgegeben haben. Der Regierungschef habe ein sogenanntes «Polytrauma», also mehrere schwere Verletzungen erlitten, teilte der Innenminister den Medien mit.

Der TV-Nachrichtensender TA3 und andere Medien bekamen eine Videoaufnahme aus der Polizeistation zugespielt. Darin sagt der benommen wirkende mutmaßliche Attentäter: «Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu.» Als Beispiel nannte er mit undeutlicher Stimme die von der Regierung geplante Medienreform, gegen die seit Wochen Tausende Menschen demonstrieren. Auch die Frau des mutmaßlichen Täters wurde nach Medienberichten von der Polizei verhört.

Fico hatte erst vor Kurzem der liberalen Opposition vorgeworfen, ein Klima der Feindschaft gegen seine Regierung zu schüren. Es sei nicht auszuschließen, dass es angesichts der aufgeheizten Stimmung irgendwann zu einer Gewalttat komme.

Beliebt - und umstritten

Fico ist Gründer und Chef der zuletzt immer nationalistischer gewordenen Linkspartei Smer-SSD und seit fast 30 Jahren einer der beliebtesten Politiker der Slowakei. Er polarisiert aber zugleich wie kaum ein anderer. Gegner nennen ihn «prorussisch» und werfen ihm vor, die Slowakei auf einen ähnlichen Kurs wie Ungarn unter der Ägide des mit autoritären Mitteln regierenden Ministerpräsidenten Viktor Orban führen zu wollen.

Tatsächlich aber hat die Slowakei im Unterschied zu Ungarn seit Ficos Rückkehr an die Regierung im Oktober alle EU-Sanktionen gegen Russland mitgetragen und auch allen EU-Hilfen für die Ukraine zugestimmt - einschließlich der Verwendung eingefrorener russischer Gelder für die Ukraine und Befürwortung eines Beitritts der Ukraine zur EU, nicht aber zur Nato. Die Sanktionen gegen Russland lehnt Fico entgegen irreführender Medienberichte nicht grundsätzlich ab. Er kritisiert aber, dass manche von ihnen der von russischem Gas, Öl und Uran abhängigen Slowakei mehr schaden als Russland selbst. Stattdessen verlangt er Sanktionen, die Russland empfindlicher treffen.

Bundeskanzler Olaf Scholz nannte das Attentat auf Fico «unerträglich». «Ich wünsche ihm, dass er sich gut von diesem feigen Anschlag erholt», sagte Scholz. US-Präsident Joe Biden sprach von einer «schrecklichen Gewalttat». «Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und dem slowakischen Volk», erklärte er.

@ dpa.de