Kriege, Krisen

Kanzler Scholz geht es bei seinem USA-Besuch vor allem um eins: Einem Bröckeln der westlichen Militärhilfe für die Ukraine entgegenzuwirken.

08.02.2024 - 04:55:57

Kriege, Krisen und Trump: Scholz reist in die USA. Kurz vor seinem Abflug gibt es aber einen bitteren Dämpfer.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat seine USA-Reise mit einem eindringlichen Aufruf zu mehr Militärhilfe für die von Russland angegriffene Ukraine begonnen. Was die amerikanischen und europäischen Verbündeten bisher zugesagt hätten, sei nicht genug, mahnte er unmittelbar vor seinem Abflug nach Washington. Dort wird er US-Präsident Joe Biden treffen. «Wir müssen also einen Weg erreichen, wie wir alle zusammen mehr tun.» 

Es sei notwendig, jetzt ein «sehr klares Signal» an den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu senden betonte Scholz. «Das Signal nämlich, dass er nicht darauf rechnen kann, dass unsere Unterstützung nachlässt.» Er fügte hinzu: «Sie wird lange genug andauern, und sie wird groß genug sein.»

«Air Force One» nicht verfügbar - Tankstopp in Island

Scholz startete unmittelbar nach diesen Worten Richtung Washington. Für die Anreise war diesmal deutlich mehr Zeit angesetzt als sonst, weil die einzige funktionstüchtige «Air Force One» vom Typ A350 gerade mit dem Bundespräsidenten in der Mongolei unterwegs ist. Mit der kleineren, älteren und leistungsschwächeren A321 wurde ein Zwischenstopp in Island nötig.

Dämpfer vor dem Abflug: US-Senat lehnt Hilfspaket ab

Es ist der dritte Besuch des Kanzlers in der US-Hauptstadt seit seinem Amtsantritt vor gut zwei Jahren. Die unverminderte Fortsetzung der Militärhilfe für die Ukraine wird dabei das Hauptthema sein. Kurz vor seinem Abflug gab es dafür einen deutlichen Dämpfer. Der US-Senat lehnte ein Paket mit Milliarden für den Grenzschutz, aber auch für die Unterstützung Israels im Gaza-Krieg und der Ukraine im Kampf gegen Russland ab. Darin waren rund 60 Milliarden US-Dollar (knapp 56 Milliarden Euro) zusätzliche Hilfen vorgesehen, die jetzt auf Eis liegen. 

Es zeichnete sich bereits zuvor ab, dass das parteiübergreifend ausgehandelte Gesetzespaket keine Mehrheit findet. Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte zuvor Stimmung gegen die Einigung gemacht. 

Die bisher genehmigte US-Unterstützung für die Ukraine ist Ende vergangenen Jahres ausgelaufen. Ende Dezember kündigte das Pentagon das vorerst letzte Militärhilfepaket für die Ukraine an.

Präsident Biden beantragte schon vor Monaten neues Geld für Kiew beim Parlament, doch die Republikaner von Trump blockieren. Ein Ende der Hängepartie ist weiterhin nicht in Sicht. Die bisher bewilligten Mittel sind inzwischen weitgehend aufgebraucht, und alle Appelle des Präsidenten, wie sehr Kiew auf US-Hilfen angewiesen sei, liefen bisher ins Leere. 

Scholz warnt vor größerer Bedrohung als im Kalten Krieg

Scholz hat seinerseits Probleme, die EU-Partner dazu zu bringen, mehr für die Ukraine zu tun. Deutschland ist in der Europäischen Union der mit Abstand wichtigste Waffenlieferant der Ukraine. Scholz beziffert die bisher geleistete und bereits zugesagte Militärhilfe auf mehr als 30 Milliarden Euro. Damit liegt Deutschland aber noch weit hinter den USA, das den Umfang seiner geleisteten und zugesagten Hilfe mit 44 Milliarden US-Dollar (rund 41 Milliarden Euro) angibt. 

In einem Gastbeitrag für das «Wall Street Journal» beschrieb Scholz die Situation mit deutlichen Worten. «Wir müssen unser Möglichstes tun, um zu verhindern, dass Russland siegt», schrieb er.  «Wenn wir das nicht tun, könnten wir bald in einer Welt aufwachen, die noch instabiler, bedrohlicher und unberechenbarer ist als während des Kalten Krieges.»  

Ein russischer Sieg in der Ukraine würde auch das Gesicht Europas dramatisch verändern und wäre ein schwerer Schlag für die liberale Weltordnung. «Russlands brutaler Versuch, sich mit Gewalt ein Gebiet anzueignen, könnte anderen Autokraten rund um den Globus als Vorbild dienen. Weitere Länder würden Gefahr laufen, einem nahen Raubtier zum Opfer zu fallen», schrieb Scholz.

Nahost: Gaza-Krieg, Rotes Meer und Iran

Es gibt aber auch noch andere Themen beim Scholz-Besuch in Washington als den Ukraine-Krieg. Zwei Stunden vor dem Abflug des Kanzlers nach Washington stach am Donnerstag die Bundeswehr-Fregatte «Hessen» von Wilhelmshaven aus in See, um sich im Roten Meer am Schutz von Handelsschiffen gegen Angriffe der vom Iran unterstützten Huthi-Miliz zu beteiligen.

Um diese Mission wird es in dem Gespräch mit Biden ebenso gehen, wie um die Gefahr eines Flächenbrands im Nahen Osten insgesamt. Die Angst davor hat durch die Drohnen- und Raketenattacken auf US-Stellungen in der Region und durch die Gegenangriffe der Amerikaner auf proiranische Milizen zuletzt deutlich zugenommen.

Biden hat dabei einen schwierigen Balanceakt zu bewältigen: Er muss die von Teheran unterstützten Kräfte in der Region abschrecken, ohne dabei noch härtere Reaktionen zu provozieren. Er muss Stärke zu zeigen, ohne die Lage im Nahen Osten komplett zu eskalieren und einen Krieg mit dem Iran zu riskieren. Noch muss sich zeigen, wie der Iran und dessen verbündeten Milizen auf die jüngsten US-Luftangriffe reagieren. Klar ist bislang nur, dass von amerikanischer Seite weitere Militäraktionen kommen werden.

Scholz und Biden dürften bei ihrem Gespräch den Blick auch in die Zukunft richten: Wie geht es nach dem Gaza-Krieg weiter mit Israel und den Palästinensern? Beide befürworten eine Zwei-Staaten-Lösung. Aber welcher Weg dahin führen könnte, steht in den Sternen.

Nato: Vorbereitung des Jubiläumsgipfels

Und dann gibt es da noch den Nato-Jubiläumsgipfel, zu dem Scholz im Juli in die US-Hauptstadt zurückkehren wird. Das Bündnis wird 75 Jahre alt und will seine Verteidigungsbereitschaft auch für die Zukunft sicherstellen. Scholz möchte da selbstbewusst auftreten:

Erstmals seit mehr als 30 Jahren will Deutschland in diesem Jahr mehr als zwei Prozent seiner Wirtschaftskraft für Verteidigung ausgeben. Man sei «da jetzt ja vorne dabei», sagte er vor dem Abflug. Außerdem gelten die Kampfbrigade in Litauen, die Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gerade aufstellt, und das von Deutschland initiierte europäische Raketenschild als Vorzeigeprojekte in der Nato.

Dass die Militär-Allianz ausgerechnet vier Monate vor der nächsten US-Präsidentenwahl in der amerikanischen Hauptstadt ihr Jubiläum begeht, entbehrt nicht einer gewissen Dramatik. Denn bislang deutet alles darauf hin, dass Ex-Präsident Trump den Amtsinhaber Biden bei der Wahl herausfordern dürfte. Und ebendieser Donald Trump stellte während seiner Amtszeit die Zukunft der gesamten Nato infrage.

Trump: Der Elefant im Raum

Seine mögliche Rückkehr an die Macht ist ein Thema, das zwar nicht auf der offiziellen Agenda der Reise des Kanzlers steht, Scholz aber trotzdem begleiten wird: Was ist, wenn Trump nach der Wahl am 5. November tatsächlich wieder ins Weiße Haus einziehen sollte? Der Kanzler wird Trump zwar nicht treffen. Das wurde auch gar nicht erst erwogen. Scholz wollte aber versuchen, sich bei einem Dinner mit Kongressabgeordneten am Donnerstagabend ein Bild davon zu machen, wie die Stimmung in Trumps Partei ist. Zu dem Essen sind Vertreter der Republikaner ebenso eingeladen wie Abgeordnete der Demokratischen Partei von Biden.

Auch wenn der Vorwahlkampf in den USA nicht vorbei ist, stellt sich Bidens Wahlkampfteam bereits fest darauf ein, dass Trump Präsidentschaftskandidat der Republikaner wird. Biden warnt vor seinem erwarteten Herausforderer, wo er kann - und davor, was dem Land und der Welt in einer zweiten Trump-Amtszeit blühen würde. Die Beliebtheitswerte des ältesten Präsidenten aller Zeiten sind allerdings wenig erbaulich, und Umfragen sagen ein knappes Rennen zwischen Biden und Trump voraus - falls es dazu kommt.

@ dpa.de