Israel wird sich vor dem Internationalen Gerichtshof zu Völkermord-Vorwürfen äußern.
17.05.2024 - 04:27:27Israel vor Internationalem Gerichtshof. Während in Gaza gekämpft wird, ist die Frage nach der politischen Zukunft offen. Die News im Überblick.
Tel Aviv/Den Haag - Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag muss sich Israel heute für seinen umstrittenen Militäreinsatz in Rafah im Süden des Gazastreifens rechtfertigen. Das höchste UN-Gericht verhandelt über einen Antrag Südafrikas.
Dessen Regierung pocht auf den sofortigen Rückzug Israels aus der Stadt Rafah und einen ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe. Auch die Außenminister von 13 Staaten, darunter Deutschland, warnen in einem Brief vor einer umfassenden Offensive in Rafah und fordern außerdem mehr Hilfe für die palästinensische Bevölkerung.
Israel hält an Rafah-Offensive fest
Israel hält aber trotz Warnungen der USA und anderer Verbündeter an den Angriffen auf Rafah fest, wo es nach eigenen Angaben eine der letzten Hochburgen der islamistischen Hamas zerschlagen will. Die Regierung des jüdischen Staats beruft sich auf dessen Recht auf Selbstverteidigung, nachdem Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober den Süden Israels überfallen, 1200 Menschen getötet und 250 weitere als Geiseln genommen hatten.
Das israelischen Außenministerium veröffentlichte eine Mitteilung, in der es hieß, Südafrika verzerre die Realität und präsentiere vor dem Gericht voreingenommene und falsche Anschuldigungen.
Das Schreiben der Außenminister an den israelischen Chefdiplomaten Israel Katz mit der Bitte um Zurückhaltung haben laut «Süddeutscher Zeitung» die Ressortchefs aller G7-Staaten mit Ausnahme der USA unterzeichnet, also Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada. Hinzu kommen Australien, Dänemark, Finnland, die Niederlande, Neuseeland, Südkorea und Schweden.
Mehr als eine halbe Millionen Menschen aus Rafah geflohen
Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant hatte erst gestern die Entsendung weiterer Truppen nach Rafah angekündigt. Dort seien bereits Hunderte Ziele getroffen und mehrere Tunnel der Hamas zerstört worden. «Diese Aktivität wird intensiviert werden», sagte Galant. Im Osten der Stadt zerstörten die Truppen am Freitag eine Raketenabschussstellung der Islamisten, wie die Armee mitteilte.
Nach UN-Angaben sind bereits rund 600.000 Menschen aus der Stadt an der Grenze zu Ägypten geflohen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnte: «Die Menschen dort wissen weder ein noch aus, und haben keine sicheren Orte mehr, an die sie fliehen können. Der Schutz der Zivilbevölkerung muss aber höchste Priorität haben. Das ist im Moment nicht zu erkennen.»
Israel verstärkt Angriffe im Norden
Israels Streitkräfte verstärkten nach eigenen Angaben ihre Angriffe auch im Norden des Gazastreifens. Am frühen Morgen bombardierten Kampfflugzeuge und andere Fluggeräte Waffenlager der Hamas in der Flüchtlingssiedlung Dschabalia, wie die Armee mitteilte. In der Folge seien israelische Truppen ins Zentrum der Siedlung vorgedrungen, wo sie sich Kämpfe mit Hamas-Milizionären geliefert hätten. In den letzten Tagen seien rund 60 Terroristen getötet und von ihnen genutzte Infrastruktur zerstört worden. Ein israelischer Soldat erlitt nach Armeeangaben schwere Verletzungen.
Bewohner des Flüchtlingslagers beschrieben den israelischen Angriff als ungewöhnlich heftig. Er habe sich auch gegen Wohnhäuser und eine mit Flüchtlingen überfüllte Schule gerichtet. Den Darstellungen zufolge, die sich nicht unabhängig überprüfen ließen, würden die Toten auf die Straße geworfen. In dem isolierten Teil des abgeriegelten Küstenstreifens gebe es keine Möglichkeit, die Verletzten in Krankenhäuser zu bringen oder die Toten zu begraben
Israel aus dem Libanon mit Drohnen angegriffen
Bei israelischen Angriffen im Libanon wurde nach libanesischen Angaben mindestens ein Mensch getötet. Wie dortige Sicherheitskreise berichteten, soll es südlich der Küstenstadt Sidon auch mehrere Verletzte gegeben haben. Ob es sich bei den Opfern um Mitglieder der proiranischen Schiiten-Miliz Hisbollah handelte, war zunächst nicht klar.
Der Norden Israels war zuvor nach israelischen Militärangaben mit Drohnen angegriffen worden. Mehrere Fluggeräte seien am frühen Freitagmorgen in den israelischen Luftraum eingedrungen, mindestens eines sei noch über dem offenen Meer abgefangen worden, berichtete das Kan-Radio unter Berufung auf die Armee. Die anderen Drohnen richteten keinen Schaden an und verletzten keine Menschen. Die Hisbollah reklamierte den Angriff für sich. Er habe dem Hauptquartier eines Artillerie-Bataillons nahe dem Kibbuz Ga'aton gegolten.
Arabische Liga fordert UN-Friedensmission für Gaza
Die Mitgliedstaaten der Arabischen Liga fordern unterdessen den Einsatz einer UN-Friedensmission im Gazastreifen und im Westjordanland. Es müsse «internationale Schutz- und Peacekeeping-Truppen» der Vereinten Nationen in den Palästinensergebieten geben bis zur Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung, hieß es in der Abschlusserklärung des Gipfeltreffens der Liga in Bahrain.
Der UN-Sicherheitsrat, der Mandate für Friedensmissionen erteilen kann, müsse Verantwortung übernehmen. Es war der erste reguläre Liga-Gipfel seit Beginn des israelischen Militäreinsatzes gegen die Hamas im Gazastreifen vor sieben Monaten.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres nahm an dem Treffen teil und forderte die Kriegsparteien erneut auf, sich auf einen Waffenstillstand zu einigen. «Der Krieg in Gaza ist eine offene Wunde, die die gesamte Region zu infizieren droht», warnte Guterres. Saudi-Arabiens Kronprinz und faktischer Herrscher, Mohammed bin Salman, betonte, die «heftigen Aggressionen» gegen die Palästinenser müssten mit gemeinsamer Kraft gestoppt werden.
Außenministerin Annalena Baerbock zeigte sich zurückhaltend zur Forderung der Arabischen Liga. Seit Monaten arbeiteten die engsten Partner Israels und zentrale arabische Staaten an einem politischen Prozess hin zu einem Ende des Krieges, der auch Schutzgarantien beinhalte, sagte die Grünen-Politikerin vor einer Sitzung des Ministerkomitees des Europarats im französischen Straßburg. «Dafür braucht es aber zunächst eine humanitäre Feuerpause.»
Eine solche Feuerpause müsse endlich dafür sorgen, dass alle von der islamistischen Hamas nach wie vor festgehaltenen Geiseln freikommen, das Leid der Menschen in Gaza gelindert werde «und dass wir auf einen politischen Pfad kommen können, wo die internationale Gemeinschaft, wo Schlüsselakteure sicherlich auch eine wichtige Rolle für die Sicherheit übernehmen müssen», ergänzte Baerbock. «Ansonsten wird das Drehbuch der Terroristen immer, immer weiter aufgehen. Und das wäre fatal für die Menschen in Gaza. Es wäre ebenso fatal für die Menschen in Israel.»