Netanjahu, Geisel-Deal

Kommt es im Gaza-Krieg zu einer neuen Feuerpause? Israel will die Geiseln der Hamas freibekommen, aber nicht bedingungslos.

01.02.2024 - 05:24:27

Netanjahu: Geisel-Deal «nicht um jeden Preis»

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will einem möglichen neuen Abkommen über eine Feuerpause im Gaza-Krieg und der Freilassung weiterer Geiseln nach eigenen Aussagen «nicht um jeden Preis» zustimmen. «Wir haben rote Linien», sagte der unter Druck stehende Regierungschef in einer Video-Ansprache, wie die «Times of Israel» berichtete. Er bekräftigte demnach, man werde den Krieg nicht beenden, die Truppen nicht abziehen und für einen Geisel-Deal nicht «Tausende Terroristen» aus Gefängnissen freilassen.

Ferner verlangte der Rechtspolitiker ein Ende des Mandats des umstrittenen UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA). «Ich denke, dass es an der Zeit ist, dass die internationale Gemeinschaft und die UN verstehen, dass die Mission der UNRWA enden muss», sagte er vor Diplomaten in Jerusalem.

Bericht: Geheimdienstchef schildert Details zu Geisel-Deal

Der Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad, David Barnea, habe den Ministern des Kriegskabinetts laut dem Sender Channel 12 Grundzüge eines möglichen Abkommens mitgeteilt, berichtete die «Times of Israel» weiter. Diese sähen die Freilassung von 35 weiblichen, kranken, verletzten sowie älteren Geiseln in einer ersten Phase vor, in der die Kämpfe für 35 Tage pausieren sollten. Danach solle es eine weitere einwöchige Feuerpause geben, in der die Unterhändler versuchen würden, auch junge Männer und Geiseln, die von der Hamas als Soldaten bezeichnet werden, freizubekommen, hieß es.

Die «Washington Post» hatte zuvor berichtet, der in Paris ausgehandelte Entwurf sehe vor, dass zunächst alle aus Israel entführten Zivilisten während einer sechswöchigen Feuerpause freigelassen werden. Für eine Geisel würden demnach drei palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.

Dem US-Bericht zufolge sind die Modalitäten noch unklar, welche Häftlinge entlassen werden und wer das bestimmen kann. Bis Mittwochabend habe die Hamas bisher nicht auf den Entwurf reagiert, schrieb die «Times of Israel». Es werde erwartet, dass die Hamas ihre Antwort über Katar übermitteln wird.

Netanjahu: Unternehmen alles zur Freilassung der Geiseln

Ein bislang ungelöster zentraler Streitpunkt sei die Forderung der Hamas, dass das Abkommen einen dauerhaften Waffenstillstand vorsieht, was Israel ausgeschlossen hat. Netanjahu hat immer wieder bekräftigt, Israel werde an seinen Zielen festhalten, die Hamas zu zerstören und sicherzustellen, dass von Gaza keine Bedrohung mehr für Israel ausgeht.

Er traf sich mit Angehörigen der Geiseln und versicherte ihnen nach Angaben von Netanjahus Büro, man unternehme alles, um die Geiseln freizubekommen. «Es ist zwar noch zu früh, um zu sagen, wie das geschehen wird, aber die Bemühungen werden jetzt, in diesem Moment unternommen», sagte Netanjahu den Angaben zufolge bei dem Treffen.

Man arbeite an einem neuen Rahmenabkommen zur Freilassung der Geiseln, «aber ich betone - nicht um jeden Preis», wurde der Regierungschef am Mittwochabend weiter zitiert. Die Hamas hatte bei ihrem beispiellosen Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober mehr als 250 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Schätzungen zufolge befinden sich noch mehr als 130 Menschen in ihrer Gewalt. Israel geht davon aus, dass 27 von ihnen nicht mehr leben.

Mitarbeiter des UN-Hilfswerks UNRWA sollen an dem Hamas-Massaker am 7. Oktober beteiligt gewesen seien. Mehrere westliche Länder haben in Reaktion auf die Vorwürfe die Zahlungen an UNRWA vorübergehend eingestellt, darunter die USA und Deutschland. «UNRWA ist völlig von der Hamas unterwandert», sagte Netanjahu. Dabei sei eine neutrale Hilfsorganisation im Gazastreifen sehr wohl nötig. Die UNRWA könne aber nicht diese Organisation sein. Sie müsse ersetzt werden durch eine Struktur, die «den Job macht».

Baerbock verlangt Aufklärung der Vorwürfe gegen UNRWA

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat für eine differenzierte Debatte über die Zukunft des UN-Hilfswerks geworben und von der UN eine rasche Aufklärung der Vorwürfe gegen UNRWA-Mitarbeiter verlangt. «Die Situation in Gaza ist einfach die Hölle», sagte die Grünen-Politikerin in der Debatte über den Haushalt des Auswärtigen Amts im Bundestag in Berlin. UNRWA sei fast der alleinige Versorger in Gaza, da alle anderen Hilfsorganisationen dort «derzeit so gut wie nicht mehr aktiv sein können», sagte sie.

Der UN-Nothilfekoordinator hat UNRWA als «Herzstück» der humanitären Versorgung der Menschen im Gazastreifen bezeichnet. Die lebensrettende Arbeit von UNRWA im Zuge des Krieges «sollte nicht durch den Vorwurf angeblicher Handlungen einiger weniger Personen gefährdet werden», sagte Martin Griffiths am Mittwoch bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Auch er sei entsetzt über die Anschuldigungen. UN-Generalsekretär António Guterres hatte eine umfassende Aufklärung zugesagt und die Zusammenarbeit mit mehreren Angestellten des umstrittenen UN-Hilfswerks beendet.

UNRWA-Skandal: EU-Chefdiplomat warnt vor Finanzierungstopp

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat beim EU-Sondergipfel in Brüssel eindringlich davor gewarnt, die Finanzierung des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) einzustellen. Die Untersuchung zur mutmaßlichen Verwicklung von UNRWA-Mitarbeitern in den Terroranschlag auf Israel müsse durchgeführt werden, sagte der Spanier. Aber dem palästinensischen Volk dürfe keine kollektive Bestrafung auferlegt werden. «UNRWA darf die Arbeit nicht einstellen, sonst werden Hunderttausende Menschen ums Leben kommen», sagte Borrell. Es gebe keine Alternative zu dem Hilfswerk.

UNRWA: Hilfsgelder könnten nur noch bis Ende Februar reichen

 Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) muss seine gesamte Arbeit nach eigenen Angaben womöglich schon in vier Wochen einstellen, wenn zugesagte Gelder nicht bezahlt werden. 16 Länder hätten inzwischen 440 Millionen Dollar (407 Mio Euro) an Zahlungen ausgesetzt, berichtete das Hilfswerk. Zu den 16 Ländern gehören die größten Geber, die USA und Deutschland.

«Wenn die Finanzierung weiterhin ausgesetzt bleibt, werden wir höchstwahrscheinlich gezwungen sein, unsere Arbeit nicht nur in Gaza, sondern auch in der gesamten Region Ende Februar einzustellen», teilte UNRWA-Chef Philippe Lazzarini mit.

Palästinenser kritisieren Bedingungen in Israel nach Festnahme

Mehr als 110 Palästinenser sind in den Gazastreifen zurückgebracht worden, nachdem sie vorübergehend von der israelischen Armee festgenommen und befragt worden waren. Viele der Betroffenen seien verletzt und zur Behandlung in ein Krankenhaus in die Stadt Rafah gebracht worden, hieß es aus palästinensischen Sicherheitskreisen.

Die Menschen sollen demnach in Israel unter anderem geschlagen und Folter ausgesetzt worden sein. Israels Armee sagte auf Anfrage, sie nehme derzeit in Kampfgebieten im Gazastreifen Menschen, die der Beteiligung an terroristischen Aktivitäten verdächtigt würden, vorübergehend fest und verhöre sie. Unbeteiligte würden schließlich wieder freigelassen. Vorwürfe der Misshandlung wies das Militär zurück: «Die festgenommenen Personen werden im Einklang mit dem Völkerrecht behandelt.» 

USA: «Islamischer Widerstand im Irak» für Anschlag verantwortlich

Nach dem tödlichen Angriff proiranischer Milizen auf amerikanische Soldaten in Jordanien hat die US-Regierung eine Gruppe als verantwortlich identifiziert. «Wir glauben, dass der Anschlag von einer Dachorganisation namens Islamischer Widerstand im Irak geplant, finanziert und durchgeführt wurde», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, in Washington. Die Organisation umfasse mehrere Gruppen, unter anderem die proiranische Miliz Kataib Hisbollah. Bei dem Drohnenangriff in der Nähe der syrischen Grenze waren am Sonntag drei US-Soldaten getötet worden.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Oktober haben proiranische Milizen fast täglich Angriffe auf US-Militärstützpunkte im Irak und in Syrien verübt. Die US-Regierung hat darauf mit Luftschlägen in beiden Ländern reagiert.

In Erwartung eines US-Angriffs haben in Syrien stationierte Offiziere der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) indes laut Aktivisten ihre Stellungen geräumt. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London sagte der Deutschen Presse-Agentur, hochrangige Kommandeure hätte ihre Stellungen entlang der syrisch-irakischen Grenze verlassen.

US-Militär zerstört Huthi-Rakete

Außerdem greifen die jemenitischen Huthi - aus Solidarität mit der Hamas - immer wieder Frachter im Roten Meer an. US-Streitkräfte griffen eine Drohnen-Bodenstation sowie zehn Drohnen der Miliz im Jemen an und zerstörten sie, wie das US-Militär am Donnerstagmorgen bekannt gab. Sie hätten eine unmittelbare Gefahr für Handelsschiffe und US-Marineschiffe in der Region dargestellt.

Am Vortag hatte das US-Militär erneut auch eine Flugabwehrrakete der Huthi zerstört. Das Geschoss sei bereit zum Start gewesen und habe eine unmittelbare Gefahr für US-Flugzeuge dargestellt, teilte das Zentralkommando der Vereinigten Staaten auf der Online-Plattform X (früher Twitter) mit. Zudem sei eine von den Huthi in Richtung des Golfs von Aden abgefeuerte Antischiffsrakete vom US-Zerstörer USS Carney abgeschossen worden. Ferner seien drei iranische Drohnen kurz darauf in der Nähe des Schiffes abgefangen worden, hieß es. Es habe weder Verletzte noch Schäden gegeben.

US-Verteidigungsminister: «Gefährlicher Moment» im Nahen Osten

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hat die Situation im Nahen Osten nach dem tödlichen Angriff proiranischer Milizen auf amerikanische Soldaten in Jordanien als «gefährlichen Moment» bezeichnet. «Der Präsident wird Angriffe auf amerikanische Truppen nicht dulden, und ich werde das auch nicht tun», sagte Austin bei einer Pressekonferenz im Pentagon. Man wolle aber einen größeren Konflikt in der Region vermeiden. «Aber wir wollen die Leute, die dafür verantwortlich sind, zur Rechenschaft ziehen», warnte Austin und kündigte eine mehrstufige Reaktion der USA an.

Austin sagte, es sei offen, wie viel der Iran zuvor über den Angriff gewusst habe. Aber im Prinzip sei das egal, da der Iran diese Gruppen finanziere und teils auch ausbilde. Und ohne diese Art der Unterstützung gebe es derartige Angriffe auf US-Stützpunkte nicht. Austin macht gleichzeitig klar: «Wir befinden uns nicht im Krieg mit dem Iran.» 

USA sanktionieren gewalttätige jüdische Siedler im Westjordanland

Die US-Regierung hat Sanktionen gegen vier jüdische Siedler verhängt, denen vorgeworfen wird, sich im Westjordanland an Gewalt gegen palästinensische Zivilisten beteiligt zu haben. Das US-Finanzministerium veröffentlichte die Namen der vier Männer, denen auch Einschüchterungsversuche und Zerstörung von Eigentum vorgeworfen werden. Alle vier sind israelische Staatsbürger. 

US-Präsident Joe Biden habe wiederholt öffentlich und auch in fast jedem diplomatischen Gespräch mit der israelischen Regierung seine Besorgnis über die Zunahme der Gewalt durch Extremisten ausgedrückt. Diese Handlungen seien eine ernsthafte Bedrohung für den Frieden und die Sicherheitsstabilität im Westjordanland, Israel und im Nahen Osten.

Als Folge der Sanktionen werden unter anderem mögliche Vermögenswerte der Betroffenen in den USA gesperrt. US-Bürgern oder Menschen, die sich in den Vereinigten Staaten befinden, sind Geschäfte mit den sanktionierten Personen untersagt. Die Sanktionen seien «nicht diskriminierend und gelten für Israelis und Palästinenser sowie für Ausländer», betonte der US-Regierungsvertreter. Die israelische Regierung sei bereits darüber informiert worden.

@ dpa.de