Jetzt sind die Rechtspopulisten auch in den Niederlanden ganz groß: Der Islam-Gegner Geert Wilders hat dort laut Prognose die Parlamentswahl gewonnen und will nun Ministerpräsident werden.
22.11.2023 - 22:40:43Niederländischer Rechtspopulist Wilders vor Wahlsieg
Der Rechtspopulist Geert Wilders ist einer ersten Hochrechnung zufolge der große Wahlsieger der Parlamentswahl in den Niederlanden. Laut der Hochrechnung, die die Nachrichtenagentur ANP in der Nacht zum Donnerstag veröffentlichte, dürften Wilders und seine Partei für die Freiheit (PVV) auf 36 der 150 Sitze in der Zweiten Kammer des Parlaments kommen. Das wären mehr als doppelt so viele Mandate wie bei der vorigen Wahl 2021.
Das Bündnis von Sozialdemokraten und Grünen kommt der Hochrechnung zufolge auf 25 Sitze, acht mehr als 2021. Die rechtsliberale Regierungspartei VVD des scheidenden Ministerpräsidenten Mark Rutte verlor demnach zehn Mandate und kommt nun auf 24. Die neue Zentrum-Partei NSC darf auf Anhieb mit 20 Sitzen rechnen.
Wilders will jetzt Ministerpräsident werden. «Der Wähler hat nun gesprochen», sagte Wilders im Fernsehen. «Ich glaube, dass wir jetzt alle über unseren Schatten springen müssen.» Auf keinen Fall dürfe der Wählerwille übergangen werden. «Die Niederlande haben gesprochen und das muss - was mich betrifft - auch umgesetzt werden.» Mit einem vorläufigen Ergebnis wird am frühen Donnerstagmorgen gerechnet.
Wilders war darum bemüht, Ängste vor einem zu radikalen Vorgehen seiner Partei für die Freiheit (PVV) zu zerstreuen. Die von ihm angestrebte Zwangsschließung von Moscheen sei aktuell kein Thema, versicherte er. Priorität habe jetzt, den «Asyl-Tsunami» zu begrenzen.
AfD-Chefin Alice Weidel gratulierte Wilders auf X: «Herzlichen Glückwunsch zu diesem großen Erfolg. Ganz Europa will die politische Wende! #Wilders #AfD». Ebenso erhielt Wilders nach Berichten niederländischer Medien Glückwünsche vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und von der französischen Rechtsnationalistin Marine Le Pen.
Wilders als nächster Ministerpräsident?
Der Rechtsaußen Wilders kündigte an, dass er nun auch regieren wolle. Doch für eine Mehrheit braucht er mindestens zwei Parteien - und es ist fraglich, ob er tatsächlich Partner für eine Koalition finden kann. Ob Wilders tatsächlich die nächste Regierung bilden kann, ist völlig offen. Omtzigt hatte eine Zusammenarbeit mit ihm im Wahlkampf ausgeschlossen, da dieser verfassungsfeindliche Positionen vertrete. Yesilgöz schloss eine Zusammenarbeit ausdrücklich nicht aus, sagte aber, sie wolle nicht unter Wilders als Ministerpräsident in eine Regierung eintreten.
Die vorgezogene Parlamentswahl war notwendig geworden, nachdem im Sommer Ruttes Mitte-Rechts-Koalition nach nur 18 Monaten im Amt geplatzt war. Anlass dafür war ein Streit über Migrationspolitik. Rutte, der am längsten amtierende Ministerpräsident der niederländischen Geschichte, hatte daraufhin seinen Abschied aus der nationalen Politik angekündigt; er will jetzt Nato-Generalsekretär werden. Bis zum Antreten einer neuen Regierung bleibt er allerdings noch im Amt.
Mischung aus rechten Parolen und klassisch linken Forderungen
In den Niederlanden hat sich der Rechtspopulismus schon vor mehr als 20 Jahren als fester Bestandteil der politischen Landschaft etabliert. Der erste erfolgreiche Rechtspopulist Pim Fortuyn war 2002 wenige Tage vor der Parlamentswahl von einem militanten Tierschutzaktivisten ermordet worden. Sein Erbe trat Wilders an, der noch viel radikalere Forderungen erhob, etwa die nach einem Verbot des Korans. Der Politologe und Wilders-Biograf Meindert Fennema (1946-2023) warnte 2017 in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur: «Er ist jemand, der auf demokratischem Weg den Rechtsstaat abschaffen will.»
Umfragen haben mehrfach ergeben, dass Wilders-Wähler ihre Zukunft tendenziell pessimistisch einschätzen und Angst vor Veränderungen haben. Sie wohnen häufig in stagnierenden Industriegebieten oder auf dem Land, wo die Jungen wegziehen.
Zu Wilders Parolen gehört deshalb nicht nur «Der Islam gehört nicht zu den Niederlanden», sondern auch «Mehr Personal in der Pflege» und «Niedrigere Mieten und Steuern». Diese Mischung aus rechten Parolen und klassisch linken Forderungen betrachten Politologen als sein Erfolgsrezept. Eine weitere Besonderheit: Wilders' Partei hat nur ein einziges Mitglied - ihn selbst. So will er verhindern, dass ihn andere überstimmen und selbst das Zepter übernehmen könnten.