In wenigen Tagen will Israels Regierung ein Kernelement zur Schwächung der Justiz verabschieden.
22.07.2023 - 18:51:03Großer Protestmarsch gegen Justizumbau erreicht Jerusalem. Das Vorhaben spaltet weite Teile der israelischen Gesellschaft. Zehntausende gehen auf die Straße.
Ein tagelanger Protestmarsch gegen die umstrittene Justizreform in Israel mit Zehntausenden Menschen ist laut Organisatoren am Samstag in Jerusalem eingetroffen. Mehrere Hundert Demonstrantinnen und Demonstranten hatten am Dienstagabend die rund 70 Kilometer lange Wanderung von Tel Aviv nach Jerusalem begonnen.
In den vergangenen Tagen wurde der kilometerlange Protestzug immer größer. Nach Schätzungen des israelischen Senders Channel 13 nahmen am Samstag mehr als 70.000 Menschen teil. Ihr Plan ist demnach, die Nacht auf Sonntag vor dem Parlament zu verbringen. Auch in weiteren Städten Israels waren am Abend Kundgebungen mit Tausenden Menschen geplant.
Am Sonntagvormittag will Israels rechtsreligiöse Regierung ein Kernelement ihrer Pläne zur Schwächung der Justiz den Abgeordneten vorlegen. Mit der endgültigen Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes wird jedoch nicht vor Montagnachmittag gerechnet.
Widerstand im Militär nimmt zu
Seit mehr als einem halben Jahr spaltet das Vorhaben weite Teile der israelischen Gesellschaft. Regelmäßig gehen Tausende dagegen auf die Straße. Zuletzt nahm auch der Widerstand innerhalb des Militärs zu.
Mehr als 10.000 Reservisten würden nicht mehr zum Dienst erscheinen, sollte der umstrittene Justizumbau der Regierung nicht gestoppt werden, kündigte ihre Protestbewegung «Waffenbrüder» laut Medienberichten in Herzlija an. Den Berichten zufolge könnte dies die Einsatzbereitschaft des Militärs erheblich beeinträchtigen. Das Militär wollte sich dazu zunächst nicht äußern.
Am Freitag hatten bereits mehr als 1000 Reservisten der Luftwaffe mit Dienstverweigerung gedroht. Daraufhin gab Verteidigungsminister Joav Galant bekannt, sich um einen «Konsens» zu bemühen. Medienberichten zufolge soll er versuchen, die geplante Abstimmung zu verschieben.
Mehr als 100 hochrangige Ex-Sicherheitschefs des Landes drückten zudem in einem Brief an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ihre Unterstützung für die möglichen Dienstverweigerer aus und forderten ihn auf, die Gesetzgebung zu stoppen. Netanjahu sei «persönlich für den schweren Schaden verantwortlich, der dem Militär und der Sicherheit Israels» zugefügt werde, hieß es in dem Brief.
Kritiker sehen Gefahr für Demokratie
Verhandlungen über einen Kompromiss blieben bisher erfolglos. Medienberichten zufolge sollen im Hintergrund aber weiter Bemühungen laufen. Das Gesetz ist Teil eines größeren Pakets, das von Kritikern als Gefahr für Israels Demokratie eingestuft wird.
Dem Höchsten Gericht des Landes soll es so künftig nicht mehr möglich sein, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als «unangemessen» zu bewerten. Kritiker befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten und Entlassungen begünstigt. Die Netanjahu-Regierung wirft der Justiz dagegen vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen.