In der Ukraine wird heftig gekämpft, Russlands Luftangriffe lassen nicht nach.
04.01.2025 - 04:55:36Russische Truppen rücken in Ostukraine vor. Beide Seiten warten auf den neuen US-Präsidenten. Ein bestimmter Charakterzug Donald Trumps bereitet Sorge wie Hoffnung.
Russische Truppen erleiden in der Ostukraine zwar weiterhin hohe Verluste, rücken aber auch im neuen Jahr unablässig vor. Nahe der seit Monaten umkämpften Stadt Pokrowsk im Donbass mussten die ukrainischen Verteidiger nach Erkenntnissen von Militärbeobachtern drei weitere Dörfer aufgeben.
Der ukrainische Militärblog «DeepState» nannte die Orte Datschenske, Nowyj Trud und Wowkowe wenige Kilometer südlich von Pokrowsk. Ein ähnliches Bild zeichnete der Blog «Liveuamap», während der offizielle Lagebericht des Generalstabs für Freitagabend Nowyj Trud noch als umkämpft darstellte.
Nach den ukrainischen Militärangaben verlor die russische Armee allein am Freitag am Frontabschnitt Pokrowsk mehr als 300 Soldaten, die getötet oder verwundet wurden. Solche Informationen sind nicht im Detail überprüfbar und die Führung in Moskau hüllt sich in Schweigen oder verbreitet Zahlen, denen kaum Glauben geschenkt wird. Allerdings deuten alle Daten der vergangenen Monate auf hohe russische Verluste an Soldaten wie Technik hin.
Russen stehen kurz vor dem Gebiet Dnipropetrowsk
Trotzdem geht der Vormarsch weiter. Die russische Armee hat sich zuletzt darauf verlegt, die Bergbau- und Industriestadt Pokrowsk nicht mehr frontal anzugreifen, sondern im Süden zu umgehen. Die Russen stehen kurz davor, die Grenze des ukrainischen Verwaltungsgebiets Dnipropetrowsk zu erreichen. Dieses ist seit Kriegsbeginn 2022 von Bodengefechten verschont geblieben. Die Invasoren kommen dem Ziel immer näher, die für annektiert erklärten ukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk auch faktisch unter Kontrolle zu bringen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte das kontinuierliche Vorrücken der Russen in der Ostukraine ein. In einem Fernsehinterview führte er es vor allem auf fehlende Reserven der ukrainischen Armee zurück. «Wir tun alles dafür, dass es im Januar eine Frontstabilisierung gibt», sagte er.
Schwere russische Luftangriffe
Russland habe die Ukraine in den ersten drei Tagen des neuen Jahres mit mehr als 20 Raketen und etwa 300 Kampfdrohnen angegriffen, schrieb Selenskyj am Freitagabend im sozialen Netzwerk X. Dabei habe es Todesopfer und Verwundete gegeben. «Dieser russische Terror, der mit nicht nachlassender Intensität weitergeht, verlangt von uns und allen unseren Partnern, beim Aufbau unserer Flugabwehr nicht nachzulassen», schrieb Selenskyj. Er kündigte für kommende Woche weitere Gespräche mit ausländischen Unterstützern an.
Am Freitag dauerten die sonst auf die Nacht konzentrierten russischen Luftangriffe fast den ganzen Tag an. Nach Drohnenangriffen am Morgen in der Nähe der Hauptstadt Kiew mit einem Toten und mehreren Verletzten schlugen nachmittags drei ballistische Raketen in Tschernihiw ein. In der Großstadt etwa 150 Kilometer nördlich von Kiew wurde ein Zivilist getötet und vier wurden verletzt, wie Gebietsgouverneur Wjatscheslaw Tschaus mitteilte.
Bürgermeister Dmytro Bryschynskyj sprach von drei Einschlägen am Rand der Stadt, die vor dem Krieg knapp 300.000 Einwohner hatte. Zwei Wohnhäuser seien beschädigt. Auch andere Städte wurden beschossen. 3 Lenkraketen und 19 von 32 Drohnen seien abgefangen worden, teilte die Luftwaffe mit.
Hoffnung auf die Unberechenbarkeit Trumps
Bei allen Überlegungen zu einem Ausweg aus dem seit fast drei Jahren andauernden Krieg warten die Ukraine wie Russland derzeit auf den Amtsantritt des künftigen US-Präsidenten Donald Trump am 20. Januar. In Kiew und bei ausländischen Partnern gibt es die große Befürchtung, dass der Republikaner die Militärhilfe verringern und die Ukraine zu Verhandlungen zwingen könnte.
Selenskyj stellte indes Überlegungen an, ob nicht gerade Trumps vielzitierte Unberechenbarkeit den Ausschlag zugunsten seines Landes geben könnte. «Ich halte ihn für stark und unberechenbar. Ich wünschte mir sehr, dass die Unberechenbarkeit von Präsident Trump vor allem die Seite der Russischen Föderation betrifft», sagte der Staatschef in einem vom ukrainischen Fernsehen ausgestrahlten Interview.
Dabei geht Selenskyj davon aus, dass Trump wirklich an einem Friedensschluss interessiert ist und Russlands Staatschef Wladimir Putin den künftigen US-Präsidenten fürchtet, obwohl es für Letzteres wenige Anhaltspunkte gibt. Selenskyj hatte auch einen Teil seiner Neujahrsansprache der Bitte an Washington gewidmet, bei der Unterstützung der Ukraine nicht nachzulassen.