Hilfsorganisation warnen vor einer humanitären Katastrophe im Gaza-Streifen, auch die USA fordern mehr Schutz für Zivilisten - jetzt beugt sich Israel dem Druck, zumindest etwas.
08.12.2023 - 05:34:27Hoffnung auf schnellere Hilfe für Gaza. Der Überblick.
Israels Bodenoffensive im Gazastreifen lässt den Hunderttausenden von palästinensischen Zivilisten kaum noch sichere Zufluchtsorte. In Rafah an der Grenze zu Ägypten suchten so viele Menschen Schutz vor den Kämpfen, dass die Stadt inzwischen weder Lebensmittel noch Strom und auch kein ausreichendes Trinkwasser mehr für sie habe, wie ein Reporter der britischen BBC berichtete.
Angesichts der wachsenden Kritik an den stockenden Hilfslieferungen nach Gaza und auf den Druck der USA hin hat sich Israel nun bereiterklärt, am Grenzübergang Kerem Schalom eine zweite Kontrollstelle für Lastwagen mit Hilfsgütern zu nutzen.
Hoffnung auf zweiten Grenzübergang
Damit werde Israel in den kommenden Tagen beginnen, meldete die «Times of Israel» unter Berufung auf einen ranghohen Regierungsvertreter. Dies solle die Einfuhr einer größeren Anzahl an Lastwagen erleichtern, hieß es unter Berufung auf die zuständige israelische Cogat-Behörde. Kerem Schalom liegt viel näher an Rafah als der kleinere Übergang Nitzana, wo Israel bislang den Inhalt der Hilfstransporte inspiziert, bevor sie nach Rafah geschickt werden. Seit Kriegsbeginn gehen die Lieferungen ausschließlich über Rafah.
Wie der Palästinensische Rote Halbmond auf X mitteilte, fuhren am Donnerstag 69 Lastwagen mit Hilfsgütern über Rafah in den Gazastreifen. Die Laster seien mit lebenswichtigen Vorräten beladen gewesen. Vor dem Krieg fuhren 500 Lkw pro Tag in das Gebiet. Hilfsorganisationen beklagen, dass der Transport von Lastwagen mit Hilfsgütern nach Nitzana und zurück zu weiteren Verzögerungen bei der Versorgung der Zivilisten geführt habe, was Israel aber bestreitet.
Israel fürchtet, dass in den Lkw auch Waffen nach Gaza geschafft werden könnten und inspiziert sie deshalb. Geht es nach den USA, soll Israel den Übergang Kerem Schalom auch wieder ganz für die Ein- und Ausfuhr von Hilfstransporten öffnen, wie die «Times of Israel» weiter berichtete. Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths sieht dafür Chancen, wie er in Genf sagte. Noch warte das UN-Nothilfebüro (OCHA) auf grünes Licht, aber es plane nun Konvois aus Jordanien mit Hilfsgütern, die über Kerem Schalom fahren sollen.
Kerem Schalom war der Grenzübergang, über den vor dem Terrorangriff der islamistischen Hamas und anderer Gruppen auf Israel am 7. Oktober die meisten Hilfsgüter nach Gaza gelangten. Die Nutzung von Kerem Schalom mache die Versorgung der Menschen in Not etwas einfacher, so Griffith. Aber nur ein Ende der israelischen Angriffe und eine Waffenruhe könnten die nötige Hilfe für die Menschen gewährleisten.
USA richten erneut Mahnung an Israel
US-Außenminister Antony Blinken rief Israel erneut auf, mehr für den Schutz von Zivilisten in dem Küstenstreifen zu tun. Israels Führung habe zwar wichtige zusätzliche Schritte in diese Richtung unternommen, so Blinken. Es gebe aber nach wie vor eine Lücke zwischen dem, was er bei seinem jüngsten Besuch in Tel Aviv angeregt habe und was an Ergebnissen zu beobachten sei.
Es gehe zum Beispiel nicht nur darum, Sicherheitszonen einzurichten, sondern sie auch so zu kommunizieren, dass die Menschen tatsächlich wüssten, wohin, wann und auf welchem Weg sie flüchten könnten. Zudem müsse es in solchen Sicherheitszonen Essen, Wasser und Medikamente für die geflüchteten Menschen geben. Im Gazastreifen herrschten «unvorstellbare Verluste, Zerstörung und Elend», schrieb auf X Cindy McCain, Leiterin des Welternährungsprogramms. Jeder leide Hunger.
Israel: Hamas feuert aus Sicherheitszonen
Israels Militär erklärte unterdessen, dass die Hamas aus solchen «humanitären Sicherheitszonen» heraus Raketen auf Israel abgeschossen habe. Israelische Medien veröffentlichten am Donnerstag derweil Bilder von Dutzenden im Gazastreifen festgenommenen Palästinensern in Unterhosen. Die Identität der Männer war zunächst unklar. Der israelische Militärsprecher Daniel Hagari sagte, die Viertel Dschabalia und Schedschaija im Norden des Küstenstreifens seien «Hochburgen von Terroristen und wir kämpfen gegen sie».
Wer in diesen Gebieten verblieben sei, aus Tunnelschächten oder aus Gebäuden komme, werde untersucht, um zu klären, «wer Verbindungen zur Hamas hat und wer nicht». Man nehme alle fest und verhöre sie, erklärte Hagari. Derweil gehen auch in der südlichen Stadt Chan Junis, die als Hochburg der Hamas gilt, die Häuserkämpfe weiter.
Die Zahl der in dem von Israel abgeriegelten Küstengebiet getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde inzwischen auf 17.177 gestiegen. Die Zahl lässt sich gegenwärtig nicht prüfen, die UN und andere Beobachter weisen aber darauf hin, dass sich die Zahlen der Behörde in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten.
Israels Armee setzt Bombardement im Gazastreifen fort
Die israelische Armee hat ihr Bombardement von Zielen im Gazastreifen fortgesetzt. Im Laufe des vergangenen Tages seien etwa 450 Ziele am Boden, aus der Luft und vom Meer aus angegriffen worden, teilte die Armee am Freitagmorgen mit. Die Truppen seien weiter dabei, Tunnelschächte, Waffen und weitere Infrastruktur von Terroristen auszumachen und zu zerstören. In der Nacht seien zudem vom Meer aus Marine- und Geheimdienstkapazitäten der islamistischen Hamas mit Präzisionsmunition getroffen worden.
In der im Süden gelegenen Stadt Chan Junis, die als eine Hochburg der Hamas unter ihrem Chef Jihia al-Sinwar gilt, seien dessen Terroristen aus der Luft mit Präzisionsschlägen beschossen worden, hieß es. Die gezielten Schläge der Luftwaffe hätten zwei Stunden lang angedauert.
USA verhängen Sanktionen wegen Huthi-Angriffen
Derweil hat die US-Regierung als Reaktion auf Angriffe gegen Handelsschiffe im Roten Meer durch die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen Sanktionen verhängt. Diese richteten sich gegen 13 Personen und Einrichtungen, denen die USA vorwerfen, die Huthis mit Geld aus dem Verkauf und Versand iranischer Waren zu versorgen, teilte das US-Außenministerium mit.
Was heute wichtig wird
Nach dem Drängen von UN-Generalsekretär António Guterres will sich der Weltsicherheitsrat erneut mit der Situation im Gazastreifen befassen. Die Sitzung sei für 16.00 Uhr MEZ angesetzt. Die Vereinigten Arabischen Emirate legten einen neuen Resolutionsentwurf mit der Forderung nach einem Waffenstillstand vor. Ähnliche Vorstöße waren jedoch bislang am Widerstand der USA gescheitert.