Nadschla al-Mankusch, Eli Cohen

Libyens Außenministerin trifft sich mit ihrem israelischen Kollegen - obwohl beide Länder keine diplomatische Beziehungen pflegen.

28.08.2023 - 19:00:43

Treffen mit Israels Außenminister entfacht Wut in Libyen. Die Bekanntmachung führt zu heftigen Protesten.

Lodernde Reifen und brennende Israel-Flaggen: Nach der Ankündigung des israelischen Außenministeriums über eine mögliche Zusammenarbeit mit Libyen sind dort in der Nacht zu Montag gewaltsame Proteste ausgebrochen. Dabei wurden Medienberichten zufolge auch Fotos der libyschen Außenministerin angezündet. Ihr israelischer Kollege Eli Cohen hatte zuvor überraschend ein «historisches Treffen» mit ihr in Rom öffentlich gemacht und von einem «ersten Schritt in der Beziehung zwischen Israel und Libyen» gesprochen. Libyen erkennt Israel nicht an. Diplomatische Beziehungen unterhalten beide Länder nicht.

Libyens Regierung: Keine Normalisierung mit Israel

Die libysche Regierung relativierte die Bedeutung des Treffens nach der heftigen Kritik im eigenen Land. Es habe sich lediglich um eine «informelle» und «unvorbereitete» Zusammenkunft gehandelt. Das Land lehne eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel kategorisch ab. Gemäß einem Gesetz von 1957 sind solche Kontakte zu Israel strafbar.

Einige Beobachter gehen aber davon aus, dass die libysche Regierung ihre Zustimmung sehr wohl gegeben habe. Im Gegenzug soll sie sich politische Unterstützung der USA erhoffen. In dem faktisch gespaltenen Land ringen zwei Regierungen um die Macht. Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba fürchtet, abgesetzt zu werden. Demonstranten forderten Augenzeugen zufolge bereits den Rücktritt seiner Regierung. Ein im Internet verbreitetes Video soll zudem zeigen, wie Menschen Dbaibas Residenz in Brand setzen. Die Angaben ließen sich bisher nicht unabhängig überprüfen.

Lage in Libyen ungewiss

Der Libyen-Experte Jalel Harchaoui vom britischen Royal United Services Institute (RUSI) schreibt auf der Plattform X (ehemals Twitter), Gegner Dbaibas nutzten die Meldung über das Treffen aus und führten die Proteste an. Die Feinde des libyschen Ministerpräsidenten könnten ihr Glück kaum fassen und betrachteten seinen Fehltritt als ein Geschenk des Himmels.

Sollte die Regierung stürzen, könnte das ohnehin angeschlagene Land noch weiter im Chaos versinken. Schlepper nutzen bereits die politische Instabilität des Bürgerkriegslandes, das zu einem der wichtigsten Transitländer für Migranten geworden ist. Ob sich nun noch mehr Menschen auf den Weg nach Europa machen, hängt Beobachtern zufolge von der weiteren Entwicklung ab. Am Montag beruhigte sich die Lage zunächst.

In Libyen war nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen, bei dem etliche Milizen um Macht und Einfluss ringen. Mehrere ausländische Staaten, darunter die Türkei und Russland, sind an dem Konflikt beteiligt.

Libyens Außenministerin in der Türkei

Dbaiba stellte die Außenministerin nach der heftigen Kritik im eigenen Land von ihren Aufgaben frei, um den Fall zu untersuchen. Unbestätigten Berichten zufolge soll sie entlassen worden sein. Libysche Medien berichteten, sie sei mit einem Regierungsflugzeug in die Türkei geflüchtet.

Beobachtern zufolge muss die Ministerin nun als Sündenbock für ihre Regierung herhalten. Dbaiba selbst habe in der Vergangenheit bereits Gespräche über eine Normalisierung mit Israel geführt, schreibt etwa der Gründer der Denkfabrik Sadeq-Institut in Tripolis, Anas al-Gamati. Laut arabischen Medienberichten hatte er sich zudem unter anderem mit dem Chef des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad, David Barnea, getroffen.

Auch dem mächtigen General Chalifa Haftar, der im Osten des Landes großen Einfluss hat, werden Verbindungen zu Israel nachgesagt. Bei den Protesten geht es Al-Gamati zufolge nicht nur um Kritik an potenziellen Beziehungen zu Israel, sondern um die undurchsichtige Politik der «nicht gewählten Elite Libyens». Die Übergangsregierung wurde unter Schirmherrschaft der UN gebildet und soll eigentlich von einer gewählten Führung abgelöst werden. Die Wahlen fanden aber bislang nicht statt.

Israels Außenminister im Heimatland in der Kritik

Der Umgang von Israels Außenminister mit dem sensiblen Treffen sorgte auch in Israel für heftige Kritik. Oppositionspolitiker warfen ihm etwa vor, der israelischen Außenpolitik mit einer «voreiligen Mitteilung» nachhaltig geschadet und diese nur zu «PR-Zwecken» verbreitet zu haben. Die Vorsitzende der sozialdemokratischen Arbeitspartei, Merav Michaeli, forderte gar Cohens Rücktritt.

Cohen nahe stehende Quellen beharrten israelischen Medienberichten zufolge jedoch darauf, dass libysche Beamte gewusst hätten, dass das Treffen veröffentlicht werden würde.

Beobachter zufolge könnten sich die Entwicklungen in Libyen auch negativ auf mögliche Gespräche zur Normalisierung der Beziehungen mit anderen arabischen Staaten auswirken. Oppositionsführer Jair Lapid schrieb dazu: «Die Länder der Welt schauen heute Morgen auf das unverantwortliche Leak (...) und fragen sich: Ist dies ein Land, mit dem wir Außenbeziehungen unterhalten können? Ist dies ein Land, dem man trauen kann?» Israel bemüht sich derzeit etwa unter US-Vermittlung um eine Normalisierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien.

@ dpa.de